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Lautpoesie auch akustische oder phonetische Poesie bzw Dichtung 1 ist eine Gattung der modernen Lyrik die auf sprachlichen Sinn ganz oder zu einem erheblichen Teil verzichtet Analog zur abstrakten Malerei versucht die Lautpoesie die Sprache nicht in abbildender beziehungsweise inhaltlich bezeichnender Funktion sondern rein formal als Lautmaterial anzuwenden Die Lyrik nahert sich dadurch konsequent in dem Masse in dem Semantik verschwindet und der Klang in den Vordergrund tritt stark der Musik an Hugo Balls Gedicht Karawane 1917 Typografie der Erstveroffentlichung 1920 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Beispiele 2 1 Johann Klaj 2 2 Paul Scheerbart 2 3 Christian Morgenstern 2 4 Hugo Ball 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Film 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenVorlaufer der Lautpoesie lassen sich schon in der Literatur der romischen Antike des Mittelalters und dann vor allem des Barocks z B Johann Klaj s u finden Allen diesen Vorlaufern ist jedoch gemein dass sie den sprachlichen Klang gegen den nach wie vor erkennbaren Wortsinn entweder ausspielen um so parodistische oder rein komische Effekte zu erzeugen oder dass sie vereinzelte Stilubungen sind gerade in der Literatur des spaten Mittelalters in denen ein Dichter anhand eines weitgehend sinnentleerten Musterstucks vorfuhrt wie virtuos er die formalen Register der Dichtung beherrscht Radikalisiert wurden Ende des 19 Jahrhunderts diese Vorlaufer durch den Symbolismus dessen Dichter sprachspielerisch und auf Wohlklang abzielend nicht selten in ihren Gedichten zwar noch einen ahnbaren Wortsinn hinterliessen der jedoch haufig so hermetisch oder auch banal war dass der manieristische Form und Lautwert in den Vordergrund trat Der Ubergang zur eigentlichen Lautpoesie fand in der deutschen Literatur statt durch Christian Morgenstern in Gedichten wie Das grosse Lalula Lunovis Das Mondschaf oder Der Rabe Ralf wobei Morgenstern mit Fisches Nachtgesang zugleich eines der ersten Beispiele Konkreter Poesie verfasste Dem folgten die Dichter des Dada beispielsweise Hugo Ball mit Karawane oder Johannes Theodor Baargeld mit Bimmelresonnanz II Die bedeutendsten Lautgedichte dieser Zeit stammen von Raoul Hausmann und Kurt Schwitters allen voran die Ursonate die uber mehrere Satze hinweg aus keinem Wort sondern nur aus Silben aufgebaut ist Ende der 1950er Jahre begannen deutschsprachige Schriftsteller der zweiten Avantgarde solche Stilmittel wiederzuentdecken Zu den wichtigsten Vertretern der Lautpoesie dieser Zeit gehorten Franz Mon Gerhard Ruhm Oskar Pastior und Ernst Jandl Ausserhalb des deutschsprachigen Raumes formierte sich ab 1958 eine internationale Szene an experimentellen Lautpoeten die sich zunehmend von der Verschriftlichung der vokalen Klange losen wollten Ab 1964 gab der franzosische Dichter Henri Chopin das Schallplattenmagazins revue OU heraus das vor allem den Innovatoren der elektronischen Lautpoesie gewidmet war Ausser Chopins radikalen Tonbandstucken kamen Poeten wie Francois Dufrene Bernard Heidsieck Bob Cobbing William S Burroughs Paul de Vree Charles Amirkhanian und Raoul Hausmann zur Veroffentlichung Drei Jahre spater begann die schwedische Kunstlervereinigung Fylkingen mit der Organisation der sogenannten Text Sound Festivals Als Text Sound Composition bezeichneten Bengt Emil Johnson Lars Gunnar Bodin Sten Hanson Ake Hodell und Oyvind Fahlstrom ein Kontinuum zwischen Sprache oder Literatur auf der einen Seite und Musik auf der anderen Den Katalysator zwischen diesen beiden Polen bildete hierbei oft der Einsatz von elektroakustischen