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Orientierungszellen sind spezialisierte Neuronen im Gehirn die die Basis fur raumliche Orientierung bilden Sie sind in beiden Hemispharen im erweiterten Hippocampus lokalisiert 1 Das Orientierungsvermogen ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Ortszellen place cells Kopfrichtungszellen head direction cells Gitterzellen grid cells und Grenzzellen boundary cells Orientierungszellen wurden vor allem am Modellorganismus Ratte erforscht daneben sind Forschungen an Mausen bedeutsam Andere Wirbeltiere einschliesslich des Menschen sind schlechter erforscht bisherige Ergebnisse deuten aber an dass die entsprechenden Einheiten bei ihm vermutlich ahnlich organisiert sein werden Fur ihre Forschungen an Orientierungszellen erhielten John O Keefe May Britt Moser und Edvard Moser im Jahr 2014 gemeinsam den Nobelpreis fur Physiologie oder Medizin Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 2 Anatomie 3 Zelltypen 3 1 Ortszellen 3 2 Kopfrichtungszellen 3 3 Gitterzellen 3 4 Grenzzellen 3 5 Andere Zelltypen 4 Einzelnachweise 5 WeblinksGrundlagen BearbeitenAls Basis fur die raumliche Orientierung existieren im Gehirn zwei verschiedene Systeme Das erste bestimmt Orts und Lagebeziehungen relativ zum eigenen Korper oder bestimmten Korperteilen Das zweite dient als Korrelat fur den Ort oder die Richtung bezogen direkt auf den ausseren Raum 2 Dieser Bezug auf einen ausseren Orientierungsrahmen wird allozentrisch genannt Er ermoglicht dem Individuum eine kognitive Karte seiner Umgebung anzulegen wodurch Orte Routen und die mit ihnen verbundenen Eigenschaften und ggf Gefahren effektiv auf Dauer erinnert werden konnen Anatomie BearbeitenDas allozentrische Orientierungssystem ist innerhalb des Gehirns im erweiterten Hippocampus lokalisiert Dazu zahlen vor allem die drei Felder des Gyrus dentatus weiterhin das sog Ammonshorn Cornu ammonis und das Subiculum mit Pra und Parasubiculum innerhalb des Hippocampus und angrenzende Teile des entorhinalen Cortex Innerhalb dieser Strukturen ist es an spezialisierte Nervenzellen Neuronen gebunden In der internen Verarbeitung existieren dann schleifenartige Schaltkreise zwischen verschiedenen Pyramidenzellen im Inneren der Struktur Diese ermoglichen es auch bei unvollstandigem Input etwa von den Sinneszellen her eine gesamte zugehorige Struktur zu aktivieren 2 Die Orientierungsleistung ist vor allem an bestimmte Typen von Neuronen gebunden diese wurden durch Ableitung von Potenzialen von einzelnen Nervenzellen durch Messelektroden mit einer haarfeinen Glaskapillare als Spitze erforscht Zelltypen BearbeitenOrtszellen Bearbeiten nbsp In verschiedenen Farben kodiert sind Bereiche innerhalb eines Labyrinths an denen jeweils eine bestimmte diesem Ort zugeordnete Ortszelle im Feld CA1 des Ammonshorns einer Laborratte feuert Die einzelnen farbigen Felder bilden zusammen eine mentale Karte des LabyrinthsDie Ortszellen als grundlegende Basis der kognitiven Karten wurden zuerst bereits Anfang der 1970er Jahre entdeckt Sie befinden sich im eigentlichen Hippocampus und im Gyrus dentatus Ortszellen feuern normalerweise mit einer konstanten niedrigen Rate Bewegt sich das Versuchstier in einen bestimmten raumlichen Bereich hinein zum Beispiel einen bestimmten Abschnitt eines dem Tier bereits bekannten Versuchs Labyrinths steigt die Frequenz deutlich an Dabei ist jeder dem Versuchstier bekannte raumliche Bereich mit einer spezifischen Ortszelle verknupft Wandert das Versuchstier durch das Labyrinth werden so nacheinander die zugehorigen Ortszellen erregt in ihrem Zusammenspiel bilden sie eine mentale Landkarte Ortszellen sind untereinander nicht homogen und erhalten ihre Ortsinformation auf zum Teil vollig unterschiedlichen Wegen neben Landmarken spielen erinnerte Pfade und Grenzen eine Rolle wobei die Zuordnung beim Entfernen einzelner Landmarken oft bemerkenswert stabil bleibt Ortszellen sind aktiv unabhangig von bestimmten Kontexten und Tatigkeiten im offenen Raum spielt auch die Bewegungsrichtung oder Kopf bzw Korperhaltung keine Rolle Sie reagieren aber manchmal sensibel auf Anderung von Sinnesreizen wie Geruch oder Farbe Ortszellen werden beim Besuchen neuer Orte ausserst schnell auf diese gepragt sie ermoglichen ein stabiles Erinnern beim nachsten Besuch desselben Ortes Durch Lernen kann ihre Information spater langsamer verandert und angepasst werden 1 2 3 Kopfrichtungszellen Bearbeiten Die erst Anfang der 1990er Jahre entdeckten Kopfrichtungszellen feuern unabhangig vom jeweiligen Ort Jede Kopfrichtungszelle reagiert spezifisch auf