www.wikidata.de-de.nina.az
Ein Prozessleitsystem PLS engl Distributed Control System DCS 1 oder Process Control System PCS oder Industrial Control System ICS dient zum Fuhren einer verfahrenstechnischen Anlage zum Beispiel einer Raffinerie Es besteht typischerweise aus sogenannten prozessnahen Komponenten PNK und Bedien und Beobachtungsstationen BUB auch Anzeige und Bedienkomponente ABK und Engineering Komponenten EK engl engineering station ES 2 Leitstand der Lemgoer Modellfabrik 2010 Inhaltsverzeichnis 1 Erkennungsmerkmale eines Prozessleitsystems 2 Architektur von Prozessleitsystemen 2 1 Einbusarchitektur 2 2 Serverarchitektur 3 Entwicklungsgeschehen bei Prozessleitsystemen Vergangenheit Gegenwart und Zukunft 3 1 Manueller Betrieb vor 1960 3 2 Parallele Systeme ab etwa 1960 3 3 Zentrale Systeme ab etwa 1970 3 4 Dezentrale Systeme ab etwa 1985 3 5 Dezentrale Systeme ab etwa 1995 3 6 Zukunft 4 Einsatzgebiete und Ausstattung von Prozessleitsystemen 5 Siehe auch 6 Literatur 7 EinzelnachweiseErkennungsmerkmale eines Prozessleitsystems BearbeitenIm Wesentlichen kann man ein Prozessleitsystem anhand von zwei Merkmalen erkennen ein Prozessleitsystem verhalt sich zeitdeterministisch Damit ist lediglich ausgesagt dass ein Prozessleitsystem uber die Zeitachse hinweg kein ausschliesslich stochastisches Verhalten aufweist Ob die Gesamt Steuerung und die Steuerung der Teilsysteme synchron oder asynchron erfolgt ist damit noch nicht ausgesagt ein Prozessleitsystem besitzt eine Datenbasis fur alle beteiligten Systeme Unter einem zeitdeterministischen Verhalten versteht man die Abarbeitung eines Anwenderprogramms in festen Taskzyklen Diesen Taskzyklen sind feste Bearbeitungszeiten zugewiesen die im Normalfall auch eingehalten werden Beispielsweise kann ein Task einmal pro Sekunde ausgefuhrt werden auch wenn das zugehorige Anwenderprogramm in 200 ms abgearbeitet ist wird es nur einmal pro Sekunde gestartet Wurde nur eine Task auf dem Hauptprozessor ausgefuhrt werden so ware dies Ressourcenverschwendung Wird in diesem Anwenderprogramm aufgrund eines Programmierfehlers oder aus anderen Grunden eine Endlosschleife ausgefuhrt erhoht sich die Abarbeitungszeit beispielsweise von 200 ms auf 1000 ms Spatestens nach einer Sekunde wird jedoch das Anwenderprogramm abgebrochen da der Task beendet ist Wenn der Task wieder neu gestartet wird wird auch das Anwenderprogramm neu ausgefuhrt Wenn man nun das Anwenderprogramm einer verfahrenstechnischen Anlage in mehrere Teile zerlegt und diese durch unterschiedliche Tasks abarbeiten lasst kann man sicherstellen dass beim Ausfall eines Programmteils durch fehlerhaften Code die anderen Programmteile trotzdem durch ihre Tasks ausgefuhrt werden Wird in einem Task eine Endlosschleife ausgefuhrt belegt dieser zwar den Hauptprozessor wird aber spatestens dann abgebrochen wenn ein anderer Task zur Ausfuhrung eingeteilt wird Dadurch kann man Teilanlagen programmtechnisch voneinander entkoppeln und Leistungsoptimierungen vornehmen Man kann zum Beispiel Temperaturmessungen die ihren Wert nur im Minutenbereich andern in einen funf Sekunden Task legen und Druckmessungen die sich sehr schnell andern in einem 200 ms Task abarbeiten Durch dieses System kann man deterministisch also bestimmt sagen dass diese Druckmessung alle 200 ms ausgewertet wird egal ob andere Programmteile fehlerhaft sind Dadurch erreicht man dass Systemgrossen die nur eine geringe zeitliche Dynamik aufweisen wie etwa eine Temperaturmessung den Hauptprozessor nicht zu stark beanspruchen Unter einer Datenbasis fur alle beteiligten Systeme versteht man dass Prozessobjekte z B eine Druckmessung in der prozessnahen Komponente PNK und in den Bedien und Beobachtungsstationen BUB nicht doppelt angelegt werden mussen In der PNK