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Der Leichenbitter oder Leichbitter auch Begrabnisbitter Leichensager in Norddeutschland Ansager lokal schwabisch auch Leichensager Leichenlader Leichenbesorger Leidbitter oder Totenbitter war bis ins 19 Jahrhundert hinein ein offentliches Amt 1 Der Leichenbitter hatte die Todesnachricht zu uberbringen und zum Leichenbegangnis einzuladen 2 Der Begriff Leichenbitter wird in der Literatur 1691 zum ersten Mal erwahnt 3 Klagansager im Standebuch 1698 von Christoph Weigel der Altere Inhaltsverzeichnis 1 Aufgabenfeld 2 Soziale Stellung 3 Geschichte 4 Abbildungen 5 Siehe auch 6 Einzelnachweise 7 Literatur 8 WeblinksAufgabenfeld BearbeitenDer Leichenbitter war der Mann der im Dorf von Hof zu Hof oder in der Stadt von Haus zu Haus ging oder nach einer ihm aufgegebenen Adressenliste an die Tur oder mit seinem Stock an den Fensterladen klopfte um im Namen der Hinterlassenen zur Leiche zu bitten zum Begrabnis einzuladen Das tat er indem er vor der aufgesperrten Tur oder vor dem geoffneten Fenster ohne namentliche Anrede seinen Spruch aufsagte Er betrat auf keinen Fall das Haus Es gehorte sich auch nicht ihn hinein zu bitten oder hereinzulassen Der Tod sollte nicht ins Haus hineinkommen Man sah und horte ihn ja bereits kommen Mit ihm ging das Gerucht vom Tode Ebenso konnte eine Frau eine Leichenbitterin sein 4 Fur die Todesnachricht die der Leichenbitter lediglich uberbrachte erhielt er eine Munze zugeworfen oder ein Stuck Brot in die Hand gegeben Er ging beim Begrabnis am Ende des Trauergefolges mit hatte alles im Blick entrichtete die Gebuhren an den Pfarrer bezahlte das Gelaute Spater verabschiedete er die Gaste des Trauermahls und bedankte sich fur ihre Teilnahme an der Beerdigung im Namen der Hinterbliebenen Die Bilder zeigen ihn als durren oft armlich aussehenden Mann der mit einem langen schwarzen Rock Zylinder und Trauerflor gekleidet war In Anhalt trug er ein schwarzes Band am Hut 5 Auch die Leichenbitterin oder Totenfrau war entsprechend gekleidet Von daher ruhrt die Leichenbittermiene her 6 Der Leichenbitter der auch der Hochzeitsbitter oder Kindtaufbitter sein konnte arrangierte die Beerdigung unterrichtete den Pfarrer bestellte den Totengraber und die Totentrager und zahlte die etwaigen Lohndiener aus Er ist bei der Durchfuhrung der Bestattung der Zeremonienmeister gewesen Er legte vor allem die Reihenfolge der Personen im Trauergefolge fest und lud zum Leichenschmaus ein Dieses Trauermahl ist in seinem Ursprung der Lohn fur die Totentrager und Totengraber und ebenso das Gastmahl fur das Trauergefolge gewesen Dafur galt das Sprichwort Essen und Trinken halt Leib und Seele zusammen Spater sind diese Obliegenheiten des Leichbitters von dem Bestatter ubernommen worden Im Grunde sind die Tatigkeitsmerkmale des heutigen Bestatters die des fruheren Leichenbitters geblieben und haben sich noch ausdifferenziert Soziale Stellung BearbeitenDer Leichenbitter und der Totengraber und spater der Leichenbestatter und andere Berufe beispielsweise der Scharfrichter galten wegen ihres Umgangs mit dem Toten als kultisch unrein und wurden als so genannte unehrliche Berufe angesehen Sie waren lebensnotwendig doch man hatte mit ihnen nicht gern zu tun und mied den Umgang mit ihnen In Anhalt ubernahmen regelmassig Nachbarn des Verstorbenen die Aufgabe 7 Geschichte BearbeitenIm Mittelalter erfolgte im landlichen Leben die Bekanntmachung des Todes prinzipiell in zwei Richtungen Nach innen diente sie der Bannung des Toten im Haus und Hof in der Familie im Gesinde und gegenuber den Tieren Nach aussen wurde es den Tod ansagen genannt 8 Anfangs war es ein Nachbar der es ubernahm die Nachbarschaft die Freunde das Gemeinwesen allgemein zum Leichengefolge einzuladen In der Biedermeierzeit ist es in den Standen des Adels und des gehobenen Burgertums immer Sitte gewesen im privaten