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Unter Lesetheater kann man ganz allgemein eine dramaturgische Praxis verstehen welche die gelesene Darstellung von Stucken und anderen Texten mit verteilten Rollen als eigenes Paradigma anstrebt 1 Die vorgelesenen Texte konnen mussen aber nicht Lesedramen sein d h Texte die von vornherein fur Leseauffuhrungen verfasst wurden Vom Lesetheater zu unterscheiden ist auch die Lesebuhne d h die szenische Lesung selbstverfasster Stucke durch ein festes Ensemble Zu einer Renaissance des Lesetheaters hat in Theorie und Praxis vor allem Rolf Schwendter beigetragen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Beispiele aus der Praxis 2 1 Informelle Gruppe Wien 2 2 Offenes Wohnzimmer Kassel 2 3 Erstes Wiener Lesetheater 2 4 Literarisches Quartier LitQ Bremen 2 5 Drehbuch Lesungen Readings 3 Quellenangaben 4 WeblinksGeschichte BearbeitenDie Praxis von Leseauffuhrungen geht vermutlich mindestens auf Seneca zuruck 2 Sie ist in mittelalterlichen Schulen und Klostern nachweisbar 3 und erlangt eine neue Blute in den literarischen Salons des 18 und 19 Jahrhunderts 4 Lesetheater Auffuhrungen sind als Experimentierstatte jenseits des offiziellen Theaterbetriebs auch im Umfeld des Dadaismus zu finden 5 ferner mangels deutschsprachigen Theaterbetriebs als kulturelle Manifestation unter deutschen Exilanten 6 Die neuere Geschichte des Lesetheaters im deutschsprachigen Raum beginnt mit der von Rolf Italiaander ins Leben gerufenen Hamburger Lesebuhne 1950 1953 7 hier wurden unaufgefuhrte Stucke Hamburger Autoren in den Hamburger Kammerspielen von professionellen Schauspielern vorgelesen Einem anderen Ansatz folgte das Lesetheater der Informellen Gruppe in Wien ab 1959 8 an unkonventionellen Spielorten vorstadtischen Bauruinen Lager und Kellerraumen sowie Privatwohnungen wurden vor allem Texte gelesen welche im offiziellen Kulturbetrieb nicht vorkamen Unter dem Einfluss von Rolf Schwendter fortgesetzt und weiterentwickelt wurde diese Tradition im Offenen Wohnzimmer in Kassel seit 1981 9 im Ersten Wiener Lesetheater seit 1990 10 und im Bremer LitQ 11 seit 2001 Eine weitere Variante stellen die Lesemarathons dar etwa im Rahmen des Open Ohr Festivals in Mainz 2000 und 2001 12 Eine andere Variante sind die Drehbuch Lesungen bei denen Schauspieler unverfilmte Drehbucher vor Publikum lesen siehe auch Readings Beispiele aus der Praxis BearbeitenInformelle Gruppe Wien Bearbeiten Fur die Informelle Gruppe in Wien war Lesetheater nur ein Beispiel unter anderen selbstorganisierten kulturellen Aktivitaten Plattenabende Dichterlesungen performanceartige Veranstaltungen politische kulturelle Diskussionen etc Ihre Struktur beruhte auf drei ursprunglich von Rolf Schwendter gefuhrten Listen einer mit Veranstaltungsvorschlagen einer mit moglichen Veranstaltungsorten und einer Adressenliste der Interessierten 13 Das Lesetheater bestand weit uberwiegend aus spontanen ungeprobten Leseauffuhrungen Die Teilnehmer kamen zumeist aus dem intellektuellen Proletariat Schwendter Schuler Studierende angehende Kunstler Insgesamt fanden zwischen 1959 und 1967 ungefahr 40 Leseauffuhrungen statt 14 Gelesen wurden vor allem Theaterstucke wobei man sich sowohl an Klassikern wie Friedrich Schillers Kabale und Liebe versuchte was aber mit einem Eklat endete als auch an damals avantgardistischen Stucken von Samuel Beckett Eugene Ionesco und Pablo Picasso 15 Der Anteil der Leseauffuhrungen innerhalb der Aktivitaten der Informellen Gruppe nahm uber die Jahre zu wobei die durchschnittliche Teilnehmerzahl nach der von Schwendter gefuhrten Statistik 37 5 betrug 16 Offenes Wohnzimmer Kassel Bearbeiten Das Kultur und Kommunikationszentrum Offenes Wohnzimmer ist nicht subventioniert und existiert aufgrund von Spenden Es wurde am 17 Juni 1982 mit einer Leseauffuhrung von Peter Weiss Marat eroffnet In den folgenden 18 Jahren kam es zu weit uber 200 Leseauffuhrungen die von 30 bis 40 Personen verantwortet wurden 17 Zu den aufgefuhrten Stucken gehorte Rainer Werner Fassbinders Der Mull die Stadt und der Tod zur Zeit als das Stuck in Frankfurt nicht gespielt wurde Karl Kraus Die letzten Tage der Menschheit wahrend des ersten Irak Krieges im Ubrigen vieles andere von Jean Anouilh uber Johann Nestroy bis zu William Shakespeare und Frank Wedekind aber auch Filmdrehbucher Woody Allen Ingmar Bergman Federico Fellini und fur Leseauffuhrungen orchestrierte Prosa James Joyce Robert Musil Raymond Queneau Antoine de Saint Exupery Antonio Tabucchi 18 Erstes Wiener Lesetheater Bearbeiten Das Erste Wiener Lesetheater unterscheidet sich von den vorher genannten dadurch dass es formal als Verein organisiert ist und seit 1995 Jahressubventionen durch verschiedene Zweige der offentlichen Hand erhalt 19 Seither ist die Zahl der Leseauffuhrungen erheblich angestiegen und hat sich auf einem Niveau von knapp hundert pro Jahr stabilisiert Gleichzeitig wurde jedoch das Dezentralitatsprinzip beibehalten Jede lesetheaterinteressierte Person hatte die Moglichkeit so gut wie jederzeit eine