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Die postprozessuale Archaologie manchmal auch Interpretative Archaologie genannt 1 ist eine archaologische Theorie die die Subjektivitat archaologischer Interpretationen betont Anstelle einer unscharf umrissenen Reihe von Gemeinsamkeiten besteht postprozessuale Archaologie aus vielseitigen Gedankenstrangen die zu einem losen Gefuge von Traditionen zusammengefasst werden 2 Innerhalb des Post Prozessualismus wurde eine Vielzahl theoretischer archaologischer Blickpunkte zusammengefasst darunter Strukturalismus und Neo Marxismus sowie eine Reihe verschiedener archaologischer Techniken wie etwa die Phanomenologie Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Symbole und Bedeutung 3 Methoden Hermeneutik 4 Multivokalitat 5 Agency Ursprung und Inhalte 5 1 Theorie 5 2 Kritik an Agency 6 Siehe auch 7 Einzelnachweise 8 LiteraturForschungsgeschichte BearbeitenDie postprozessuale Archaologie wird als kritische Antwort auf die New Archaeology bzw die prozessuale Archaologie verstanden Der durch den britischen Archaologen Ian Hodder gepragte Begriff umfasst neue Stromungen in der Archaologie die sich seit den 1980er Jahren kritisch mit der New Archaeology auseinandersetzten Fuhrend in dieser Debatte waren Universitaten in England besonders Cambridge und Skandinavien Zu den sich neu entwickelten Ansatzen gehoren der aus Frankreich ubernommene Strukturalismus der Poststrukturalismus die kontextuelle Archaologie mit dem theoretischen Hintergrund der Hermeneutik und die Phanomenologie Ebenfalls flossen Ideen aus feministischen marxistischen und literaturwissenschaftlichen Stromungen sowie aus der allgemeinen Kulturtheorie ein 3 4 All diesen Stromungen liegt die Opposition zur prozessualen Archaologie zu Grunde an der vier Aspekte stark kritisiert werden 5 6 7 Erstens ihr Positivismus wonach Interpretationen aufgrund von Theorien entwickelt werden konnen die auf der objektiven Erkenntnis der gesammelten Daten beruhen Vertreter des Postprozessualismus halten dagegen dass schon bei der Datensammlung bzw der Dokumentation einer Ausgrabung erst recht aber bei der Modellbildung und Interpretation subjektive Wahrnehmungen mit einfliessen Zweitens wird kritisiert dass keine Versuche unternommen werden die Denkweisen und Mentalitaten vergangener sozialer Gruppen zu erforschen und in die Interpretationen einzubeziehen In der postprozessualen Archaologie wurde dies zu einem Thema von zentraler Bedeutung Drittens wurden in der prozessualen Archaologie sowohl das Individuum als auch die materielle Kultur zu passiv und von ausseren Einflussen Natur Umwelt abhangig dargestellt Gesellschaftlicher Wandel sollte vielmehr das Handeln von Individuen mit einbeziehen Materielle Kultur wird in diesem Zusammenhang sowohl als Werkzeug als auch als eigenwirksam konzeptualisiert Viertens ist die Methode der kulturubergreifenden Vergleiche insofern problematisch als dadurch das Eigene einer Gesellschaft Kultur oder sozialen Gruppe und damit die Geschichte vernachlassigt wird Die postprozessuale Archaologie hingegen interessiert sich fur den spezifischen Wandel von lokalen Entitaten im Spiegel von Handlungsvollzugen Insgesamt war es das Ziel der postprozessualen Archaologie soziale Praktiken in den Mittelpunkt des Vergangenheitsinteresses zu stellen sowie die Bedeutungen von Symbolen fur archaologisch fassbare gesellschaftliche Gruppen zu eruieren Daneben sollte die Verengung auf eine scheinbar richtige Interpretation durch grossere