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Als Mord in Kehrsatz wurde einer der aufsehenerregendsten Falle der Schweizer Strafjustiz Geschichte bekannt Dabei ging es um den Mord an einer 24 jahrigen Frau die hochstwahrscheinlich am 26 oder 27 Juli 1985 getotet und in der Tiefkuhltruhe ihres Hauses in Kehrsatz im Kanton Bern deponiert wurde Ihr Mann der damals 27 jahrige Bruno Z wurde verhaftet und nach einem von vielen Zeugen als einseitig empfundenen Prozess 1987 zu einer lebenslanglichen Zuchthausstrafe verurteilt aber in einem Revisionsverfahren mit sehr grossem medialem Interesse 1993 freigesprochen Der Mord ist bis heute ungeklart Der nachfolgende Justizfall hatte direkte Auswirkungen auf die Schweizer Justiz und die Medien Inhaltsverzeichnis 1 Der Mord 2 Der erste Prozess 2 1 Nach dem Prozess 3 Der zweite Prozess 4 Der verhinderte dritte Prozess 5 Auswirkungen 6 Literatur 7 Romanbearbeitung 8 Filme 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseDer Mord BearbeitenDie 24 jahrige Schneiderin Christine Z lebte mit ihrem 27 jahrigen Mann Bruno nach der Heirat 1983 in einem Einfamilienhaus in Kehrsatz gleich oberhalb dem ihrer Adoptiveltern Es galt als bekannt dass die Schwiegereltern mit dem gelernten Sanitarzeichner Muhe hatten Dieser hatte nebenbei noch eine heimliche Beziehung zu einer Tochter wohlhabender Eltern des Dorfes und wollte sich von seiner Frau scheiden lassen Laut einem allerdings umstrittenen gerichtsmedizinischen Gutachten wurde die Frau in der Nacht von Freitag dem 26 Juli auf Samstag den 27 Juli 1985 erschlagen entkleidet gefesselt und mit einem Kehrichtsack uber dem Kopf in die Tiefkuhltruhe im Keller gelegt Blutspuren fanden sich an der Waschmaschine und im Ehebett Am 1 August dem Schweizer Bundesfeiertag fand die Mutter von Christine Z die Leiche ihrer seit Tagen vermissten Tochter in der Kuhltruhe des Hauses als sich Bruno Z ausser Haus befand Er wurde noch am selben Abend auf einer Grillparty bei den Eltern seiner Geliebten verhaftet wobei er den Mofa Ausweis seiner Frau bei sich trug Der erste Prozess BearbeitenErst im Herbst 1987 also mehr als zwei Jahre nach der Tat wurde Bruno Z vor dem Geschworenengericht Bern Mittelland der Prozess gemacht Er hatte stets mit grosser Vehemenz und Uberzeugungskraft seine Unschuld beteuert Laut seiner Version hatte seine Frau am Morgen des 27 Juli noch gelebt Sie habe am Abend zuvor einen Toast Hawaii gegessen und sei dann gemeinsam mit ihm schlafen gegangen Am Samstagmorgen sei sie mit dem Mofa nach Bern gefahren um Einkaufe fur bevorstehende Segelferien mit ihrem Mann zu tatigen Eine Zeugin glaubte sie dabei gesehen zu haben das Mofa wurde an der Bahnhaltestelle in Wabern gefunden Im Cafe Feller wo sie sich angeblich mit ihrem Mann treffen wollte sei sie aber nie angekommen Allerdings war laut Zeugen auch ihr Mann nie dort gesehen worden Die Zurcher Anwaltin Trix Ebeling behauptete uberdies in einem Jahre spater erschienenen Buch dass die Blaue Zone in der Bruno Z parkiert haben wollte damals gar nicht existierte und er zu dem Zeitpunkt als er angeblich die Parkscheibe gestellt habe sich nachweislich an einer Tankstelle in Kehrsatz befand Die Anklage warf Bruno Z vor seine Frau in der Nacht auf den 27 Juli in ihrem Bett mit einem Hammer oder einem ahnlichen Gegenstand die Tatwaffe wurde nie gefunden erschlagen der Leiche einen Kehrichtsack ubergestulpt und sie gefesselt in der Tiefkuhltruhe des Hauses deponiert zu haben Danach habe