muss fur die Druckmessung ein Programm vorhanden sein das aus der Hardware den Messwert aufnimmt und eine Grenzwertuberwachung durchfuhrt Ubersteigt der Messwert einen eingestellten Grenzwert wird ein Alarm ausgelost z B Kessel 42 hat Uberdruck der vom Alarmsystem behandelt wird Des Weiteren wird der gemessene Wert vom Visualisierungssystem angezeigt damit der Anlagenfahrer informiert wird Nun kann auch noch ein Tagloggingsystem Kurvenarchivierung die Messwerte aufnehmen damit spater Messwertkurven dargestellt werden konnen Damit nun in all diesen Systemen die Druckmessung vorhanden ist mussen alle Systeme ihre Informationen aus einer Datenbasis erhalten Architektur von Prozessleitsystemen BearbeitenEs gibt heute unzahlige unterschiedliche Architekturen von Prozessleitsystemen Die gebrauchlichsten sind jedoch die Einbus Architektur und die Serverarchitektur Einbusarchitektur Bearbeiten Hier sind die PNK und BUB Stationen auf einem Bus aufgereiht Dabei kann jede BUB Station die gewunschten Daten von jeder PNK abgreifen und dieser wiederum Befehle erteilen Prominente Vertreter dieser Architektur sind die Emerson Electric Company mit DeltaV ABB mit Freelance und Yokogawa mit Centum VP Diese Architektur verbindet den Vorteil einer hohen Verfugbarkeit mit der dezentralen Verteilung der Intelligenz Nachteile sind die oft komplizierte Datenhaltung Bildanderungen Download der Clients Engineering Server und die oft hohe Buslast bei grossen Anlagen Serverarchitektur Bearbeiten Hier sind zwei Bussysteme aufgebaut Der Systembus verbindet alle PNKs der Terminalbus alle BUB Einheiten mit dem Server Die BUB Einheiten und die PNKs haben keine physische Verbindung Der Server sammelt zyklisch von allen PNK die gewunschten Daten und stellt sie im Terminalbus den BUB Einheiten zur Verfugung Ein prominenter Vertreter dieser Architektur ist Siemens mit PCS 7 oder ABB mit System 800xA Diese Architektur hat den Vorteil dass durch die getrennten Bussysteme die Buslast gut skaliert werden kann und dass ein einfacher Eingriff fur Fremdapplikationen MES ERP durch den Server ermoglicht werden kann Nachteilig ist die fehlende Bedienbarkeit bei Serverausfall was Redundanzkonzepte erforderlich macht sowie die zusatzlich benotigte Hardware Oft sind heute auch Mischversionen dieser Architekturen im Einsatz Spezielle Architekturen werden fur besondere Einsatzgebiete zum Beispiel besonders hohe Verfugbarkeit hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten geringe Kosten und besondere Flexibilitat angewendet Entwicklungsgeschehen bei Prozessleitsystemen Vergangenheit Gegenwart und Zukunft BearbeitenProzessleitsysteme gibt es heute in unzahligen verschiedenen Ausfuhrungen Den Entwicklungsverlauf in der PLS Technik kann man in vier Stufen unterteilen Manueller Betrieb vor 1960 Bearbeiten Die Messgrossen wurden an Ort und Stelle ausgewertet und angezeigt ohne dass die Daten gesammelt wurden Es war zum Beispiel einfach eine Vorrichtung zur Druckmessung in ein Rohr eingebaut um den Druck in der Leitung in Erfahrung zu bringen musste man sich vor Ort begeben und die Anzeige ablesen Die Stellglieder waren auch noch nicht automatisiert d h um eine Leitung abzusperren musste man vor Ort ein Ventil schliessen Das Anlagenpersonal musste also standig in der Anlage Messwerte ablesen und die entsprechenden Aktoren betatigen um den Prozess im gewunschten Bereich zu halten Dadurch waren nur kleine Anlagen moglich und ein hoher Personaleinsatz war vonnoten Parallele Systeme ab etwa 1960 Bearbeiten Einzelne leittechnische Massnahmen wurden durch pneumatische oder elektrische Regeleinrichtungen ubernommen Wichtige Messwerte wurden elektrisch gemessen und in den ersten Bedienwarten angezeigt Die wichtigsten Informationen und Aktoren konnten