Interpretationsspielraume vermieden werden 8 9 Bis in die 1990er Jahre blieb die postprozessuale Archaologie hiermit aber oft eine Kritik an einem alteren Paradigma 1980 kam es unter der Agide von Ian Hodder zu einer Konferenz die bis heute als erster offentlicher Auftritt dieser neuen Richtung angesehen werden kann 10 Ab den 1990ern wurde die archaologische Theoriebildung starker mit Praxis verbunden und die postprozessuale Archaologie wurde nun fur einige Zeit auch unter dem Begriff Interpretative Archaologie zusammengefasst Es wurde angenommen dass verschiedene Personen mit je unterschiedlichen sozialen Hintergrunden die Vergangenheit automatisch unterschiedlich interpretieren 11 Hermeneutik und der Ruckgriff auf Literatur und Philosophie u a Barthes Derrida fuhrten dazu dass postprozessuale Archaologen die Vergangenheit mit einem Text verglichen den es zu lesen galt und der nicht nur einen wahren Inhalt besitzt sondern je nach Lesenden mit verschiedenen Wahrheiten aufgeladen werden kann 12 Heute herrscht in der englischsprachigen Archaologie allgemeine Ubereinstimmung dass es keine einzige und beste Theorie geben kann ein Theorie Pragmatismus kennzeichnet die rezente Phase des Postprozessualismus 13 14 Die wichtigsten Vertreter des Postprozessualismus sind Ian Hodder Michael Shanks Christopher Tilley John C Barrett und Julian Thomas 15 Symbole und Bedeutung BearbeitenIm Gegensatz zur prozessualen Archaologie die den Schwerpunkt auf Funktionen Gebrauch und Herstellungsart eines Artefakts legt wird in der kontextuellen Archaologie die kulturelle Bedeutung materieller Kultur betont Als Hintergrund dient die Annahme dass alle Bestandteile einer Kultur so konstruiert sind dass sie immer schon mit Sinn aufgeladen sind Durch ein zunehmendes Interesse an Linguistik Strukturalismus und Semiotik ab Mitte der 1970er Jahre in den Geisteswissenschaften beeinflusst entstand die Theorie dass materielle Hinterlassenschaften als Symbole zu betrachten sind die ahnlich wie ein Text gelesen werden konnen und bestimmten Regeln unterliegen 16 Symbole sind als Bedeutungstrager zu definieren die mit einer oder mehreren Vorstellungen verbunden sind Sie konnen nicht nur Zeichen und Bilder sondern auch Gegenstande und Installationen sein 17 Zum Beispiel kann ein Herd in seiner funktionellen Bedeutung als Kochstelle begriffen intuitiv aber auch als Mittelpunkt eines Haushaltes empfunden werden Solche Sinneinheiten konnen in unterschiedlichen Kontexten verschiedene auch widerspruchliche Bedeutungen haben Dabei liegt die Betonung auf dem Kontext von Objekten Das Objekt erhalt seine konkrete n Bedeutung en aus dem Kontext und gibt gleichzeitig dem Kontext einen Sinngehalt Zwischen Objekt und Kontext besteht also eine dynamische Wechselbeziehung 18 Ein Objekt kann ausserdem unterschiedliche Bedeutung en fur seinen Hersteller die Menschen die es benutzt haben und fur die Archaologen haben Demnach andern sich Bedeutungen im Laufe der Zeit und sind abhangig von sich wandelnden Kontexten und Interpreten Deren Verstandnis wiederum ist an den Kontext und oder an das Vorhandensein relevanten Vorwissens geknupft Da Objekte mehrfache Interpretationen erlauben sind Bedeutungen immer polysemisch d h es gibt nicht eine richtige sondern verschiedene vom Kontext abhangige gultige Bedeutungen 19 Am Beispiel des Herdes wurden die oben genannten Prinzipien folgendermassen aussehen Die Denotationen fur die Erbauer des Herdes sind die Moglichkeiten zur Zubereitung warmer Speisen sowie die