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Der Begriff Monomanie stammt aus einer psychiatrischen Krankheitslehre des fruhen 19 Jahrhunderts Er bedeutete so viel wie Einzelwahn von altgriechisch monos monos deutsch allein einzig und mania mania Raserei Wut Wahnsinn im Gegensatz zu einem umfassenden vollstandigen Wahnsinn Der Begriff zielte auf eine isolierte partielle Storung psychischer Funktionen ab also auf psychische Erkrankungen die nicht mit einem vollstandigen Irresein einem Delirium einhergehen sondern sich nur in Teilbereichen aussern die ubrigen psychischen Bereiche aber unbeeintrachtigt lassen Er hat heute lediglich psychiatrie historische Bedeutung und ist in der Psychiatrie des 20 und 21 Jahrhunderts nicht mehr gebrauchlich Er findet sich weder in der von der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegebenen Internationalen Klassifikation psychischer Storungen die in ihrer 10 Revision ICD 10 in Deutschland verbindlich ist noch in dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Storungen DSM IV der American Psychiatric Association das eher im wissenschaftlichen Bereich verbreitet ist Allerdings lassen sich noch Relikte der Monomanielehre unter anderem in den Begriffen Kleptomanie und Pyromanie finden Obwohl in der gerichtlichen Psychiatrie zwar grundsatzlich abgelehnt sind sie in den Klassifikationssystem DSM IV und ICD 10 noch als eigenstandige Kategorien vertreten Naheres hierzu s Muller Dies fuhrt haufig insbesondere im Zusammenhang mit gerichtlichen Strafverfahren zu Missverstandnissen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte des Begriffs 2 Konzept der Monomanielehre 2 1 Monomanie und Personlichkeitsmodell 2 2 Arten von Monomanie 3 Die Monomanielehre in der aktuellen Psychiatrie 4 Populare Rezeption des Begriffs 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte des Begriffs BearbeitenDie Monomanielehre umfasste eine eigenstandige Konzeption von psychischer Erkrankung die in der Psychiatrie Ende des 19 Jahrhunderts zunehmend auf Kritik stiess und schliesslich abgelehnt und verworfen wurde Trotz Aufgabe der Monomanielehre haben sich noch zwei ihrer Begriffe gehalten Kleptomanie als Monomanie des Diebstahls und Pyromanie als Monomanie der Brandstiftung Der Begriff selbst wurde vom franzosischen Psychiater Jean Etienne Esquirol 1772 1840 gepragt Esquirol griff auf Konzepte seines Lehrers und Kollegen des Psychiatriereformers Philippe Pinel 1745 1826 zuruck und erganzte dessen Klassifikation der Geisteskrankheiten um die Monomanie Esquirol verstand darunter eine Geisteskrankheit in welcher das Delirium sich auf einen einzelnen oder eine kleine Anzahl von Gegenstanden beschrankt und wozu sich Aufregung und das Vorherrschen einer heitern und ausgelassenen Leidenschaft gesellt 1 Pinel hatte 1801 in seinem Hauptwerk Traite medico philosophique sur l alienation mentale ou la manie von der Manie sans delire gesprochen von einer Wut bzw Raserei die ohne Geistesverwirrung Delirium auftrete Bereits im 17 Jahrhundert sprach der deutsche Arzt Michael Ettmuller von einer mania sine delirio Die Anregungen Pinels zur Manie sans delire griff der Genfer Arzt Andre Matthey auf der 1816 den Begriff der Pathomanie vorstellte und diese definierte als perversion de la volonte et des penchants naturels sans lesion apparente des fonctions intellectuelles Verkehrung des Willens und der naturlichen Neigungen ohne offensichtliche Storung der Verstandesfunktionen In England stellte der Psychiater James Cowles Prichard zur gleichen Zeit ca 1835 das inhaltlich sehr ahnliche Konzept der moral insanity vor Konzept der Monomanielehre BearbeitenJean Etienne Esquirol stutzte sich inhaltlich auf Matthey und Pinel Der franzosische Psychiater Charles Chretien Henry Marc 1771 1841 griff die Monomanielehre Esquirols auf und bereicherte diese um weitere Formen Monomanie und Personlichkeitsmodell Bearbeiten Entsprechend einem im 19 Jahrhundert verbreiteten Personlichkeitsmodell das von drei abgrenzbaren Personlichkeitsbereichen Verstand Gefuhl Wille ausging unterschieden Esquirol und Marc drei grundsatzliche Kategorien der Monomanie bei einer isolierten Storung der Verstandesfunktionen sprachen sie von intellectueller Monomanie bei isolierten Storungen des Gefuhlsbereiches von einer affectiven Monomanie und bei isolierten Storungen des Willens von einer instinctiven Monomanie Arten von Monomanie Bearbeiten Sowohl bei Marc als auch bei Esquirol erfolgte die Klassifikation Nomenklatur der verschiedenen einzelnen Monomaniearten nach eher ausserlichen zufalligen Merkmalen beispielsweise bei der instinctiven Monomanie nach der Art der begangenen Handlung oder bei der intellectuellen oder der affectiven Monomanie nach dem hervorstechenden Gedanken oder Gefuhlsinhalt So gab es bei Esquirol u a hypochondrische Monomanie religiose Monomanie erotische Monomanie Selbstmordmonomanie