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Bei der palaolithischen Befundfalschung jap 旧石器捏造事件 Kyu Sekki Netsuzō Jiken wortlich Skandal um die Luge uber palaolithische Steinwerkzeuge handelt es sich um die Falschung jung und mittelpalaolithischer Artefakte auf japanischen Ausgrabungsstatten durch den Amateurarchaologen Fujimura Shin ichi Die Befundfalschungen wurden durch einen Artikel in der Mainichi Shimbun am 5 November 2000 bekannt Die Entdeckung fuhrte zu einem Skandal der die Reputation der japanischen Forschung zur Altsteinzeit bis heute uberschattet und der zudem eine Vielzahl von Fundstucken fur die Forschung entwertete Bis heute wird auch aus diesem Grund die Datierung des japanischen Jungpalaolithikums kontrovers diskutiert Inhaltsverzeichnis 1 Kontext 2 Befundfalschungen 3 Entdeckung 4 Folgen 5 Literatur 6 Weblinks 7 Anmerkungen 8 EinzelnachweiseKontext BearbeitenDie Erforschung des Palaolithikums beruhrt in Japan in besonderem Masse auch die Frage nach der Herkunft der Japaner Anm 1 Bis in die Neuzeit hinein hatte vornehmlich die Geschichtswissenschaft das Bild einer autochthonen eigenstandigen Entwicklung des japanischen Volkes nahegelegt Die Kokugaku nationale Schule hatte im ausgehenden 18 Jahrhundert die altesten japanischen Schriften wiederentdeckt und einer ethnozentrisch philologischen Analyse unterzogen Damit war auch eine ungebrochene Ahnenreihe des Tennō bis hin zu mythischen Gottern und eine Jahrtausende andauernde und ununterbrochene geschichtliche Kontinuitat postuliert worden Kaum ein Jahrhundert spater offnete sich Japan der Welt und wurde auf nahezu allen Gebieten der Technik Wissenschaft und Gesellschaft von westlichen Neuerungen uberrollt Die Identitat drohte verloren zu gehen Reflexartig konnte man sagen traten eine Vielzahl von Stromungen und Gegenbewegungen auf deren Bestreben die Starkung des Nationalbewusstseins war Die Arbeit der Kokugaku fuhrte zur ideologischen Festschreibung im Staats Shintō Noch 1940 feierte Japan mit grossem Aufwand sein 2600 jahriges Bestehen Ein fataler Kriegspakt mit Deutschland mundete letztlich im Abwurf zweier amerikanischer Atombomben auf japanische Stadte und in der Niederlage im Zweiten Weltkrieg Mit dem Ende des Krieges ging auch die Absage des Tennō an seinen Status als kami einher Die Frage nach der Identitat bedurfte einer neuen Antwort Die Japandiskurse der Nachkriegszeit zeigen das Ringen um eine Antwort In dieser Situation gewann die Archaologie neben der Geschichtswissenschaft an Bedeutung Die archaologische Forschung hatte in Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen bedeutenden Aufschwung erlebt Die wirtschaftliche Entwicklung hatte zu einem ungeheuren Bauboom gefuhrt Die Erde wurde allenorten fur neue Gebaudefundamente aufgewuhlt An vielen Platzen stiess man dabei auf Uberreste vergangener Zeiten die ergraben und gesichert sein wollten Die Anzahl der Fundplatze stieg so rapide dass man bald in personelle Bedrangnis geriet und eine Strategie des one step ahead of the bulldozer betrieb Man sicherte was zu sichern war und begann in grossem Massstab Hilfskrafte fur die systematische Grabung und Erschliessung von Fundplatzen einzusetzen Befundfalschungen BearbeitenDie Chance fur Shin ichi Fujimura einen interessierten Laien dessen Interesse an der Archaologie bis in die 1970er Jahre zuruckging war gekommen Seines Interesses wegen begann er als Hilfskraft intensiv an archaologischen Ausgrabungen teilzunehmen und mitzuwirken Auf diese Weise kam er uber Jahre hinweg mit ernst zu nehmenden Forschern und Forschungsinstituten besonders in der Prafektur Miyagi in Kontakt Fujimura gelang es in kurzer Zeit eine Vielzahl vermeintlich palaolithischer Steinwerkzeuge an den Ausgrabungsstatten zu entdecken Das Interesse der Medien an Funden die Aufschluss uber die Frage woher die Japaner kommen geben konnte war gross Seine Entdeckungen fanden daher unmittelbar Eingang in die Massenmedien Diese Aufmerksamkeit in der offentlichen Wahrnehmung ist sicherlich auch ein Grund weshalb anfangliche Zweifel an den Funden aus Fachkreisen bald verstummten Seine Reputation als fuhrender Amateur Archaologe erreichte in den 1980er Jahren ihren Hohepunkt als er den Beinamen Hand Gottes kami no te erhielt Abgesehen von der Offentlichkeitswirkung die Fujimuras spektakularen Funde zeitigten folgte haufig auch eine finanzielle Unterstutzung der Grabungen durch offizielle Stellen So wurde etwa Zazaragi 座散乱木遺跡 iseki vom Amt fur kulturelle Angelegenheiten zur landesweiten historischen Statte deklariert womit eine finanzielle Forderung verbunden war Ausstellungen wurden organisiert und die Funde fur Touristen zuganglich gemacht Eine detaillierte wissenschaftliche Prufung und Nachbereitung blieb hingegen weitgehend aus Nur wenige Wissenschaftler wie