erstmals von einem zentralen Platz der Warte verwaltet werden Durch die hohe Verantwortung musste das Wartungspersonal speziell geschult werden Da es fur jeden Sensor und Aktor ein System gab mussten bei den ersten grosseren Anlagen teilweise hunderte Bedien und Beobachtungssysteme in die Leitwarte eingebaut werden Fur jedes Ventil benotigte man einen Schalter fur jede Messung eine Anzeige Riesige Messwarten entstanden in denen oft Unubersichtlichkeit herrschte Zentrale Systeme ab etwa 1970 Bearbeiten Durch die Einfuhrung der Mikrocontroller war es erstmals moglich Ablaufe zu automatisieren Eine zentrale Steuereinheit konnte selbstandig Aktionen durchfuhren zum Beispiel gewisse Prozesszustande auswerten und daraufhin die gewunschten Massnahmen einleiten Durch die teilweise Entlastung des Bedienpersonals konnten komplexere und grossere Anlagen gebaut werden Erste Visualisierungssysteme kamen auf den Markt und versuchten das Chaos an Anzeigen und Schaltern in den Messwarten einzudammen Es wurde nun versucht so viele Signale wie nur moglich zentral zu erfassen da durch die Rechnerunterstutzung diese Informationsflut bewaltigt werden konnte Die Anlagenfahrer hatten erstmals den Grossteil der Informationen in der Warte verfugbar was die Bedienung weiter vereinfachte Ein Nachteil der Zentralisierung war jedoch dass beim Ausfall der zentralen Recheneinheit die gesamte Anlage stillstand Die geringe Verfugbarkeit der Anlagen versuchte man durch Redundanzkonzepte zu bekampfen Dezentrale Systeme ab etwa 1985 Bearbeiten Durch die sinkenden Preise am Halbleitermarkt wurden dezentrale Konzepte erschwinglich Mehrere Recheneinheiten steuern den Prozess und kommunizieren untereinander mit einem Bussystem Es wird also nicht mehr eine grosse Steuerung die alles steuert verwendet sondern mehrere kleine die untereinander in Kommunikation stehen Fallt nun eine Steuerung aus so steht nicht die gesamte Anlage still denn die anderen Steuerungen laufen weiter Dadurch wurde die Anlagenverfugbarkeit erhoht Die Steuerungen kommunizieren untereinander uber ein Bussystem an dem auch die Bedien und Beobachtungsstationen angeschlossen sind Durch diese Trennung von Visualisierung und Steuerung ist es moglich spezialisierte Produkte einzusetzen und diese raumlich zu trennen Die Steuerungen sind meist aus Mikrocontrollern aufgebaute Spezialsysteme die in den Schaltschranken der Anlage hangen und dort mit der Prozessperipherie verbunden sind Sie sind ausserst robust ausfallsicher modular und in verschiedenen Leistungsklassen erhaltlich Die Visualisierung wird meist uber PCs oder PC ahnliche Produkte realisiert Erstmals war auch mit vertretbarem Aufwand moglich mehrere Bedienplatze einzurichten Durch diesen dezentralen Aufbau liessen sich Anlagen realisieren die an Grosse und Komplexitat bereits heutigen entsprechen Angenommen man benotigt fur eine bestimmte Anlage zehn Steuerungen und drei Bedienplatze Soll eine grossere Anlage gebaut werden so erhoht man die Anzahl der Steuerungen und fur das zusatzliche Personal werden neue Bedienstationen aufgebaut In der Realitat konnten jedoch nur Anlagen bis zu einer bestimmten Grosse gebaut werden da die Kommunikationslast die Systembusse derart beanspruchte dass die Bedienung einfacher Ventile unter Umstanden schlicht zu langsam wurde Auch wirkten sich die Engineering Kosten limitierend aus da nur wenige technische Standards eingesetzt wurden und sich so die unterschiedlichen Systeme der Hersteller stark unterschieden Dies hatte zur Folge dass Engineering Personal meist nur auf einen oder wenige Hersteller geschult war und somit wenig Wettbewerb bestand Dezentrale Systeme ab etwa 1995 Bearbeiten Durch den Einsatz von Standard PC Architektur und Software konnten die Kosten weiter gesenkt