www.wikidata.de-de.nina.az
Die Hasta Coda Theorie auch Hasta Coda Theorie ist eine Theorie des Sprachwissenschaftlers Herbert Brekle zur Beschreibung und Erklarung unserer heutigen Buchstabenformen Demnach hat die Gliederung der Buchstaben in zwei Teile bei der Entstehung des lateinischen Alphabets und seiner Vorgangeralphabete eine wichtige Rolle gespielt Diese Teile sind ein Hasta genannter vertikaler Hauptstrich und die als Coda bzw Codae bezeichneten horizontalen Fortsatze Unser Alphabet besteht ungefahr zur Halfte aus Buchstabenformen die eine Hasta plus Codastruktur aufweisen Dies gilt sowohl fur die Grossbuchstaben Majuskel als auch fur die Kleinbuchstaben Minuskel LBeim Grossbuchstaben L bildet der senkrechte Strichdie Hasta und der horizontale Strich die Coda Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Beispiele 2 1 D zu d 2 2 E zu e 2 3 G zu g 3 Schriftentwicklung 4 Galerie 5 Literatur 6 Weiterfuhrende Literatur 7 EinzelnachweiseDefinition BearbeitenBrekle definiert Hasta und Coda folgendermassen 1 Der vertikale Schaft einer Buchstabengestalt z B I in B b in D d wird Hasta lat Stab Speer genannt Die an der Hasta sich typischerweise rechts anschliessenden geraden Strecken und oder Kurvenstucke sollen Coda bzw Codae heissen Solche Figuren sind also vertikalaxial asymmetrisch Diese Hasta plus Coda Struktur gilt grundsatzlich auch fur entsprechende Buchstabenformen fruherer Entwicklungsstadien der lateinischen Alphabetschrift protosinaitisch phonizisch und griechisch Diese Struktur weisen ebenfalls in wechselnder Zusammensetzung ungefahr die Halfte der Buchstaben des jeweiligen Alphabets auf Die Buchstaben der anderen Halfte zeigen andere Symmetrieeigenschaften vertikalaxial symmetrisch oder punktsymmetrisch 2 Der Strukturtyp Hasta plus Coda von Buchstaben lasst sich durch kognitiv psychologische Kriterien als ein realistisches Strukturprinzip und nicht als ein bloss konstruierter Gestalttyp erweisen 3 Beispiele BearbeitenDie Hasta plus Coda Struktur spielte bei der Ausdifferenzierung einer Minuskelschrift aus romischen Versalformen ab dem 1 Jahrhundert n Chr eine entscheidende Rolle 4 Einige Beispiele aus unserer heutigen sogenannten Druckschrift und einigen Abbildungen verdeutlichen die vorstehenden mehr theoretischen Ausfuhrungen Semitisch griechische Entwicklungsstufen des lateinischen Alphabets bleiben im Folgenden unberucksichtigt 5 D zu d Bearbeiten Anhand dieser beiden heutigen Buchstabenformen kann man zeigen wie sich in altromischer Zeit aus der Versalform D die Minuskelform d entwickelt hat Beide Formen weisen eine Hasta plus Coda Struktur auf Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden besteht darin dass D dextral orientiert ist also nach rechts blickt wahrend d sinistral nach links orientiert ist Damit wird eine Regularitat durchbrochen Die Codae anderer Buchstabenformen wie B b F f h L l P p und R r sind dextral orientiert Eine Ausnahme bildet das q dazu unten bei G zu g An dieser Stelle muss das Kriterium der freien Vertikalhasta eingefuhrt werden Brekle definiert Unter freier Hasta ist derjenige Bestandteil einer Buchstabenform zu verstehen der nicht in seiner ganzen Langenerstreckung von Codateilen umschlossen bzw begrenzt ist zum Beispiel F L P 6 Dieses Kriterium wird nun