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Ein Herrschertreffen oder eine Herrscherbegegnung ist ein personliches Zusammentreffen von Monarchen als Mittel der Politik Fur die Treffen von Staats und Regierungschefs hat sich im 20 Jahrhundert der Begriff Gipfeltreffen etabliert Konigin von Saba trifft SalomonHerrscherbegegnungen sind keine Erfindung des Mittelalters Es gab bereits antike und biblische Vorbilder Bekannt ist ein Treffen zwischen den beiden Cheruskerfursten Arminius und Flavius an der Weser die sich uber den Fluss hinweg beschimpften In der Bibel findet sich im Buch der Konige 1 10 der Besuch der Konigin von Saba bei Salomon Treffen von Koniginnen oder Regentinnen sind eine Seltenheit Entgegen der in der Literatur weit verbreiteten Annahme gab es nach dem Mittelalter weder ein Ende noch eine Pause von Herrschertreffen als Mittel der Politik Der Einsatz von Herrschertreffen kennt gewisse Wellen die abhangen von der Lage der internationalen Beziehungen und der Personlichkeiten der einzelnen Herrscher Besonders Fursten die eine Rangerhohung erstrebten Herzoge von Burgund im 15 Jahrhundert oder Aufsteiger Napoleon nutzen Herrschertreffen intensiv um dort im Zeremoniell ihre Gleichrangigkeit mit Konigen demonstrieren zu konnen Das aufwendige Zeremoniell von Herrscherbegegnungen wurde am Ende der Fruhen Neuzeit zunehmend als Problem angesehen so dass viele Fursten begannen inkognito zu reisen um Kosten und Aufwand einzusparen aber die direkte Begegnung als Mittel ihrer Politik weiter nutzen zu konnen Zeremoniell BearbeitenHerrscherbegegnungen erfuhren keine Verschriftlichung des Zeremoniells im Gegensatz zu anderen Zeremonien wie z B der Konigswahl oder der Kronung entwickelte Vermutlich hangt dies mit dem Fehlen einer rechtskonstitutiven Funktion zusammen Da Herrscherbegegnungen an sich weder rechtsverbindliche noch Recht schaffende Akte darstellten entbehrten sie eines geschriebenen Protokolls und boten auf diese Weise einen grosseren Spielraum in der Umsetzung Man orientierte sich an verschriftlichten Traditionen und Prazedenzfallen die nur zu einem geringen Teil verschriftlicht waren Das Zeremoniell der mittelalterlichen Herrscherbegegnungen besass seit dem 11 Jahrhundert eine relativ fest gefugte Form konnte aber je nach den Umstanden variieren so dass einzelne Akte verandert weggelassen oder hinzugefugt wurden In der Regel kann man folgende Elemente als Bestandteile von Herrscherzusammenkunften ausmachen Unterhandlung durch Boten Zusammenkunft Begrussung eigentliche Verhandlung Vertragsabschluss gegenseitige Besuche Empfang Umtrunk Geschenke und Abschied Einige dieser Elemente konnten wahrend einer Begegnung wiederholt werden was den feierlichen Charakter der Zusammenkunft erhohte Trotz grosser Bestandigkeit der Formen hatten nicht alle Handlungen immer das gleiche Gewicht Deshalb lasst sich kein einfaches Schema des Zeremoniells der Herrscherbegegnungen zeichnen Der Ablauf war jeweils von zahlreichen ausseren Bedingungen abhangig Die Reihenfolge der Elemente steht allerdings in einem gewissen logischen Zusammenhang Bei ihrer Durchfuhrung wurde auf strengste Symmetrie geachtet d h bei einem Treffen von zwei gleichrangigen Herrschern folgte auf den Besuch des einen im Lager des anderen in der Regel ein Gegenbesuch Eine gemeinsame Messe hatte sich als Element von Herrscherzusammenkunften erst im 11 Jahrhundert etabliert Allerdings gehorte sie eher zur Ausnahme gerade wenn die Treffen in konflikttrachtigem Umfeld stattfanden