Todesfall mit ein paar personlichen Zeilen auf einem Billet das ein Bote in einem Kuvert uberbrachte die nahen Verwandten und Freunde mit diesem Trauerbillet zu verstandigen und zur Teilnahme an der Beerdigung einzuladen Gute Qualitat des Papiers und des Drucks war dabei ein Zeichen fur Wohlstand und gesellschaftliches Ansehen Die ersten Todesanzeigen uberhaupt erschienen Ende des 18 Jahrhunderts in den so genannten Intelligenzblattern Der Tod wurde unter der Rubrik der Familiennachrichten im Fliesstext bekannt gegeben In der Koniglich privilegierten Berlinischen Zeitung vom 30 Juni 1789 findet sich die erste Todesanzeige Der heutige Brauch eine private Todesanzeige in einer Tageszeitung zu veroffentlichen und den ausserhalb der Region vom Todesfall Betroffenen einen oft gedruckten Trauerbrief zuzusenden geht auf Anfang des 19 Jahrhunderts zuruck Er setzt das Grundrecht der Meinungs und Pressefreiheit und die Fahigkeit schreiben und lesen zu konnen voraus Die heutigen schwarzen Umrandungen der Todesanzeigen wurden spater aus den Werbeanzeigen der Kaufmannschaft ubernommen Auf dem Land setzten sich gedruckte Todesanzeigen oder entsprechende mit der Post verschickte Karten erst spater durch Ende des 19 Jahrhunderts oder vielfach auch erst einige Jahre nach 1900 Einerseits weil man auf dem Land an alten Brauchen grundsatzlich langer festhielt andererseits aber auch weil sich zunachst Druckereien auch in kleineren Orten entwickeln mussten bzw die Verkehrsverbindungen sich erst nach und nach verbesserten Abbildungen Bearbeiten nbsp Amsterdamer Aanzegger oder Aanspreker Anfang 19 Jh nbsp Zwei Amsterdamer Leichenbitter Anfang 19 Jh nbsp Amsterdamer Leichenbitter Photo aus dem 19 Jh nbsp Amsterdamer Leichenbitter Aanspreker 1855Siehe auch BearbeitenHochzeitsbitterEinzelnachweise Bearbeiten Joachim Heinrich Campe Worterbuch der deutschen Sprache Reprograf Nachdr der Ausg Braunschweig Olms Verlag Hildesheim 1809 1969 III S 86 Die Tatigkeit schildert der Landwirt Johann Brunner Leichenbitterinnen ein ausgestorbener Beruf In Bayerischer Bauernkalender 1986 S 55 Kaspar Stieler Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs Nurnberg 1691 Barbara Happe Erinnerungen einer Leichenbitterin aus Bleichstatten auf der Schwabischen Alb In Schwabische Heimat 1991 3 S 325 328 Ulrich Wenner Mittelelbisches Worterbuch Band 2 H O Akademie Verlag Berlin 2002 ISBN 3 05 003740 7 Spalte 835 Von daher ruhrt der Begriff Leichenbittermiene Sie ist seit Christoph Martin Wielands Gedichten und Friedrich Schillers Trauerspiel Die Verschworung des Fiesco 1 Akt 7 Auftritt sprichwortlich geworden Spater ist dieser Ausdruck auf den Habitus des Bestatters ubertragen geworden Klaus Dirschauer Buten un binnen wagen un winnen Der Bestattungsunternehmer Klaus H Meyer Heder In bestattungskultur Das Magazin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter e V Hrsg Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes GmbH Dusseldorf 65 Jg 5 2013 S 32 34 Ulrich Wenner Mittelelbisches Worterbuch Band 2 H O Akademie Verlag Berlin 2002 ISBN 3 05 003740 7 Spalte 835 Paul Sartori Todansagen In Zeitschrift des Vereins fur rheinische und westfalische Volkskunde Jg 1 1904 S 35 54 siehe auch Paul Sartori Sitte und Brauch Handbucher zur Volkskunde Bd V 1 Teil Die Hauptstufen des Menschendaseins Verlag von Wilhelm Heims Leipzig 1910 S 129 f Literatur BearbeitenKlaus Dirschauer Worte zur Trauer 500 ausgewahlte Weisheiten und Zitate fur Todesanzeigen und Kondolenzbriefe 5 Aufl Claudius Verlag Munchen 2011 ISBN 978 3 532 62319 0 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Leichenbitter Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Eintrag in der Oeconomischen Encyclopadie 1773 1858 von J G Krunitz Spiegel Reportage uber einen modernen Ansager in Ostfriesland Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Leichenbitter amp oldid 232877565