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Die NS Zwangsarbeit in Munster und Umgebung ist ein lange verdrangtes Kapitel der Geschichte der Stadt Munster in der Zeit des Nationalsozialismus Die konkreten lokalen Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter in der Zeit des Nationalsozialismus und das Unrecht das ihnen widerfuhr werden erst heute zunehmend wissenschaftlich erforscht Dabei wird vielfach auf Stadtarchive und noch lebende Zeitzeugen zuruckgegriffen Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft Verschleppung und Zahl der Zwangsarbeiter 2 Arbeiten 3 Unterbringung und Versorgung 4 Regeln 5 Kontrollen und Strafen 6 Hinrichtungen 7 Situation der sowjetischen Zwangsarbeiter nach dem Krieg 8 Strafverfolgung der Tater nach 1945 9 Siehe auch 10 Literatur 11 Medien 12 WeblinksHerkunft Verschleppung und Zahl der Zwangsarbeiter BearbeitenZwangsarbeiter im Raum Munster stammten aus allen von den Deutschen besetzten Landern Polen Frankreich den Beneluxstaaten Skandinavien vor allem aber nach 1941 aus Russland und anderen von der Wehrmacht besetzten Gebieten im Osten Sie wurden zu Tausenden teilweise als Kriegsgefangene ins Deutsche Reich transportiert teils als billige Arbeitskrafte angeworben und dann interniert teils als Kriegsopfer verschleppt Unter ihnen waren oft Minderjahrige darunter viele Madchen und junge Frauen Allein in Greven arbeiteten wahrend der NS Zeit 1 700 Zwangsarbeiter Arbeiten BearbeitenSie wurden in Landwirtschaft und Industrie im Handwerk Handel und Gewerbe bei der Stadtverwaltung auf Baustellen oder bei der Reichsbahn eingesetzt Die Stadt Munster zog sie zu kommunalen Arbeiten heran oder gab sie an private Haushalte und Unternehmen ab Meist mussten sie die kriegsbedingten Ausfalle in der Industrie ersetzen Typische Arbeiten waren Stallarbeiten z B Ausmisten Futtern Feldarbeiten z B Hacken Heu und Stroh laden Strassenreinigung Winterdienste z B Eis hacken Getreide dreschen Bau von Luftschutzbunkern und kellern Trummer wegraumen Leichen bergen an Drehbanken arbeiten Brande loschen Mull entsorgenDas Stadtarchiv Munster erwahnt chronologisch auch folgende Firmen und Einsatzorte in denen Zwangsarbeiter eingesetzt wurden Parkettbodenfabrik Theissing Holzhandlung Willbrand Rustungsbetrieb Winkhaus Bauarbeiten am Rathaus Eisenbahn in Hiltrup Firma Rincklake Zimmerei Geringhoff Flugzeugfabrik Ludwig Hansen mit mindestens 800 Zwangsarbeitern fur die unterirdische Flugzeugproduktion in einem RB Tunnel bei Wuppertal Stadtwerke Munster Strassenraumung Mullabfuhr Auslagerung der Stadtverwaltung stadtischer Fuhrpark Kolonialwarengrosshandlung in der Aegidiistrasse bei der Hengstkorung am Albersloher Weg Post Reichsbahn Auslagerung von Akten und Mobeln aus dem Stadtarchiv Bauhandwerk Reparaturarbeiten am Stadtweinhaus Strassenpflasterung Maschinenfabrik Gebr Hagedorn amp Co u a Ab Sommer 1944 wurden 4 078 auslandische zivile Zwangsarbeiter im Bereich des Arbeitsamtes Munster eingesetzt davon 2 869 Frauen und 1 209 Manner 3 397 Zwangsarbeiter arbeiteten in der munsterischen Industrie davon 2 993 in Ziegeleien und im Baugewerbe und 202 in der Eisen und Stahlindustrie Die Arbeitsbedingungen waren besonders fur die so genannten Ostarbeiter sehr hart Man wurde nicht angelernt und musste in der Regel um die 10 Stunden taglich korperliche Schwerstarbeit leisten auch nachts und an den Wochenenden Die Arbeitszeiten wurden ab September 1944 fur alle auch Frauen und Kinder nochmals erhoht Die geringe Entlohnung fiel nicht ins Gewicht da die Unterkunfte zum Teil davon bezahlt werden mussten Bei gleichzeitiger mangelhafter Versorgung waren Arbeitsunfalle und Todesfalle daher vorbestimmt und an der Tagesordnung Unterbringung und Versorgung BearbeitenZwangsarbeiter wurden nur selten in Privatquartieren sondern meist in dazu eingerichteten Lagern untergebracht Diese waren meist mit Stacheldraht umzaunt und wurden streng bewacht Als Notunterkunfte dienten auch Kasernen Gaststattensale Schulen Firmen Baracken und Gefangnisse Diese Massenquartiere waren oft uberbelegt und menschenunwurdig