eine bestimmte Orientierung des Kopfes so dass sich mit allen zusammen um diesen herum ein Richtungsfeld wie eine Kompassrose ausmachen lasst Der Input der Kopfrichtungszellen scheint fur das Erlernen der Ortsinformationen der Ortszellen ganz wesentlich zu sein Kopfrichtungszellen wurden nicht nur im erweiterten Hippocampus sondern teilweise auch in anderen Strukturen der Hirnrinde nachgewiesen 2 Gitterzellen Bearbeiten nbsp Gitterzellen zerlegen die Umgebung in ein regelmassiges Dreiecksgitter aus Feldern die jeweils einer Zelle zugeordnet sindAls weiterer Typ von Ortszellen wurden 2005 die Gitterzellen entdeckt Sie befinden sich uberwiegend im medianen entorhinalen Cortex also ausserhalb des Hippocampus im engeren Sinne Gitterzellen verarbeiten Ortsinformationen indem sie bestimmte Orte in einem gitterformigen Raster aus dreieckigen Feldern abbilden das kachelartig die Umgebung abdeckt Dieses Raster wird an einem bestimmten Platz zum Beispiel durch eine Landmarke verankert 4 Anders als Ortszellen hat jede Gitterzelle also ein zugehoriges Feld das eine bestimmten Stelle in einem Raum um einen Ort herum kennzeichnet sie feuert also orientierungsabhangig an zahlreichen verschiedenen raumlichen Orten Das Feld ist zudem abhangig vom Massstab der die Grosse des einzelnen Kacheln steuert von der Orientierung d h der Richtung des Gitters Verschiedenmassstabliche Gitter fur grosse und kleine Raumausschnitte und solche mit verschiedener Orientierung konnen dabei uberlappen Der Input der Gitterfelder scheint fur die Ausbildung von spezifischen Ortszellen nicht unbedingt notwendig zu sein da deren Funktion auch bei Ausfall von diesen erhalten bleibt Moglicherweise bilden sie eher einen mobilen Orientierungsrahmen fur die Planung von Wegen und Bewegungen 3 Grenzzellen Bearbeiten Die Art in der Ortszellen Lageinformationen aufnehmen und verarbeiten fuhrte zu der Hypothese dass es besondere Zellen geben muss die die Lage eines Orts in Bezug auf Grenzen also fur Bewegungen unuberwindliche Barrieren reprasentieren Solche Grenzen sind etwa im Labyrinth sowohl dessen Wande wie auch die Kanten von Absturzen nach unten Solche Zellen Grenzzellen genannt wurden sehr bald nach den Gitterzellen dann auch im Subiculum des erweiterten Hippocampus entdeckt Soweit bekannt feuern Grenzzellen vor allem im direkten Nahfeld solcher Grenzen bilden also nicht eine erweiterte Raumeinheit mit diesen als Bezug ab Inzwischen wurden auch inverse Grenzzellen entdeckt die an allen Orten feuern die nicht nahe zu einer solchen Grenze liegen 2 5 Andere Zelltypen Bearbeiten Die Orientierungsleistung eines Organismus beruht auf der Integration der Informationen die die jeweiligen Orientierungszellen bereitstellen Fur das Erinnern von Raumen kommt dabei den Ortszellen eine Schlusselfunktion zu 6 Die tatsachlich im Hippocampus vorhandenen Zellen sind allerdings nicht alle lehrbuchartig einem der Typen zuzuordnen zahlreiche Zellen zeigen gemischte Eigenschaften zum Beispiel Ortszellen die ausserdem auch fur Richtungsinformationen empfindlich sind Andere Zellen sind sensitiv fur zeitliche Informationen etwa Stellen im Labyrinth die nur mit Verzogerung passiert werden konnen Einzelnachweise Bearbeiten a b James J Knierim 2015 The Hippocampus Current Biology 25 23 R1116 R1121 doi 10 1016 j cub 2015 10 049 a b c d e Tom Hartley Colin Lever Neil Burgess John O Keefe 2014 Space in the brain how the hippocampal formation supports spatial cognition Philosophical Transactions of the Royal Society B 369 20120510 doi 10 1098 rstb 2012 0510 a b Daniel Bush Caswell Barry Neil Burgess 2014 What do grid cells contribute to place cell firing Trends in Neuroscience 37 3 136 145 doi 10 1016 j tins 2013 12 003 Torkel Hafting Marianne Fyhn Sturla Molden May Britt Moser Edvard I Moser 2005 Microstructure of a spatial map in the entorhinal cortex Nature 436 801 806 doi 10 1038 nature03721 Sarah Stewart Ali Jeewajee Thomas J Wills Neil Burgess Colin Lever 2014 Boundary coding in the rat subiculum Philosophical Transactions of the Royal Society B 369 20120514 doi 10 1098 rstb 2012 0514 Mark P Brandon Julie Koenig Stefan Leutgeb 2013 Parallel and convergent processing in grid cell head direction cell boundary cell and place cell networks WIREs Cognitive Science 5 2 207 219 doi 10 1002 wcs 1272Weblinks BearbeitenOrientierungszellen im menschlichen Gehirn www spektrum de 20 Januar 2010 Gesucht und gefunden Orientierungszellen von Christian Wolf www dasgehirn info 31 Oktober 2014 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Orientierungszelle amp oldid 202500463 Ortszellen