Leseauffuhrung zu verantworten Das leitende Dreiergremium konnte und kann zwar ein Veto einlegen hat das aber bislang noch nie getan 20 Der Pool der mitlesenden Personen schwankt zwischen 300 und 400 je ein Drittel davon sind Autoren Schauspieler und sonstige interessierte Personen Die Dezentralisierung bedeutet auch dass unterschiedliche Stile des Lesetheaters praktiziert werden von ungeprobten spontanen Leseauffuhrungen bis zu einer mehr oder weniger grossen Zahl von Proben Die Zuhorerschaft schwankt im Mittel zwischen 40 und 50 Personen 21 Literarisches Quartier LitQ Bremen Bearbeiten LitQ ist der Name eines Freundeskreises literarisch Interessierter in Bremen Unter diesem Namen finden seit 2001 selbstorganisierte Lesungen Lesetheater statt Aus einer Lesung anlasslich des Todes von Hans Carl Artmann entstand eine Praxis in unregelmassigen Abstanden Lesungen durchzufuhren die geeignet scheinen das offizielle Kulturprogramm zu erganzen Fast durchwegs handelt es sich um spontane Leseauffuhrungen im Sinne von Rolf Schwendter Jede r kann Themen vorschlagen und sich fur die Lesung eine Companie zusammenstellen Die Lesungen finden an unterschiedlichen Orten statt wobei solche Orte bevorzugt werden die gratis bespielt werden konnen Soweit das Wetter es zulasst finden Lesungen auch im Freien statt Die Lesungen sind offentlich und der Eintritt ist frei Wahrend diese Lesungen in den Anfangen etwa alle zwei Monate stattfanden hat sich die Frequenz inzwischen erhoht sodass man pro Jahr mit zwolf Veranstaltungen rechnen kann Zweimal im Jahr finden Planungsbesprechungen statt Drehbuch Lesungen Readings Bearbeiten Vor Dreharbeiten findet stets eine Leseprobe statt in der alle Darsteller ausgenommen Tages Rollen in einer szenischen Lesung einmal das gesamte Drehbuch mit der Regie durchlesen und besprechen Davon inspiriert entwickelten sich Lesungen unverfilmter Drehbucher vor Publikum haufig in Theater oder Kinosalen 22 Ein Trend der aus den USA 1994 2002 New York Nuyorican Poets Cafe kam und in Deutschland 1999 bis 2004 Barbarella Entertainment 23 und Osterreich 2005 Rabenhof 24 ab 2011 Witcraft Diverse Geschichten 25 fortgefuhrt wurde Quellenangaben Bearbeiten Rolf Schwendter Lesetheater In Sven Uwe Burkhardt Christine Graebsch Helmut Pollahne Hrsg Korrespondenzen Ein Lese Theater als Feestschrift Munster Lit Verlag 2005 S 299 Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 29 f Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 30 Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 33 ff Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 47 f Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 49 Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 59 ff Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 59 ff vgl auch Rolf Schwendter Subkulturelles Wien die informelle Gruppe 1959 1971 Wien 2003 Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 67 ff Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 90ff Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 73 ff vgl auch Inge Buck Erlaubent Schas sehr heiss bitte Oder Szenen aus dem Literarischen Quartier In Sven Uwe Burkhardt Christine Graebsch Helmut Pollahne Hrsg Korrespondenzen Ein Lese Theater als Feestschrift Munster Lit Verlag 2005 S 289 296 Vgl aus der Perspektive eines in Kassel und Mainz Mitwirkenden Rudolf Messner Texte zum Theater vier kleine Essays In Christiane E Winter Heider Hrsg Festschrift fur Rolf Schwendter Fragmente einer Begegnung Elemente einer Entgegnung Kassel 2005 S 173 ff Rolf Schwendter Subkulturelles Wien die informelle Gruppe 1959 1971 Wien 2003 S 16 ff Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 59 detaillierte Auflistungen bei Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 60f bzw Rolf Schwendter Subkulturelles Wien die informelle Gruppe 1959 1971 Wien 2003 S 31 ff Rolf Schwendter Subkulturelles Wien die informelle Gruppe 1959 1971 Wien 2003 S 56 Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 67 detaillierte Angaben bei Rolf Schwendter Lesetheater Wien 2002 S 68 73 Rolf Schwendter Subkulturelles Wien die informelle Gruppe 1959 1971 Wien 2003 S 90 fur weitere Einzelheiten vgl den Artikel Erstes Wiener Lesetheater und Zweites Stegreiftheater Rolf Schwendter Subkulturelles Wien die informelle Gruppe 1959 1971 Wien 2003 S 91 Rolf Schwendter Subkulturelles Wien die informelle Gruppe 1959 1971 Wien 2003 S 90ff mit einer Zusammenstellung samtlicher Auffuhrungen von 1990 2002 Harriet Dreier Drehbuchlesungen Roter Plusch und Pommesmief In Spiegel Online 5 September 2000 spiegel de abgerufen am 9 September 2018 readings press service 13 Oktober 2007 archiviert vom Original am 13 Oktober 2007 abgerufen am 9 September 2018 Drehbuchlesung im Rabenhoftheater derStandard at Abgerufen am 9 September 2018 Szenische Lesung Diverse Geschichten Drehbucher inspiriert durch kulturelle Vielfalt Abgerufen am 9 September 2018 deutsch Weblinks BearbeitenLesetheater Lesezeichen Wien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lesetheater amp oldid 203341840