er die Blutspuren beseitigt Das deckte sich auch mit den Aussagen der Eltern der Getoteten wonach Bruno Z am 27 Juli bei der Reinigung des Kellers gesehen wurde sowie mit den Blutspuren auf der Matratze des gemeinsamen Ehebettes und an der Waschmaschine Als Tatmotiv sah die Anklage dass Bruno Z mit seiner Geliebten zusammenziehen aber aus finanziellen Grunden keine Scheidung auf sich zukommen lassen wollte Auch war er Begunstigter in einer Lebensversicherung seiner Frau Fur heftige Diskussionen sorgten zwei Gutachten des Gerichtlich medizinischen Instituts Bern In einem ersten war im Magen der Frau nichts gefunden worden Als ein zweites mit der Frage in Auftrag gegeben wurde ob Spuren von einem Toast Hawaii nachgewiesen werden konnten fand man tatsachlich Ruckstande von Birnen Proteinen und Getreide Das Gutachten wurde spater von vielen Seiten kritisiert Vor allem der Weltwoche Journalist Hanspeter Born der sich des Falles angenommen hatte ausserte nach dem Prozess mehrmals offentlich die Meinung das Gutachten sei willentlich gefalscht worden um den Todeszeitpunkt von Christine Z mit Bestimmtheit auf die Nacht des 26 Juli in der praktisch nur Bruno Z als Tater in Frage kam festlegen zu konnen Am 4 Dezember 1987 wurde der 29 jahrige Bruno Z des Mordes an seiner Frau fur schuldig befunden und zu einer lebenslanglichen Zuchthausstrafe verurteilt Er wurde in die Strafanstalt Thorberg uberfuhrt In den Medien hatten Verhandlung und Urteil nur lokale Beachtung erfahren Nach dem Prozess Bearbeiten Vier Geschworene reichten nach dem Prozess eine Beschwerde uber den Prozessverlauf am Berner Kassationshof ein die aber am 22 Juni 1988 abgelehnt wurde Neues Aufsehen erregte der Fall als der Journalist Hanspeter Born 1988 89 in der Weltwoche unter dem Titel Ein klarer Fall eine 16 teilige Artikelserie uber den Mordfall in Kehrsatz veroffentlichte in der er die Schuld des Verurteilten erheblich bezweifelte auf vermeintliche oder tatsachliche Ermittlungsfehler der Polizei hinwies und schwere Vorwurfe an die Berner Justiz erhob Es folgte ein Buch mit dem Titel Mord in Kehrsatz und ein Jahr spater Unfall in Kehrsatz in dem er den Eltern des Opfers vorwarf selbst ihre Tochter getotet falsche Spuren gelegt und die Auffindung der Leiche in der Tiefkuhltruhe inszeniert zu haben Die Verbreitung dieses zweiten Buches wurde nach einer Klage der Eltern der Getoteten verboten und Born sollte spater zugestehen dabei journalistische Grundsatze ausser Acht gelassen zu haben Seine Kritik an der Polizei erhielt er jedoch aufrecht Diese habe praktisch ausschliesslich gegen den Ehemann als scheinbar einzig in Frage kommenden Tater ermittelt und samtliche anderen zumindest theoretisch denkbaren Tat und Tatervarianten von vornherein ausgeschlossen ohne dies auch durch entsprechende Polizeiarbeit abzuklaren Der Fall wurde in vielen Medien nochmals neu aufbereitet und breite Bevolkerungsschichten ergriffen Partei fur den Verurteilten Bruno Z Unter ihnen war auch der damalige Gefangnisdirektor von Thorberg der dem eigentlich durchschnittlich wirkenden aber allgemein als charismatisch beschriebenen Mann viele Privilegien zugestand Ein Verein Fairness im Fall Z setzte sich fur ein neues Verfahren ein Nachdem eine staatsrechtliche Beschwerde gegen das Geschworenenurteil am 19 Juli 1989 vom Bundesgericht noch abgelehnt worden war hiess der Berner Kassationshof am 15 April 1991 aufgrund der von den Anwalten des Verurteilten dargelegten Mangel am