Der Begriff Nillandschaft bezeichnet ein Genre der römischen Kunst. Gegenstand sind Darstellungen des Nils zur Zeit der Flut mit der dafür typischen Flora und Fauna, den Bewohnern der Nilufer und ihren Tätigkeiten. Bekanntestes Beispiel ist das im antiken Praeneste (dem heutigen Palestrina) gefundene sogenannte Nilmosaik von Palestrina.
Forschungsgeschichte Bearbeiten
Wie Versluys in seiner Monographie beschreibt, führte die Fokussierung des wissenschaftlichen Interesses auf die Göttin Isis und ihren Kult dazu, dass tendenziell alle Darstellungen mit erkennbaren ägyptischen Bezügen, wie sie z. B. im 18. Jahrhundert zahlreich in den pompejanischen Fresken gefunden wurden, in den Kontext des Isiskultes gestellt wurden. Das heißt, dass überall, wo Darstellungen mit niltypischen Elementen (z. B. Lotosblüten) gefunden wurden, man zu der Annahme neigte, es mit einem Isisheiligtum oder zumindest dem Wohnort eines Isisverehrers zu tun zu haben.
Erst mit den 1970er Jahren begann man diese Annahme zu hinterfragen. Mit der ausführlichen Untersuchung von Paul G. P. Meyboom zum Nilmosaik von Palestrina (1995) ging man dazu über, die Nillandschaften auch in einer dekorativen, von direkten kultischen Bezügen abgelösten Funktion zu sehen. So bei Rauch, die auch von einer „Ägyptenmode“ spricht: Der Themenkreis der Nillandschaften gibt ein durch seine Exotik idealisiertes Land wieder.
Themen Bearbeiten
Nilmosaike Bearbeiten
Die folgende Liste stellt einen Auszug des in der Monographie von Versluys enthaltenen, 130 Nummern umfassenden Katalogs dar. Viele Werke sind nur in Fragmenten erhalten. Bei den durchaus zahlreichen Fresken mit Nilthemen sind heute häufig durch Verwitterung und Verblassen der Farben Details kaum mehr auszumachen, die nur noch in erhaltenen Aquarellen und Zeichnungen (vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert) überliefert sind. In die Auswahl wurden daher Werke aufgenommen, die relativ gut erhalten sind und bei denen das Nilthema zentral ist. Technikbedingt sind das Mosaike.
Fundort | heute | Entstehung | Bemerkung |
---|---|---|---|
Sepphoris (Diokaisarea) | Israel,in situ | 500–600 | Spätes Mosaik. Viergeteiltes Mosaik mit Personifikationen Ägyptens und des Nils in den beiden oberen Feldern, im unteren Bereich die Stadt Alexandria sowie zahlreiche Tiere. Der Boden konnte geflutet werden. |
Cannara) (Urbinum Hortense) | Italien, Collemancio (Ortsteil vonMuseo Nazionale Romano, Rom, 124698 | 100–200 | Großflächiges Mosaik (62 m2). Ein zentrales Emblem mit fischenden Pygmäen (in dessen Mitte sich ein Wasserabfluss befindet) ist umgeben von einer Nillandschaft, in der Pygmäen jagen und mit Flusspferden und Krokodilen kämpfen. |
Palestrina, Heiligtum der Fortuna | Italien,Museo Nazionale Praenestino, Palestrina | 110–120 v. Chr. | Bedeutendste erhaltene Nillandschaft, siehe Nilmosaik von Palestrina |
Pompeji, Haus des Fauns, Sommer-Triklinium | Italien,Archäologisches Nationalmuseum Neapel, Neapel, 10323 | 90–80 v. Chr. | Nilfauna (Enten, Flusspferd, Kobra) |
Rom, Region XII, Vigna Maccarani, gegenüber S. Saba | Italien,Museo Nazionale Romano, Rom, 171, früher Museo Kircheriano | 200–300 | Nillandschaft mit Nilpferd, Krokodil und Pygmäen |
Tivoli, Villa di Cassio (?) | Italien,National Museum of Wales, Cardiff, 32.93 | 150–200 | Ein Segelboot ist auf einen Felsen aufgelaufen. Die Insassen versuchen, das Schiff wieder klarzumachen und gleichzeitig ein Flusspferd und ein Krokodil abzuwehren. |
Leptis Magna, Villa del Nilo | Libyen,Archäologisches Museum, Tripolis | 250–300 | Allegorie des Nilgottes, auf einem Flusspferd reitend |
Literatur Bearbeiten
- M. J. Versluys: Aegyptiaca Romana. Nilotic scenes and the Roman views of Egypt. Religions in the Graeco-Roman world Bd. 144. Brill, Leiden u. a. 2002, ISBN 90-04-12440-3
- Paul G. P. Meyboom: The Nile mosaic of Palestrina. Early evidence of Egyptian religion in Italy. Religions in the Graeco-Roman world Bd. 121. Brill, Leiden u. a. 1995, ISBN 90-04-10137-3. [1]
- Bernard Andreae: Nillandschaften. In: ders.: Antike Bildmosaiken. Mainz 2003, S. 78–109 (mit Bibliographie der älteren Literatur)
- Marion Rauch: Bacchische Themen und Nilbilder auf Campanareliefs. Leidorf, Rahden/Westfalen 1999, ISBN 3-89646-324-1.
- Alexandra Cappel: Untersuchungen zu Pygmäendarstellungen in der römischen Dekorationskunst. Dissertation Würzburg 1992.
- Helen Whitehouse: A catalogue of Nilotic landscapes in Roman art. Dissertation, Oxford 1980
- Jean Leclant: Un aspect de des influences Alexandrines en Gaule: les scènes nilotiques exhumées en France. In: Alessandria e il mondo ellenistico-romano Bd. 3, Rom 1984, S. 440–444
Einzelnachweise Bearbeiten
- Versluys Aegyptiaca Romana S. 17ff.
- Beispielsweise bei Michel Malaise: Inventaire préliminaire des documents égyptiens découverts en Italie. Brill, Leiden u. a. 1972.
- Rauch: Bacchische Themen und Nilbilder auf Campanareliefs 1999. S. 252 (zitiert bei Versluys S. 34).
- Versluys Aegyptiaca Romana S. 263.
- Cappel: Untersuchungen zu Pygmäendarstellungen in der römischen Dekorationskunst 1992
- Versluys Aegyptiaca Romana S. 266 mit Verweis auf A. Hermann: Das Motiv der Ente mit zurückgewandtem Kopfe im ägyptischen Kunstgewerbe. In: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 68 (1932) S. 86–105.
- Versluys: Aegyptiaca Romana S. 39–236.