In Munster und Umgebung wurden bisher mehr als 180 Unterbringungsstatten ermittelt Details uber die Belegungsstarke einer Unterkunft ihre Ausstattung und die Zuordnung der Insassen sind in einer Datenbank der Stadt Munster zuganglich Lager in Handorf Januar 1940 Gemeinschaftslager Kaldenhofer Weg 92 von 1939 bis 1945 Fliegerhorst Loddenheide Januar 1940 Fliegerhorst Hornheide Januar 1940 DAF Lager Angelmodde Januar 1940 DAF Lager Mecklenbeck Januar 1940 DAF Lager Waldfrieden Hiltrup Januar 1940 Lager fur franzosische Kriegsgefangene in Kinderhaus ab September 1940 ab Januar 1942 Verlegung an die Schleuse des Dortmund Ems Kanals kurz darauf erneuter Umzug in das Lager des Hochbauamtes Turnerbad Oflag VI D am Hohen Heckenweg Offiziersgefangenenlager fur Franzosen Lager fur sowjetische Kriegsgefangene an der Halle Munsterland Januar 1942 Lager in Angelmodde fur sowjetische Kriegsgefangene Januar 1942 Lager an der Schleuse des Dortmund Ems Kanals fur sowjetische Kriegsgefangene Januar 1942 Lager in Handorf Dorbaum fur sowjetische Kriegsgefangene Januar 1943 Zentrales Entbindungs und Abtreibungslager fur Ostarbeiterinnen und Polinnen in Waltrop Der Zwinger ein mittelalterlicher Gefangenenturm wird zum Gefangnis fur ca 200 auslandische Haftlinge Er dient dem Verhor der Hinrichtung und als Ausgangspunkt fur die Deportation in Konzentrationslager ab Oktober 1943 Das Stammlager VI F Bocholt wird wegen der heranruckenden Alliierten mit ca 5 000 sowjetischen Kriegsgefangenen nach Munster Hoher Heckenweg verlegt September bis November 1944 Regeln BearbeitenDie Rassenideologie der Nationalsozialisten verbot Kontakte zwischen Deutschen und Auslandern Besonders Ostarbeiter galten als slawische Untermenschen Um sie zu isolieren und abzuschirmen wurde ein dichtes Netz aus diskriminierenden Kontrollen und Strafen geschaffen In den Stadten des Munsterlands warnten Plakate vor den Fremdvolkischen Nur Gestapo und Polizeiangehorige durften die Lager betreten Den Deutschen wurde jeder Umgang mit Polen und Russen verboten Geschlechtsverkehr wurde besonders schwer geahndet Die Polen mussten ab 8 Marz 1940 ein deutlich sichtbares P Kennzeichen auf der Kleidung tragen die sowjetischen Gefangenen ab 1942 ein OST Abzeichen Sowjetische Kriegsgefangene trugen auf der Ruckseite ihrer Uniformjacke die aufgenahten Buchstaben SU Ihre Bewegungsfreiheit wurde stark eingeschrankt Ab 20 bzw 21 Uhr abends herrschte ein strenges Ausgehverbot Sie durften offentliche Verkehrsmittel nur in Ausnahmefallen mit schriftlicher Genehmigung der Ortspolizei benutzen und keine kulturellen geselligen oder kirchlichen Veranstaltungen oder Gaststatten besuchen Auch wahrend der Arbeit sollte der Kontakt auf ein Mindestmass reduziert werden Zuwiderhandlungen waren sofort zu melden Kontrollen und Strafen BearbeitenGestapo und Polizei belegten Verfehlungen oder Flucht mit drastischen Strafen Prugel Verpflegungsentzug Arrest Uberstellung in ein Konzentrationslager oder ab Ende 1940 die zeitweilige Einweisung in Arbeitserziehungslager AEL die Konzentrationslager der regionalen Gestapo Besonders Zwangsarbeiterinnen waren in den Betrieben haufig sexuellen Belastigungen deutscher Arbeiter ausgesetzt Kam es dabei zum Streit wurden stets nur die beteiligten Auslander bestraft Gefangnis und Prugel hinterliessen oft bleibende psychische und korperliche Schaden bei den Opfern In Munster erinnerte sich zum Beispiel die Russin Alexandra Teslenko an die Behandlung eines Serben der sie schutzen wollte und nach drei Monaten Gefangnis gebrochen zuruckkam Am 24 Januar 1945 erliess die Gestapoleitstelle Munster den Befehl mit besonderer Harte gegen Verfehlungen von Zwangsarbeitern vorzugehen Am 24 Marz 1945 erging eine Rundverfugung die eine Isolierung aller Fremdarbeiter verlangte Hinrichtungen BearbeitenHinrichtungen von Zwangsarbeitern konnten schon aufgrund von ungepruften Vorwurfen etwa durch Denunziation durchgefuhrt werden Solche Hinrichtungen fanden offentlich am Zwinger in Munster aber auch nichtoffentlich im Munsterland statt Als Beispiel fur zwei Einzelschicksale seien hier