gerichtsmedizinischen Gutachten dessen Revisionsgesuch gut und hob das Urteil auf Bruno Z kam nach 2086 Tagen Haft am 17 April 1991 frei Kritiker sahen die Freilassung vor allem durch den immensen Druck der Offentlichkeit zustande gekommen Der zweite Prozess BearbeitenDer Revisionsprozess fand ab 14 April 1993 unter ungeheurem Publikumsinteresse statt Die Medien unter anderem die Boulevardzeitung Blick nahmen mehrheitlich Partei fur den Angeklagten die Bevolkerung schien in der Frage Schuld oder Unschuld gespalten Diesmal wurden 76 Zeugen gehort funf Gutachten herangezogen und unter anderem auch die Vorwurfe die Hanspeter Born in seinem Buch erhoben hatte aufgegriffen Zudem sah sich das Gericht mit einer Reihe von grossteils anonymen Drohungen Zuschriften und Hinweisen konfrontiert in welchen des Ofteren eine Schuld der Eltern der Ermordeten suggeriert wurde die aber bei genauerer Betrachtung jeder Substanz entbehrten In den Zeugenaussagen und Gutachten kam sowohl Be als auch Entlastendes fur den Angeklagten zu Tage manches verblieb nicht zuletzt auch ob der verstrichenen Zeit unklar und nebulos Ahnlich zweideutig verhielt es sich mit vielen Indizien So war beispielsweise umstritten wie der beim Angeklagten sichergestellte Mofaausweis des Opfers oder im Haus der Toten gefundene Reste der zur Fesselung verwendeten Schnure zu bewerten seien welche zwar auf den ersten Blick den Angeklagten zu belasten schienen aber auch die Frage aufwarfen warum er wenn er der Tater war diese belastenden Utensilien nicht ebenso wie die Tatwaffe die Kleidung des Opfers oder den Inhalt der Tiefkuhltruhe hatte verschwinden lassen Obwohl alles in allem keine wirklich neuen Erkenntnisse gewonnen werden konnten wurde Bruno Z am 29 Mai 1993 von den Geschworenen nach 42 stundiger Urteilsberatung freigesprochen Das Gericht stellte fest dass obwohl eine Taterschaft der Eltern ausgeschlossen und die Taterschaft eines Dritten unwahrscheinlich sei begrundete nicht zu unterdruckende Zweifel an der Schuld des Angeklagten bestunden Ihm wurden 412 000 Franken Haftentschadigung zugesprochen In der Urteilsbegrundung wurde festgehalten dass der Angeklagte zwar durch eine Reihe von Indizien mehrfach erheblich belastet werde jedoch nicht in derart eindeutiger Weise wie dies fur einen Schuldspruch notwendig gewesen ware Besonders sei es nicht gelungen die Fragen nach Tatwaffe Tatort Tatzeitpunkt Tathergang und Tatmotiv zweifelsfrei zu beantworten Alle wussten alles aber niemand die Wahrheit stellte der Gerichtsprasident fest Und Der Staat muss die Schuld des Angeklagten beweisen nicht der Angeklagte seine Unschuld In den meisten Medienberichten wurde das Urteil zwar begrusst zum Teil aber als Freispruch 2 Klasse aufgefasst Im Spiegel kritisierte Gisela Friedrichsen das Verhalten der Bruno Z Unterstutzer welche in der Art einer verschworenen Gemeinschaft Druck auf das Verfahren ausgeubt hatten 1 Hanspeter Born in der Weltwoche stiess sich an der Urteilsbegrundung welche die nach wie vor verbliebenen Verdachtsmomente gegen Bruno Z zu sehr betont habe Auch fand er es befremdlich dass das Gericht neu entdeckten und nicht vom Angeklagten stammenden DNA Spuren an Resten der zur Fesselung der Leiche verwendeten Schnure nicht nachgegangen war und diese nicht mit der DNA anderer Tatortberechtigter abgeglichen hatte Der verhinderte dritte Prozess BearbeitenNach dem Revisionsprozess kaufte die Zurcher Anwaltin Trix Ebeling Bruno Z s 84er VW Golf Dabei bemerkte sie dass der