allerdings in der klassisch romischen Zeit vom Versal D nicht erfullt Der Weg zur Losung des Problems fuhrt uber handschriftliche Varietaten wie sie in Privatbriefen und burokratischen Dokumenten erscheinen s Abb 1 und 8 In Abb 8 erscheint in der 1 Zeile die Wortform DONATOS Das D zeigt ein leichtes Uberschiessen des Codabogens nach oben In Abb 1 weniger formell geschrieben als Abb 8 erscheint in der funften Zeile CEDO Hier ist der Codabogen zu einem geraden schragen Strich mutiert Im Papyrusfragment de bellis macedonicis Abb 7 ein rundes Jahrhundert nach Abb 1 geschrieben sieht man die neue Form des D d schon konventionalisiert Ein letzter Entwicklungsschritt besteht in der Vertikalisierung des schragen alten Codastrichs der damit vollends zur neuen Hasta geworden ist In Erganzung zum oben genannten Kriterium der freien Vertikalhasta ist noch auf die qua Systemzwang entstandene neue Regularitat hinzuweisen Die Verteilung der Ober und Unterlangen der neuen Minuskelformen die sich in ein Vierlinien Schema einpassen regelt sich so dass bei Formen mit einer Codafigur unten an der Hasta diese eine Oberlange zugewiesen bekommt z B b d h l B ist die Vorgangerform von b bei der der obere Codabogen des B mit der Hasta verschmilzt und so eine freie Hasta erzeugt Sitzt die Codafigur oben an der Hasta bekommt diese eine Unterlange f p Der Buchstabe f hat heute nur handschriftlich bzw in der Kursiv Antiqua und Frakturschrift zusatzlich noch eine Unterlange weil dessen oberer Codastrich im Vergleich mit den bogigen Codafiguren optisch als zu schwach erscheint 7 Zu f mit Ober und Unterlange vergleiche in Abb 3 die Namen Humfredus und aba florianus E zu e Bearbeiten In Abb 2 dritte und funfte Zeile erscheinen zwei E Formen die als solche nicht zu erkennen sind Der obere und untere Codastrich des E wird schwach nach rechts eingekrummt und verschmilzt mit der Hasta wird also in einem Zug geschrieben was zum Verlust der ursprunglichen Hasta plus Coda Struktur fuhrt siehe Abb 5 und 6 In letzteren beruhrt der obere Bogen des E e beinahe den mittleren Codastrich Damit ist die karolingische Minuskelform e schon festgelegt siehe Abb 3 G zu g Bearbeiten G ist abzuleiten aus der Form des C dieses wiederum aus der griechischen rechtwinkligen Gamma Form G ist im romischen Alphabet ein neuer Buchstabe der vom C durch Hinzufugung eines kurzen Striches am unteren Halbbogen unterschieden wurde etwa in Abb 2 vierte Zeile und Abb 6 Bei diesen beiden Alphabeten erkennt man eine Entwicklungsstufe Das Hilarius G zeigt einen schwungvollen Abstrich nach links unten Der in der Unterlange nach links umgebogene zweite Feder Zug war notwendig um eine Homomorphiekollision mit der Form q zu verhindern 8 Wichtig fur die Entstehung der karolingischen Form g war das Umbiegen des Abwartsstriches nach links und die Schliessung des Bogens durch den oben angesetzten Abwartsstrich 9 So in Abb 3 gisela in der vierten Zeile und die Varianten in der zweiten Spalte bei hildigarda reg ina Diese Abbildung lasst auch gut erkennen dass mit der Kanonisierung der karolingischen Minuskelschrift als normaler Buchschrift das Stadium unseres heutigen Kleinbuchstabenalphabets schon erreicht war abgesehen von einigen Details wie dem langen s und dem f mit Unterlange in der Druckschrift 