etwa Michio Okamura wiesen in Aufsatzen auf Unstimmigkeiten in der Befundsituation hin Die Datierung der Funde erfolgte zu dieser Zeit vornehmlich anhand stratigraphischer Kriterien Als Leithorizonte dienten hierzu die Ablagerungen von Vulkanasche Die wichtigste dieser Ascheschichten ist die Aira Tanazawa AT Schicht die sich ca 26 000 bis 29 000 Jahre vor heute nach einem Ausbruch der Aira Caldera abgelagert hat Wie sich spater herausstellte hatte Fujimura nicht etwa die Artefakte selbst gefalscht vielmehr handelte es sich in der Tat um archaologische Fundstucke jedoch meist deutlich jungere der Jōmon Zeit zuzuordnende Steingerate Dadurch dass Fujimura diese Funde in tiefere Erdschichten als die in denen er sie tatsachlich gefunden hatte einlegte verfalschte er die Auffindsituation und letztlich die Datierung Aus diesem Grund spricht man auch von Befundfalschung Entdeckung BearbeitenAm 5 November 2000 entlarvte die Tageszeitung Mainichi Shimbun in ihrer Morgenausgabe Fujimuras Falschungen Zu diesem Zeitpunkt war Fujimura stellvertretender Vorsitzender der Tōhoku Forschungsstelle fur palaolithische Steingeratekulturen 東北旧石器研究所 Tōhoku Kyusekki Bunka Kenkyujo einer NGO Forschungsstelle Um Geruchten uber Falschungen auf den Grund zu gehen hatten Reporter der Zeitung auf den Grabungsstatten Kamitakamori Prafektur Miyagi und Sōshin Fudōzaka auf Hokkaidō versteckte Kameras installiert die Fujimura beim Vergraben und Wieder auffinden der Fundstucke aufnahmen Mit dem Artikel und den Aufnahmen konfrontiert gestand Fujimura in einer der Veroffentlichung folgenden Pressekonferenz die Befundfalschungen ein Seine anfangliche Behauptung nur an diesen beiden Orten Falschungen vorgenommen zu haben stellte sich bald als falsch heraus Folgen BearbeitenDie Entdeckung der Falschungen schockierte die japanische Offentlichkeit Auch auslandische Medien nahmen regen Anteil an dem skandalosen Vorfall Fujimura wurde von seinen Pflichten als Vorsitzender der Forschungsstelle entbunden Ein Sonderuntersuchungsausschuss wurde gebildet der nahezu alle Funde Fujimuras als Falschungen identifizierte 1 Fujimura hatte in uber 60 Fallen Artefakte vergraben um sie entweder sogleich oder zu einem spateren Zeitpunkt wiederaufzufinden Er wurde aus der Japanischen Archaologischen Gesellschaft ausgeschlossen Die Befundfalschungen konnten nie strafrechtlich verfolgt werden Viele der Fundstatten die nach Fujimuras Entdeckungen zu nationalen historischen Statten deklariert worden waren verloren infolge der Befundfalschungen ihren Status wieder und die damit verbundene Forderung Alle betroffenen Grabungsstatten inklusive der Funde wurden als bedeutungslos eingestuft Damit ist die Erforschung des japanischen Palaolithikums de facto wieder auf den Anfang zuruckgeworfen worden In einer nachtraglichen Betrachtung macht Takashi Inada vier Grunde dafur aus dass die Befundfalschungen uber lange Zeit unentdeckt blieben Nachlassigkeit bei der fotografischen Erfassung und schriftlichen Dokumentation Vergleiche der Befundsituationen wurden nicht angestellt Kratzer und Linien von Limonit an den Steingeraten wurden ubersehen Diese Schaden die durch landwirtschaftliche Nutzmaschinen hervorgerufen worden waren hatten die Befundsituation in Frage gestellt Unzureichende typologische Erforschung der Steingerate Die Ahnlichkeiten der gefundenen Steinwerkzeuge zu jōmonzeitlichen Funden war bisweilen zwar erkannt doch verschwiegen worden Grabungsergebnisse wurden sofort als vollendete Tatsachen von der Gesellschaft ubernommen Meinungen von Grabungsteams wurden von Massenmedien aufgegriffen ohne ausreichende fachliche Diskussion Die Fundstucke wurden schnell ausgestellt was auch zu einer raschen Deklaration der Fundplatze fuhrte Es mangelte an interdisziplinarer Zusammenarbeit zur vollstandigen Interpretation der Funde Literatur BearbeitenTakashi Inada Allgemeine Einfuhrung Das Palaolithikum In Alfried Wieczorek Werner Steinaus Forschungsinstitut fur Kulturguter Nara Hrsg Zeit der Morgenrote Japans Archaologie und Geschichte bis zu den ersten Kaisern Publikationen der Reiss Engelhorn Museen Band 10 2 Handbuch Peschke Druck Munchen 2004 ISBN 3 927774 17 0 japanisch Weblinks Bearbeiten宮代栄一 Miyashiro Eiichi 米原範彦 Yonehara Norihiko 慎重に真偽検証 旧石器発掘捏造事件から10年 影響は Hrsg Asahi Shimbun Nr 1 3 11 April 2010 japanisch asahi com 全中期旧石器問題調査研究特別委員会 Bericht des Sonderuntersuchungsausschusses japanisch Anmerkungen Bearbeiten Diese grobe Kurzdarstellung soll nicht daruber hinwegtauschen dass es sich hier um eine langwierige und sehr komplexe Entwicklung handelt Einzelnachweise Bearbeiten 前 中期旧石器問題調査研究特別委員会報告 Japanese Archaeological Association 22 Mai 2004 abgerufen am 21 April 2013 japanisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Palaolithische Befundfalschung in Japan amp oldid 226973315