Ein gemeinsames Mahl durfte hingegen nie fehlen und ist schon unter den Merowingerkonigen nachgewiesen Es diente der Bestatigung und Bekraftigung von Freundschafts und Friedensschlussen Wie auch immer die Begegnungen angelegt waren die einzelnen Schritte waren nie allein von einer Partei bestimmt und konnten es auch gar nicht sein da die getroffene Losung Einvernehmen in beiden Lagern voraussetzte was z B Ort und Zeitpunkt der Begegnung die Vorbereitung der Mahlzeiten oder den Austausch von Geschenken anging Die Formen der einzelnen Elemente wandelten sich und wurden jeweils dem Stil der Zeit angepasst Die Wahl des Ortes war abhangig vom Rangverhaltnis der beiden Herrscher In der Regel begab sich der Geringere in das Herrschaftsgebiet des Hoherrangigen wahrend eine Gleichrangigkeit durch ein Treffen an einem neutralen dritten Ort in der Grenzregion ausgedruckt werden konnte Besonders hervorzuheben sind hier die im Mittelalter sehr haufigen Treffen auf zum Teil eigens dafur errichteten Brucken uber Flussen die die beiden Herrschaftsgebiete voneinander abgrenzten Neben der Markierung des Grenzgebietes durch den Fluss spielte hier auch das gegenseitige Sicherheitsbedurfnis eine wichtige Rolle Besuche unterscheiden sich von Herrschertreffen durch das Einholen des Besuchers an der Grenze und am Ende durch das Wiederherausgeleiten des Gastes Somit gab es bei Besuchen im Gegensatz zu den Treffen immer ein protokollarisch festgelegtes Ende Der feierliche Akt der Einholung war umso wichtiger als dieser den Gast deutlich von einem huldigenden Vasallen abhob Der Handlungsablauf lasst sich ebenso wie der Adventus in drei wesentliche Teile untergliedern die Ankunft des Herrschers die Einholung durch die stadtische Bevolkerung bzw durch Abgesandte des Gastgebers vor der Landes bzw Stadtgrenze und schliesslich das Geleit des Herrschers in die Stadt oder durch das besuchte Territorium Entsprechend ihrem Rangverhaltnis kam der gastgebende Herrscher seinem Besucher unterschiedlich weit entgegen Zudem stellten Besuche immer das Problem der Unterbringung und Unterhaltung des Gastes Selten versorgte sich ein Gast aus eigenen Mitteln um seine Unabhangigkeit zu wahren Grunde und Funktionen BearbeitenDie Untertanen erhofften sich von dem direkten Zusammentreffen zweier Herrscher in Kriegszeiten die Wiederherstellung des Friedens Die beiden Herrscher mussten sich nur treffen dann wurden alle Missverstandnisse aus dem Weg geraumt die durch die schlechte Verwaltung der koniglichen Berater entstanden seien so lautete die herrschende Meinung im Mittelalter Schon 1381 zu Beginn des papstlichen Schismas schrieb Heinrich von Langenstein diesen Gedanken nieder Auch Historiographen wie Chastellain dachten im 15 Jahrhundert dass Karl VII Konig von Frankreich und Philipp der Gute Herzog von Burgund sich einfach deshalb nicht verstunden weil sie sich nie gesehen hatten Dieser weit verbreiteter Glaube halt sich bis heute und wird immer wieder auf aktuelle Treffen von Staats und Regierungschefs projiziert Herrscherbegegnungen waren hochkomplizierte diplomatische Kunststucke mit einer langen Tradition die sich in relativ festen Formen ereigneten Es muss unterschieden werden zwischen solchen die einvernehmlich und aus diesem Grund sehr feierlich und ausgedehnt inszeniert wurden und solchen die von Gegensatzen gepragt waren und daher tendenziell eher knapp ausfielen Fur die Mittelalterforschung spielt zudem noch die Unterscheidung in gut und schlecht uberlieferte Zusammenkunfte eine