Radmutternschlussel ersetzt worden war und nicht der dazugehorigen Originalausstattung entsprach Eine gerichtsmedizinische Untersuchung ergab dass ein modelltypischer Radmutternschlussel als Tatwaffe ausserst wahrscheinlich war Ein Antrag auf ein drittes Verfahren wurde von Staatsanwalt Heinz W Mathys 1996 gestellt wobei er vor allem vom Blick massiv kritisiert wurde Der Berner Kassationshof sah die neue Beweislage aber als unzureichend an und der Antrag wurde abgewiesen Auch der Versuch den Prozess uber ein Nebenverfahren neu aufzurollen scheiterte Darin ging es um die Aussage einer Zeugin im zweiten Verfahren die behauptete ein Sattler aus Kehrsatz habe ihr kurz nach dem Auffinden der Leiche im August 1985 erzahlt Bruno Z habe sich am 27 Juli bei ihm erkundigt wie man Blutflecken aus einer Matratze entfernen konne was aber sowohl vom Sattler als auch von Bruno Z bestritten wurde 1998 wurde der Fall juristisch endgultig ad acta gelegt Auswirkungen BearbeitenDer Mord in Kehrsatz brachte der Schweiz ermittlungstechnische Fortschritte und justizielle Umstrukturierungen Massiv kritisiert wurde der Einsatz von Geschworenengerichten die im Kanton Bern daraufhin abgeschafft wurden Auf der anderen Seite wurden der immense Einfluss der Medien auf die Justiz und die Einmischung in die Ermittlungsarbeit kritisiert Aber auch die Justiz selbst geriet unter Beschuss Der Leiter des Gerichtlich medizinischen Instituts GMI Bern musste zurucktreten Fur die Bestimmung der Tatwaffe wurde ein neues Programm entwickelt um den Radmutternschlussel Jahre nach der Tat virtuell an die Wunde legen zu konnen Bruno Z heiratete nach seiner Freilassung seine ehemalige Geliebte und machte sich beruflich selbstandig Die Eltern von Christine Z sind mittlerweile verstorben ebenso Trix Ebeling 2 Die 2006 vom Schweizer Fernsehen ausgestrahlte Dokumentation Mord in Kehrsatz uber den Fall machte deutlich dass auch mehr als 20 Jahre nach dem Verbrechen die Ansichten uber Bruno Z s Schuld oder Unschuld stark auseinandergingen ein Strafrechtsprofessor nannte das Urteil einen juristischen Grenzfall Literatur BearbeitenHanspeter Born Mord in Kehrsatz Wie aus einer Familientragodie ein Justizskandal wurde Weltwoche ABC Zurich 1989 ISBN 3 85504 119 9 Hanspeter Born Unfall in Kehrsatz Eine Hypothese Weltwoche ABC Zurich 1990 ISBN 3 85504 125 3 Peter Maurer u a Der galoppierende Kehrichtsack Dichtung und Wahrheiten im Fall Z Fischer Munsingen 1993 ISBN 3 85681 303 9 Trix Ebeling Stanek Das Ende der Tage des Zweifels Bollmann Zurich 1993 ISBN 3 9520544 3 7 Romanbearbeitung BearbeitenPeter Beutler Kehrsatz Emons Verlag Koln 2016 ISBN 978 3 95451 967 5 Filme Bearbeiten1991 Tage des Zweifels 1994 Ein klarer Fall 2006 Mord in Kehrsatz In Ungeloste Kriminalfalle SRF 1 2017 Die Leiche in der Tiefkuhltruhe wer totete Christine Z In Die spektakularsten Kriminalfalle Dem Verbrechen auf der Spur Kabel eins Weblinks BearbeitenHanspeter Born Die beruhmteste Kuhltruhe In Die Weltwoche 19 November 2008 Archiv Version Markus Dutschler Chronologie Verdacht Vorwurfe und Freispruch In Der Bund 27 Juli 2015 30 Jahre nach dem Mord in Kehrsatz In Radio SRF 4 News 4 Juli 2015 Audio 30 min Einzelnachweise Bearbeiten Gisela Friedrichsen Eine verschworene Gemeinschaft In Der Spiegel Nr 23 1993 S 86 91 online Zurcher Rechtsanwaltin Trix Ebeling Stanek gestorben In Neue Zurcher Zeitung vom 17 Marz 2005 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mord in Kehrsatz amp oldid 232427967