10 Schriftentwicklung BearbeitenBrekle schliesst seine Untersuchungen mit dem vorlaufigen Fazit 11 dass in der romischen Alltagskurrentschrift und zeitlich parallelen Buchschriften wesentliche Elemente der spateren buchschriftlichen Minuskelschrift schon angelegt waren die Uberschreitung des alten Zweiliniensystems der Capitalis durch die Ausbildung konsistent und regelgerecht Hasta plus Coda Prinzip verwendeter Ober und oder Unterlangenformen in Richtung auf ein Vierliniensystem und damit im Zusammenhang die Praformierung zahlreicher spaterer minuskelschriftlicher Buchstabenformen Galerie Bearbeiten nbsp Abb 1 Kopie eines Briefs mit Calamus auf Papyrus 1 Jahrhundert v Chr nbsp Abb 2 Schuldverschreibung und pompejianische Graffiti 1 Jahrhundert n Chr nbsp Abb 3 Seite aus dem Liber Viventium Fabariensis 9 Jahrhundert nbsp Abb 4 Papyrusfragment Epitome Livii 2 3 Jahrhundert nbsp Abb 5 Alphabet unvollstandig aus Epitome Livii nbsp Abb 6 Alphabete aus Cyprian und Hilarius nbsp Abb 7 Papyrusfragment de bellis macedonicis 1 2 Jahrhundert nbsp Abb 8 Kopie einer Bestandsaufnahme Mitte 1 Jahrhundert n Chr Literatur BearbeitenHerbert E Brekle Die Antiqualinie von ca 1500 bis ca 1500 Untersuchungen zur Morphogenese des westlichen Alphabets auf kognitivistischer Basis Nodus Munster 1994 ISBN 3 89323 259 1 Herbert E Brekle Neues uber Gross und Kleinbuchstaben Theoretische Begrundung der Entwicklung der romischen Majuskelformen zur Minuskelschrift in Linguistische Berichte Band 155 1995 S 3 21 Herbert E Brekle Die Zahmung pompejianischer Ausschweifungen Historische und theoretische Begrundung unserer heutigen Buchstabenformen in Linguistische Berichte Band 160 1995 S 427 466 Herbert E Brekle Randbedingungen und Gesetzmassigkeiten im historischen Entwicklungsprozess unserer Buchstabenformen in Osnabrucker Beitrage zur Sprachtheorie OBST Band 56 1997 S 1 10 Herbert E Brekle Vom Rinderkopf zum Abc in Spektrum der Wissenschaft April 2005 S 44 51 Herbert E Brekle Nachtrage zum Artikel Vom Rinderkopf zum Alphabet 2010 Agustin Millares Carlo Tratado de paleografia espanola Espasa Calpe 1983 ISBN 978 84 239 4986 1 Jean Mallon Paleographie romaine Scripturae Monumenta et Studia III Madrid 1952Weiterfuhrende Literatur BearbeitenHerbert E Brekle Some Thoughts on a Historico Genetic Theory of the Lettershapes of our Alphabet in W C Watt Hrsg Writing Systems and Cognition Perspectives from Psychology Physiology Linguistics and Semiotics Neuropsychology and Cognition Band 6 Kluwer Dordrecht 1994 S 129 139 ISBN 0 7923 2592 3Einzelnachweise Bearbeiten Brekle 1994 S 57 Vgl Brekle 1994 S 61f und 82 85 Brekle 1994 S 59 vgl dazu Kapitel 3 3 Die Buchstabengestalt Lesen und Schreiben aus kognitivistischer Sicht S 46 64 Siehe Brekle 1995 zwei Aufsatze und Brekle 2005 S 173 191 Vgl dazu Brekle 1994 Kapitel 5 Zur Morphogenese des altsemitischen und nordwestsemitischen Alphabets von ca 1600 bis ca 800 Fur das altgriechische Alphabet vgl Brekle 1994 Kapitel 6 Morphologische Entwicklung des griechischen Alphabets von ca 750 bis ca 1500 Brekle 1994 S 173 Brekle 1994 S 191 Brekle 1994 S 192 Brekle 2005 Brekle 1994 S 192 Siehe Brekle 1994 S 192 Brekle 1994 S 193 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hasta 2BCoda Theorie amp oldid 234882644