Nutzung als Warmequelle fur Hausbewohner Die Konnotationen die ein Herd aufweisen kann ergeben sich aus dem Kontext Ist der Herd die einzige Warmequelle des Haushalts symbolisiert er mit ziemlicher Sicherheit sein soziales und kommunikatives Zentrum was im Kontext eines kalten Klimas wiederum eine hohere Relevanz besitzt als in Aquatornahe In der Erfahrungswelt eines Kindes wird ein Herd eine ganz andere Bedeutung besitzen als fur einen Erwachsenen wobei naturlich das Feuer und dessen Bandigung eine eigene Symbolik haben von der ausgehend man eine weitere Bedeutungskette bilden konnte Methoden Hermeneutik BearbeitenAls zentrale Methode der postprozessualen Archaologie zur Entschlusselung der Symbole dient die Hermeneutik Eine Annaherung an fremde Ideenwelten sollte durch das Verfahren des hermeneutischen Zirkels erreicht werden Ausgangspunkt hierbei ist eine moglichst umfangreiche Materialsammlung mit deren Hilfe eine sinnvolle Frage gestellt werden soll Das vorhandene Vorwissen wird dann auf eine Antwort auf die vorher formulierte Frage abgesucht in der Hoffnung auf einen Erkenntnisgewinn der das Ausgangswissen erweitert Auf Basis des neuen Wissens kann dieser Vorgang beliebig wiederholt werden gleich einer Spirale und soll so zu einem immer besseren Verstehen vergangener Vorstellungen fuhren 20 Als Ergebnis erhalt man eine Anzahl gleichwertiger sich eventuell gar widersprechender Interpretationen die nicht falsifiziert werden konnen sondern nur unterschiedlich plausibel sind 21 Aus dem Konzept des hermeneutischen Zirkels wird klar dass in diesem Bereich der Forschung keine objektive Wissenschaft moglich ist denn wir konnen nie vollkommen unvoreingenommen sein Vorurteile sozialer politischer und wissenschaftlicher Natur beeinflussen unbewusst alle Interpretationen der Vergangenheit 22 Es ist keine korrekte und endgultige Interpretation moglich weswegen jedem das Recht eingeraumt wird sich eine eigene Meinung uber die Vergangenheit zu bilden 23 24 Der hermeneutische Zirkel stellt einen nie endenden Prozess dar in dem jede neue Generation ermutigt werden soll das vorhandene Wissen zu re evaluieren Multivokalitat BearbeitenDie Rezeption von Foucaults Werken durch die postprozessuale Archaologie fuhrte dazu dass man sich des Zusammenhangs zwischen Macht und Wissen insbesondere akademischem Wissen gewahr wurde Gleichzeitig regten sich Widerstande besonders seitens der Native Americans in den USA gegen eine Archaologie die unreflektiert Graber der indigenen Bevolkerungen auf der Suche nach Grabbeigaben und Anzeichen fur nicht westliche Riten ausgrub die Objekte und Skelette in Museumskellern unterbrachte oder sie gar ausstellte Der Widerstand gegen diese als Raub und fortgesetzter Ethnozid empfundene Wissenschaft der Archaologie wurde von der postprozessualen Archaologie ganz im Gegensatz zu den Vertretern der prozessualen kulturhistorischen und evolutionistischen Richtungen ernst genommen Man sprach zunachst von der Berucksichtigung der Interessen von Stakeholders im Allgemeinen womit nicht nur indigene Gruppen sondern auch Landbesitzer Gemeinden die nahe an einem Ausgrabungsort leben die Offentlichkeit aber in spezifischen Fallen auch religios Motivierte gemeint sein konnen Archaologie behielt zunachst die Aufgabe der Orchestrierung solcher Stimme Der archaologische Diskurs hatte sich damit noch nicht klar in den von Stakeholders als gleichwertig eingereiht Letzteres Extrem kam im Zuge postkolonialer Uberlegungen immer deutlicher auf als postkoloniale