die Hinrichtungen in den Bockholter Bergen bei Greven genannt Dort wurden am 14 August 1942 die polnischen Zwangsarbeiter Franciszek Banas geb 7 Juni 1914 aus Ujsoly und Waclaw Ceglewski geb 13 Februar 1921 aus Ciechocinek wegen des verbotenen Umgangs mit deutschen Frauen durch die Gestapo erhangt Diese so genannte Sonderbehandlung wurde von der Gestapoleitstelle Westfalen mit Sitz in Munster angeordnet Es gab keine Gerichtsverfahren Zur Einschuchterung wurden polnische Zwangsarbeiter an den Leichen vor Ort vorbeigefuhrt Unter den so terrorisierten waren auch Jugendliche Belege fur Hinrichtungen im Polizeigefangnis Munster finden sich ab dem Oktober 1943 Bislang wurde nur folgender Fall untersucht Vom 28 auf den 29 Marz 1945 wurden aus unbekannten Grunden 16 Zwangsarbeiter und eine Zwangsarbeiterin aus dem Russenlager Maikotten von der Gestapo in das Polizeigefangnis gebracht Am 29 Marz 1945 wurden sie von funf Beamten der Gestapo erschossen Ihre Papiere wurden verbrannt und die Leichen in einem Bombentrichter vergraben PolizeigefangnissePolizeigefangnis Syndikatplatz bis Herbst 1943 Gefangnisbaracke Kaserne Hoher Heckenweg nach dem Luftangriff vom 10 Oktober 1943 Verlegung zum Zwinger ab Marz April 1944 bis Februar 1945 Flugel A des Zuchthauses Gartenstrasse ab Februar Marz 1945 Situation der sowjetischen Zwangsarbeiter nach dem Krieg BearbeitenAm 12 August 1945 begann in Munster die Repatriierung aller sowjetischen Zwangsarbeiter Sie erwartete ein neues ungewisses Schicksal denn viele wurden in der Heimat als Kollaborateure verdachtigt haufig erneut inhaftiert und viele wurden hingerichtet Erst 1956 wurde ein Grossteil von ihnen begnadigt aber erst 1992 wurden sie vollstandig rehabilitiert Ab 1993 schloss die Bundesregierung individuelle Schadensanspruche der Zwangsarbeiter aus Ein Wiedergutmachungs und Stiftungsabkommen sollte die Entschadigung zwischenstaatlich regeln 2000 beschloss der Bundestag dazu die Einrichtung der Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft Strafverfolgung der Tater nach 1945 BearbeitenUber die Tater und deren eventuelle Bestrafung nach 1945 gibt es keine Angaben Ab 1967 lief ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Munster gegen ehemalige Gestapobeamte der Leitstelle Munster wegen Mordes an Zwangsarbeitern das aber 1969 eingestellt wurde Siehe auch BearbeitenNS Zwangsarbeit in Bochum und Wattenscheid NS Zwangsarbeit in Kiel NS Zwangsarbeit im Bereich Budingen Arbeitserziehungslager Polen Erlasse Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschen Reich Kriegswirtschaft Fritz Sauckel Generalbevollmachtigter fur den ArbeitseinsatzLiteratur BearbeitenMarcus Weidner Nur Graber als Spuren Das Leben und Sterben von Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern in Munster wahrend der Kriegszeit 1939 1945 Westfalisches Dampfboot Munster 1984 ISBN 3 924550 02 6 Medien BearbeitenJakobi Franz Josef Kenkmann Alfons Hrsg Zwangsarbeit in Munster und Umgebung 1939 bis 1945 Wahrnehmungen Begegnungen Verhaltensweisen Munster 2003 Flemnitz Gaby Reddemann Karl Ausgebeutet fur die Volksgemeinschaft Zwangsarbeit im Munsterland wahrend des Dritten Reiches DVD mit Begleitheft hrsg im Auftrag des Westfalischen Landesmedienzentrums und des Geschichtsorts Villa ten Hompel Munster 2004 Christoph Leclaire Die Hinrichtung von Franciszek Banas und Waclaw Ceglewski in den Bockholter Bergen Verfolgungsgeschichten von ZwangsarbeiterInnen in Greven in Grevener Geschichtsblatter 7 2012 2013 S 39 56 Ermordet in den Bockholter Bergen Westfalische Nachrichten Greven 9 August 2014 Online Version vom 8 August 2014 Das Verbrechen von Bockholt Grevener Zeitung vom 9 August 2014 Online Version vom 14 August 2014 Weblinks BearbeitenZwangsarbeit in Munster Stadtarchiv Munster Dort unter dem Punkt Disziplinierung auch etwas zu den Hinrichtungen Geschichte Greven Stadtarchiv Greven Erinnerungsensemble zur Erinnerung an die hiltruper ZwangsarbeiterInnen im Waldpark in Munster Hiltrup Abgerufen von https de wikipedia org w index php title NS Zwangsarbeit im Munsterland amp oldid 239645187