werden Auf den meisten Systembussen wird Ethernet verwendet Deshalb ist es nicht mehr notwendig auf Spezialkomponenten zuruckgreifen zu mussen sondern man kann ausgereifte und leistungsfahige Standardprodukte aus der IT Welt verwenden Aufgrund der Nutzung derselben Techniken durch mehrere Hersteller ist es heute fur einen Ingenieur verhaltnismassig leicht sich in die Produkte mehrerer Hersteller einzuarbeiten was den Wettbewerb belebt Der Anwender hat gegenuber alteren Systemen den Nutzen dass er die Bedienung mit Maus und Tastatur aus der Buroumgebung kennt Grosse Kostenersparnisse ergeben sich auch durch den Einsatz der Feldbusse mit denen Gerate und E A Peripherie angebunden werden Dadurch kann nicht nur der aktuelle Wert der Messung wie fruher ublich ausgewertet werden sondern es besteht auch die Moglichkeit Einstellungen vorzunehmen und Parameter auszulesen Des Weiteren kann die E A Peripherie weiter ins Feld hinaus verlagert werden was Kostenvorteile bei der Verkabelung mit sich bringt Zukunft Bearbeiten Die Hardware der Prozessleitsysteme bewegt sich immer mehr weg von spezialisierten Systemen hin zu verbreiteten und gunstigen IT Komponenten Ausserdem ist eine weitere Dezentralisierung festzustellen was die Intelligenz in immer kleinere feldnahere und mobile Einheiten bringt Durch den Einsatz von vorgegebenen Engineering Elementen und Projektierungshilfen werden die Engineering Kosten weiter gesenkt Erste Systeme mit Linux beginnen am Markt Fuss zu fassen wahrend gleichzeitig Microsoft Windows nun auch in Form von Windows CE in die kleineren feldnahen und mobilen Einheiten vordringt Ebenso gewinnt die Integration von Fremdanlagen Packages weiter an Bedeutung ERP MES und CMMS Schnittstellen werden immer besser integriert Einsatzgebiete und Ausstattung von Prozessleitsystemen BearbeitenProzessleitsysteme werden meist fur grossere Anlagen eingesetzt und bestehen ublicherweise aus einem Paket das folgende Mechanismen beinhaltet PNK zur Steuerung von Aktoren und Aufnahme der Messwerte Alarmsystem Anlagenvisualisierung Kurvenaufzeichnung von analogen Messwerten Benutzerverwaltung Moglichkeiten des Engineering Meist sind auch folgende zusatzliche Mechanismen erhaltlich Batch System zur Rezeptfahrweise Routensystem fur die Auswahl von Forderwegen Technische Diagnosemoglichkeiten Datenschnittstellen zu externen Systemen Recheneinheiten fur anspruchsvollere Regelungstechnik Systeme zur Datensicherung Die prozessnahen Komponenten sind in Schaltschranken eingebaut die sich in Schaltraumen befinden Sie erledigen die eigentlichen Steuerungs und Regelungsaufgaben und sind mit Sensoren zum Beispiel Druckmessumformern sowie Aktoren zum Beispiel Regelventilen verbunden Die Bedien und Beobachtungsstationen dienen der Visualisierung der verfahrenstechnischen Anlage und befinden sich in der Schaltwarte die standig mit Anlagenfahrern besetzt ist Prozessnahe Komponenten und Bedien und Beobachtungsstationen sind uber ein Bussystem miteinander verbunden Siehe auch BearbeitenProduktionsleitsystem Werkstattsteuerung Speicherprogrammierbare Steuerung Echtzeitsystem Fertigungsleitstand PPS System LeitstandLiteratur BearbeitenUwe Maier Thomas Tauchnitz Prozessleitsysteme und SPS basierte Leitsysteme atp Praxiswissen kompakt automatisierungstechnische praxis Bd 6 Oldenbourg Industrieverlag Munchen 2009 ISBN 978 3 8356 3083 3 Einzelnachweise Bearbeiten Karl Friedrich Fruh Uwe Maier Dieter Schaudel Handbuch der Prozessautomatisierung Oldenbourg Industrieverlag 2008 ISBN 978 3 8356 3142 7 S 191 Klaus Thiel Heiko Meyer Franz Fuchs MES Grundlagen der Produktion von morgen Oldenbourg Industrieverlag 2008 ISBN 978 3 8356 3140 3 S 48 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Prozessleitsystem amp oldid 236817476