Historiker und andere Intellektuelle dem Westen vorwarfen die gesamte Rationalitat des Argumentierens sei ein Instrument der Dominanz und Unterdruckung anderer 25 Tendenziell schien es als ob man vom Dialog mit interessierten Laien sich in eine Richtung bewegte in der jeder mit gleichem Recht eine Interpretation fur archaologische Ergebnisse liefern konnte Daher wird Multivokalitat oft scharf als Relativismus angegriffen der Faschisten Rassisten und Chauvinisten den Weg zum legitimen Diskurs in archaologischen Spharen offnet wie Minderheiten die bislang keinerlei Mitspracherecht an der Interpretation ihrer eigenen Vergangenheit hatten Das Projekt in Catalhoyuk ist ein gutes Beispiel fur praktizierte Multivokalitat denn auf der Website zumindest konnen sich Interessierte mit ihren Ideen zur Interpretation des Projekts einbringen wozu unter anderem Okonfeministen zahlen 26 Andere Interessierte die hier sehr viel deutlicher zu Wort kommen als es normalerweise der Fall ist sind z T lokale Einwohner wie etwa ein Grabungswachter 27 Dennoch muss man zwischen einer unbeschrankt naiven Selbstrucknahme unterscheiden die letztlich unter den Stakeholders denjenigen die deutlichste Stimme gibt die a priori schon am meisten Macht haben und einer reflexiven Multivokalitat die im Dialog nach allen Seiten eine verantwortungsvolle Vielstimmigkeit erzeugt 28 Postprozessualismus beinhaltet beides Agency Ursprung und Inhalte BearbeitenDie Agency Theorien gehoren zu den postprozessualen Archaologien und sind somit Teil der Reaktion auf prozessuale Systemmodelle und Strukturalismus 29 Fur das Konzept von agency engl fur Handlungspotential Wirkung Tatigkeit gibt es keine einheitliche Definition 30 31 Allgemein handelt es sich um die archaologische Auseinandersetzung mit den Handlungsspielraumen von Menschen Agency grenzt sich vom in der prozessualen Archaologie gebrauchlichen Begriff des behaviour ab welcher den Wandel menschlicher Kulturen auf aussere Einflusse wie Klima Naturkatastrophen und ahnliches zuruckfuhrt und Prozesse der Geschichte eher auf grossen Zeitskalen beobachtet Agency ist mit den Handlungstheorien von Soziologen des 19 und 20 Jahrhunderts verbunden z B Karl Marx Max Weber Seit den 1980er Jahren wurden soziologische Theorien in die archaologische Forschung ubernommen so dass handlungstheoretische Konzepte langsam in den Bereichen Feminismus Gender Studies und der kognitiven Archaologie Anwendung fanden Ein wissenschaftlicher Diskurs zum Umgang mit Agency begann allerdings erst im Jahr 2000 mit dem Sammelband Agency in Archaeology von Marcia Anne Dobres und John Robb Theorie Bearbeiten Martin Wobst beschaftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen materieller Kultur und dem Handlungspotential der Menschen Einerseits ist das Herstellen eines Artefaktes ein Einfluss auf die Umwelt andererseits beeinflusst es aber auch die menschliche Gemeinschaft in und von der es geschaffen wurde Ein Artefakt besitzt immer eine soziale Komponente Diese kann herausgearbeitet werden indem das Verhaltnis zwischen funktionalen und unfunktionalen Teilen eines Artefaktes evaluiert wird Erst hiernach lasst sich sagen ob Wert auf die Optimierung gelegt wurde ob Asthetik eine Rolle spielt oder ob diesem Artefakt vielleicht gar keine soziale Beachtung geschenkt wurde 32 Timothy R Pauketat verwendet die Agency Theorie zur Interpretation des Aufkommens sozialer Hierarchien in der Mississippi Region Agency geht davon aus dass Menschen oftmals gar nicht ahnen wie sich