MordmonomanieCharles Chretien Henry Marc geht grundsatzlich von einer prinzipiell unerschopflichen Vielfalt von Monomanieformen aus und nennt als Beispiele Monomanie des Reichtums Ehrgeizes Stolzes ascetische religiose Monomanie Damonomanie Erotomanie Aidomanie Kleptomanie Pyromanie Monomanie aus NachahmungVon einer Reihe weiterer Autoren wurde in der Folge eine Unzahl weiterer Formen von Monomanie hinzugefugt z B die Poriomanie als Neigung zum Umherstreunen oder die Dinomanie als Tanzleidenschaft siehe z B Peters Die Monomanielehre in der aktuellen Psychiatrie BearbeitenNicht zuletzt diese Ausweitung der Monomanielehre ins Beliebige die es ermoglicht praktisch jedes menschliche Verhalten Fuhlen Denken das irgendwie auffallig oder bemerkenswert erscheint in die Nahe von Krankheit zu rucken hat bereits im ausgehenden 19 Jahrhundert zur Ablehnung der Monomanielehre in der Psychiatrie gefuhrt Insbesondere vor Gericht aber wurden und werden aus nachvollziehbaren Grunden immer wieder diejenigen Begriffe ins Spiel gebracht die auf strafrechtlich relevantes Verhalten abzielen z B Kleptomanie Pyromanie was aber die forensische Psychiatrie vehement ablehnt So wurde bereits Anfang des 20 Jahrhunderts von kriminalpsychiatrischen Kunstprodukten gesprochen Birnbaum in der gegenwartigen Psychiatrie wird die Konzeption als langst obsolet Janzarik Mundt eingeschatzt Die forensische Psychiatrie der Gegenwart lehnt die Monomanielehre und die mit ihr verbundenen Begriffe insbesondere Kleptomanie Pyromanie vollig ab da hiermit sozial storendes und delinquentes Verhalten in unangemessener Weise monosymptomatisch zu Krankheitsbildern hochstilisiert wurde und damit im Zirkelschluss nahelegte dass entsprechende Verhaltensweisen als krankhaft einzustufen seien Venzlaff amp Pfafflin Uberreste der Monomanielehre finden sich noch in der ICD 10 im Kapitel F63 Abnorme Gewohnheiten und Storungen der Impulskontrolle mit den Kategorien F63 1 pathologische Brandstiftung Pyromanie und F63 2 pathologisches Stehlen Kleptomanie sowie im DSM IV Ubersicht und Kritik bei Muller Populare Rezeption des Begriffs BearbeitenAuch in popularwissenschaftlichem Zusammenhang oder in Feuilletons und nicht zuletzt auch im Internet tauchen immer wieder Begriffe aus der Monomanielehre auf i d R im Zusammenhang mit auffalligem sozialdeviantem oder delinquentem Verhalten und der mehr oder weniger offen formulierten Frage ob hier nicht eine psychische Storung vorliegen konne Das Verhalten von Kapitan Ahab in Moby Dick wird von Herman Melville als monomanisch bezeichnet Siehe auch BearbeitenFixe Idee Denkstorung Abschnitt Uberwertige IdeeLiteratur BearbeitenKarl Birnbaum Die psychopathischen Verbrecher Thieme Leipzig 1926 Horst Dilling u a Hrsg Internationale Klassifikation psychischer Storungen ICD 10 Kapitel V F klinisch diagnostische Leitlinien Huber Bern 2006 ISBN 3 456 84286 4 Jean Etienne Esquirol Allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstorungen Hartmann Leipzig 1827 Jean Etienne Esquirol Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Medizin und Staatsarzneikunde Voss Berlin 1838 2 Bande Werner Janzarik Themen und Tendenzen in der deutschsprachigen Psychiatrie Springer Berlin 1974 Charles Chretien Henry Marc Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Rechtspflege Voss Berlin 1843 1844 2 Bde Andre Matthey Nouvelles recherches sur les maladies de l esprit precedees considerations sur les difficulte de l art de guerir Paschoud Paris 1816 Tobias Muller Storungen der Impulskontrolle Alter Wein in neuen Schlauchen In Rolf Baer u a Hrsg Wege psychiatrischer Forschung Perimed Erlangen 1990 ISBN 3 88429 390 7 Christoph Mundt Kleptomanie In Christian Muller Lexikon der Psychiatrie Springer Berlin 1986 ISBN 3 540 16643 2 Uwe H Peters Lexikon Psychiatrie Psychotherapie medizinische Psychologie Urban amp Fischer Munchen 2000 ISBN 3 437 15060 X Philippe Pinel L alienation mentale ou la manie Traite medico philosophique L Harmattan Paris 2006 ISBN 2 7475 9780 6 Repr d Ausg Paris 1801 deutsche Ubersetzung M Wagner Philosophisch medicinische Abhandlung uber Geistesverwirrungen oder Manie Wien 1801 Henning Sass u a Diagnostische Kriterien des diagnostischen und statistischen Manuals psychischer Storungen DSM IV TR Hogrefe Gottingen 2003 ISBN 3 8017 1661 9 Ulrich Venzlaff Friedemann Pfafflin Personlichkeitsstorungen und andere abnorme seelische Entwicklungen In Klaus Foerster Hrsg Psychiatrische Begutachtung Elsevier Munchen 2004 ISBN 3 437 22900 1 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Monomanie Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Monomanie Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Jean Etienne Dominique Esquirol Von den Geisteskrankheiten Hrsg und eingeleitet von Erwin Heinz Ackerknecht Bern Stuttgart 1968 S 30 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Monomanie amp oldid 237559823