wichtige Rolle Nicht eindeutig lassen sich die Grunde fur Herrschertreffen beantworten Von Fall zu Fall gab es dafur sehr unterschiedliche Motive Fur ein Zusammentreffen zweier Herrscher gab es keine zwingenden rechtlichen Grunde Im Gegensatz zu Besuchen dienten Treffen haufig dem Abschluss eines Vertrags Das konnte naturlich auch durch Gesandte geschehen aber eine Demonstration der Freundschaft zweier Monarchen konnte aussere ebenso wie innere Feinde ins Abseits drangen Die Zusammenkunft trug so zur Sicherung der eigenen Position bei Ganz deutlich wird diese Ruckwirkung auf die Innenpolitik wenn sich ein schwacher Potentat in einem Bundnis als gleichberechtigter Partner eines machtigen Herrschers prasentierte Feierliche Besuche ubten eine ahnliche Wirkung aus Die eigene Herrschaft wurde dabei durch entsprechende Akte der Reprasentation und Demonstration inszeniert Im Mittelalter orientierten sich zwischenstaatliche Vertrage in ihren Formen an den personlichen Beziehungen der Herrscher In der Fruhzeit waren amicitia oder fraternitas Grundlage fur jede Art von Vertragsabschluss Die Ursprunge dafur liegen in germanischer Zeit Es lassen sich jedoch auch romische Formen finden Schon im vorklassischen Griechenland war Freundschaft die Voraussetzung fur den Abschluss eines Bundnisvertrags Zunachst waren im Mittelalter Friedens und Bundnisvertrage identisch Sie wurden jedoch im Laufe der Jahrhunderte ausdifferenziert in dem die Bundnisvertrage immer praziser einzelne Verpflichtungen auflisteten Wichtig wurde der Abschluss von bilateralen Vertragen mit grosseren Machten auch als Mittel zur Herrschaftsbildung und sicherung durch kleinere Fursten So besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Abschluss von zwischenstaatlichen Vertragen und dem sich herausbildenden Souveranitatsstatus der beteiligten Lander Zu Besuchen kam es nur bei schon bestehendem freundschaftlichem Einvernehmen Ein wichtiges Motiv fur solche Besuche waren Pilgerfahrten oder die Verabredung gemeinsamer militarischer Aktionen Zumindest in zeremonieller Hinsicht finden sich bei der seltenen Gefangenschaft eines Herrschers dieselben Elemente wie bei einem Besuch Literatur BearbeitenDaniel Eisenmenger Cosa digna de memoria ver dos tan grandes Principes amigos de honra y tan poderosos Summit meetings in Early Modern History the example of Charles V and Francis I In Pliegos de Yuste Nr 11 12 2010 ISSN 1697 0152 S 55 60 Werner Kolb Herrscherbegegnungen im Mittelalter Europaische Hochschulschriften Reihe 3 Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Bd 359 Lang Bern u a 1988 ISBN 3 261 03796 2 Zugleich Zurich Universitat Dissertation 1987 1988 Johannes Paulmann Pomp und Politik Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Regime und Erstem Weltkrieg Schoningh Paderborn u a 2000 ISBN 3 506 77160 4 Zugleich Munchen Universitat Habilitations Schrift 1999 Gerald Schwedler Herrschertreffen des Spatmittelalters Formen Rituale Wirkungen Mittelalter Forschungen Bd 21 Thorbecke Ostfildern 2008 ISBN 978 3 7995 4272 2 online Ingrid Voss Herrschertreffen im fruhen und hohen Mittelalter Untersuchungen zu den Begegnungen der ostfrankischen und westfrankischen Herrscher im 9 und 10 Jahrhundert sowie der deutschen und franzosischen Konige vom 11 bis 13 Jahrhundert Beihefte zum Archiv fur Kulturgeschichte 26 Bohlau Koln u a 1987 ISBN 3 412 08086 1 Zugleich Giessen Universitat Dissertation 1985 1986 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Herrschertreffen amp oldid 225234438