die von ihnen angelegten Strukturen auf lange Sicht auswirken Die Stratigraphien von Erdhugeln in der Mississippi Region zeigen dass in jahrlichen ritualbedingten Konstruktionszyklen die Hugel aufgeschuttet wurden Die Erbauer handelten also im Sinne einer Tradition Unbewusst wurden mit dem Pflegen dieser Tradition Strukturen angelegt aus denen auf lange Sicht soziale Hierarchien entstanden 33 Die Agency Theorien beschaftigen sich mit der Erfassung von Individuen und deren Handlungen 34 Jeder Mensch trifft aus einer personlichen sozialen okonomischen okologischen etc Situation heraus Entscheidungen d h er ist durch ein Vorwissen gepragt Selbst der Gedanke frei zu sein und machen zu konnen wonach es einem beliebt geht auf spezifische Umstande zuruck die ihn erst ermoglichen Dieses Vorwissen gibt ihm ein Handlungspotential und damit einen gefilterten Entscheidungsspielraum vor aus dem schliesslich durch Abwagung eine Wahl getroffen wird 35 Es geht dabei um die Erforschung einer kulturell gepragten Gruppe mittels moglichst exakter Methoden wie z B Demographie oder Palaopsychologie Fur die Anwendung von Agency ist es wichtig die Hintergrunde zu erkennen die zu den Entscheidungen fuhrten die ein Individuum oder eine Gruppe getroffen haben Daran wird versucht einer Handlungskette Grunde und Absichten zuzuweisen Um Absichten erkennen und formulieren zu konnen muss ein grosser Kontext erfassbar sein physische und soziale Umwelt Status des Einzelnen und Struktur des sozialen Gefuges 36 Eine Grundannahme ist dass es keine statische Struktur von Kultur gibt Jedes Handeln eines Einzelnen wirkt sich immer direkt und indirekt auf die Kultur aus Somit ist die Kultur als solche nie an zwei Zeitpunkten dieselbe sondern immer nur eine Annaherung an abstrahierbare Charakteristika 37 Hodder postuliert dass geschichtliche Prozesse durch das Handeln von Individuen entstehen Die Kraft des Menschen zum Handeln steht im Vordergrund Auch im Agency Diskurs stehen Begriffe wie der freie Wille des Individuums die Wahrnehmung des Menschen durch seinen Korper und die daraus resultierende Reflexion der Wirklichkeit in Gegenstanden im Zentrum Es wird damit versucht sich einer Perspektive archaologischer Kulturen anzunahern die der Sicht ihrer ursprunglichen Teilnehmer entspricht Ein Problem dieses Ansatzes liegt in den archaologischen Quellen Ein solcher hermeneutischer Erklarungsansatz ist stark abhangig davon dass die zugrunde liegenden Daten sehr dicht sein mussten Deshalb lasse sich dies nur an wenigen Fundorten sinnvoll anwenden etwa auf Pompeji Catalhoyuk oder auf den Otzi Kritik an Agency Bearbeiten Ein wesentlicher Kritikpunkt an den Handlungstheorien Agency besteht darin dass strukturveranderndes Handeln in vormodernen Zeiten weniger dominant war 38 Erst im Zuge der Industrialisierung kann zielgerichteter Wandel als rational zweckdienlich angesehen werden Weiterhin wird hier kritisiert dass nicht darauf eingegangen wird welche Rolle die sozialen Verhaltnisse spielen die das Bewusstsein unbewusst pragen und verandern 39 Die Frage wie Bewusstsein entsteht und wie es sich zusammensetzt wird nicht gestellt Der Mensch wird hier primar als Produzent und Verbraucher angesehen was den Einfluss spatkapitalistischer Ideen verdeutlicht 40 Die Postprozessualisten legen zudem dem Handeln einen Sinn zugrunde welcher jedoch in vielen Fallen nicht versprachlicht werden kann Hochstens intuitive Bedeutungen konnen Gegenstanden beigemessen werden d h dass bestimmte Gestaltungs und