Geratschaften oder besonderen Aufnahmetechniken Auch hier wurde die Loslosung vom Text angestrebt als Medium fungierte die Schallplatte oder das Tonband In neuerer Zeit spielt die Lautpoesie eine nicht geringe Rolle in der Slam Poetry und Rap Szene was da sich Rap unter anderem von der Scat Tradition des Jazz herleitet naheliegend ist und zu einer Fusion von avantgardistischen Stromungen der Hochkultur der klassischen Moderne und popularen Traditionen der Lautpoesie gefuhrt hat Ende des 20 und am Beginn des 21 Jahrhunderts begannen sich Lautpoeten der gestalterischen Moglichkeiten der digitalen Technologien zu bedienen Performer wie der franzosische Klangkunstler Joachim Montessuis der Lautpoet und Komponist Jaap Blonk aus Holland die norwegische Musikerin Maja Ratkje sowie Jorg Piringer aus Osterreich und die Deutschen Dirk Hulstrunk und Michael Lentz verwenden bei ihren Live Auftritten Computer elektronische Effekte und Sampler um die Ausdrucksmoglichkeiten der menschlichen Stimme zu erweitern Beispiele BearbeitenJohann Klaj Bearbeiten Der kekke Lachengekk koaxet krekkt und quakkt Des Krippels Kruckenstockk krokkt grakkelt humpt und zakkt Des Gukkuks Gukken trotzt dem Frosch und auch die Krukke Was knikkt und knakkt noch mehr kurtz hier mein Reimgeflikke Johann Klaj Fortsetzung Der Pegnitz Schaferey Nurnberg 1645 Paul Scheerbart Bearbeiten Hauptartikel Paul Scheerbart Monolog des verruckten MastodonsZepke Zepke Mekkimapsi muschibrops Okosoni Mamimune Epakrollu rondima seka inti windi nakki pakki salone heppereppe heppereppe Lakku Zakku Wakku Quakku muschibrops Mamimune lesebesebimbera roxrox roxrox Quilliwauke Lesebesebimbera suru huhu 2 Christian Morgenstern Bearbeiten Das grosse LalulaKroklokwafzi Semememi Seiokrontro prafriplo Bifzi bafzi hulalemi quasti basti bo Lalu lalu lalu lalu la Hontraruru miromente zasku zes ru ru Entepente leiolente klekwapufzi lu Lalu lalu lalu lalu la Simarar kos malzipempu silzuzankunkrei Marjomar dos Quempu Lempu Siri Suri Sei Lalu lalu lalu lalu la Christian Morgenstern Galgenlieder Berlin 1905 Hugo Ball Bearbeiten brulba dori daula dalla sula lori wauga malla lori damma fusmaluDasche mame came rilla schursche saga moll vasvilla suri pauge fuzmaluDolli gamba bokamufti sabel ize spogagufti palazuma polja geimula dampe dori villa alles virds schavi drestilla offi lima dozapau pozadau 3 Siehe auch BearbeitenLettrismus Zeitgenossische Vokalmusik komische Lyrik DadaismusLiteratur BearbeitenMichael Lentz Lautpoesie musik nach 1945 Eine kritisch dokumentarische Bestandsaufnahme 2 Bd Edition Selene Klagenfurt 2000 Christian Scholz Untersuchungen zur Geschichte und Typologie der Lautpoesie 3 Bande Teil I Darstellung Teil II Bibliographie Teil III Discographie Obermichelbach 1989 Gertrud Scholz Verlag ISBN 3 925599 04 5 Christian Scholz Urs Engeler Hrsg Fumms bo wo taa zaa Uu Stimmen und Klange der Lautpoesie Basel Weil a Rhein Wien Urs Engeler Editor 2002 447 S Mit einer CD die fur diese Anthologie eigens komponierte Lauttexte musik enthalt Film BearbeitenMaulkonzert Akustische Poesie Eine Produktion des Saarlandischen Rundfunks 60 Minuten 1977 Buch und Regie Klaus Peter DenckerWeblinks BearbeitenUbuWeb Sammlung Historischer und Zeitgenossischer Lautpoesie amp Soundart Sound Poetry Phono amp Video Archive of Drugoe Polusharie magazineEinzelnachweise Bearbeiten Otto Knorrich Lexikon lyrischer Formen Kroners Taschenausgabe Band 479 Kroner Stuttgart 1992 ISBN 3 520 47901 X S 126 128 In Paul Scheerbart Gedichte bei Projekt Gutenberg In Hugo Ball Gedichte bei Projekt Gutenberg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lautpoesie amp oldid 229845679