Verhaltensmerkmale aus gesellschaftlichen Konventionen heraus ubernommen bzw nicht verandert oder infrage gestellt werden 41 Wie man jedoch intuitive Bedeutungen im archaologischen Befund von expliziten diskursiven Bedeutungen unterscheiden kann ist bisher nicht geklart Lewis Binford ubte starke Kritik an einigen von Ian Hodder aufgestellten Thesen 42 So sagt Hodder dass Archaologie durch den Vorgang des Verstehens die Bedeutungen von Hinterlassenschaften erforschen konne Gegenstande haben also sowohl einen ihnen zugemessenen okonomischen Wert als auch einen symbolischen und damit sozialen Charakter Dieses Verstehen setze aber so viel Vorwissen um die Vergangenheit voraus dass sie dem Grundstreben der Archaologie Wissen zu schaffen widerstrebt und damit unpraktikabel ist Weitere Kritik bezieht sich auf die Annahme Hodders archaologische Hinterlassenschaften seien als Codes und Symbole zu sehen Der situationsspezifische Ausdruck ihrer Materialitat und Bedeutung sei ergrundbar und lesbar 43 Auch Colin Renfrew schliesst sich dieser Kritik an und halt diese theoretischen Ansatze Hodders fur nicht praktisch umsetzbar 44 Die Hermeneutik als Ansatz geistige Welten vergangener Kulturen zu erfassen geht davon aus dass jedes menschliche Individuum sich in eine ihm fremde kulturelle Situation hineinversetzen kann und zwar unabhangig von zeitlichen raumlichen und sozialen Unterschieden 45 Von einer Gleichartigkeit der geistigen Welten von Gegenwart und vergangenen Kulturen ist aber kaum auszugehen Da immer nur Bruchstucke aus der Vergangenheit vorhanden sind wird ein historisch absolut korrektes Forschungsergebnis nie moglich sein Es ist zudem schwer mit Hermeneutik rein rational zu argumentieren weil das Handeln von Menschen nicht nur beabsichtigte sondern auch unbeabsichtigte Konsequenzen hat Hinter jedem menschlichen Handeln steht eine Weltsicht der Handelnden Konzepte und Kategorisierungen die immer gesellschaftsabhangig sind 46 Gerade deswegen ist es wichtig zwischen dem vergangenen Subjekt und dem forschenden Selbst zu unterscheiden Ein grundliches Vorwissen bezuglich der vergangenen Kultur ist daher in der Hermeneutik unerlasslich was der Hermeneutik auch eine ganz klar fehleranfallige datenorientierte Seite gibt 47 Ein weiterer Kritikpunkt an strukturalistisch hermeneutischen Interpretationen ist dass sie nicht widerlegt werden konnen sie eben nur mehr oder eben weniger plausibel sind Schon fruh kritisiert wurden auch die aus strukturalistischen Vorgaben entwickelten Oppositionspaare die als selbstverstandlich angenommen wurden Der binare Charakter dieses Denkens muss aber nicht zeitlos gultig sein 48 Aber nach Manfred Eggert regte der Post Prozessualismus mit seiner radikalen Infragestellung der Konzeptionen des Prozessualismus eine selbstkritische Besinnung an was zum Uberdenken traditioneller Positionen fuhrt 49 Auch nach Bernbeck haben die postprozessualen Ansatze die Debatten uber Theorien und den Erkenntnishintergrund der Archaologie stark erweitert Aus der archaologischen Forschung auf dem Niveau der Synthese seien sie nicht mehr wegzudenken 50 Siehe auch BearbeitenArchaologische GeschlechterforschungEinzelnachweise Bearbeiten Johnson 1999 S 98 f Johnson 1999 S 101 Reinhard Bernbeck Theorien in der Archaologie Tubingen 1997 271 294 Michael Shanks Post Processual Archaeology and After In R Alexander Bentley Herbert D G Maschner Christopher Chippindale Handbook of Archaeological Theories Lanham 2008 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