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Gemeinplatz auch Allgemeinplatz Floskel oder Phrase ist eine oft abwertend gebrauchte Bezeichnung fur eine Redensart oder Redewendung die sich so abgenutzt hat dass ihr ursprunglicher Sinn zugunsten einer Verwendung als rhetorischer Automatismus in den Hintergrund tritt Mit der Ausserung von Gemeinplatzen kann ein starker Anspruch verbunden sein die Ansichten der Mehrheit der offentlichen Meinung oder des gesunden Menschenverstands zu reprasentieren Ihre allgemeine oder spezifische Gultigkeit wird dabei oft nicht hinterfragt Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Allgemeines 3 Flauberts Worterbuch der Gemeinplatze 4 Beispiele 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHerkunft BearbeitenNach allgemeiner Auffassung handelt es sich bei dem Begriff um eine Lehnubersetzung fur lateinisch locus communis allgemeingultiger Satz allgemein bekannter Ausdruck damit waren in der Antike auswendig gelernte Satze gemeint Die Datierungen der Einfuhrung in die deutsche Sprache reichen vom 15 Jahrhundert 1 bis in das 18 Jahrhundert So soll Wieland diesen Begriff 1770 gepragt haben Andere Autoren vermuten einen Einfluss des englischen common place 2 3 Fruher bezeichnete der Begriff Gemeinplatz einen Topos griechisch topos topos deutsch Ort Platz das heisst einen immer wieder verwendbaren Gesichtspunkt und Kunstgriff in der Rhetorik Fur jeden vorliegenden Fall gibt es eine Reihe von Gesichtspunkten die man beachten muss wenn man seiner Vielschichtigkeit gerecht werden will Das Auffinden dieser Gesichtspunkte erleichtert die von dem griechischen Philosophen Aristoteles begrundete Topik Diese geht davon aus dass sich die unbegrenzte Zahl der Einzelfalle unter eine begrenzte Zahl allgemeiner Gesichtspunkte unterordnen lasst und dass man also auch umgekehrt bestimmte Betrachtungs und Darstellungsweisen auf eine Vielzahl von Einzelfallen anwenden kann Allgemeines BearbeitenDer Gemeinplatz scheint oft nur ein allgemein geteiltes und stabiles Vorurteil zum Ausdruck zu bringen und seine Verwendung Ausdruck fehlender kritischer Distanz zu Situation Sachlage und eigener Person zu sein Dabei ist jedoch fraglich ob der verwendete Gemeinplatz der eigenen Uberzeugung entspricht die vorurteilsbehaftet und kritiklos ware oder gerade einer Aufgabe der eigenen Innerlichkeit zugunsten von Akzeptanz durch Konformitat besteht wie Adorno sie in Jargon der Eigentlichkeit fur einen Spezialfall diagnostiziert Je nachdem ob der erforderliche Tonfall getroffen und die Inklusion gewahrt wird kann dieser Einsatz von Gemeinplatzen jedoch auch als blosse Plattitude aufgenommen werden Gemeinplatze werden aber nicht immer negativ bewertet Wortschablonen haben einen grossen Vorteil Sie erleichtern den Austausch uber unsere inneren und ausseren Erfahrungen Doch manchmal verselbstandigen sie sich auch Jeder von uns tragt seine geliebten Gemeinplatze mit sich herum und lasst seine Mitmenschen daran teilhaben 4 Da Sprache den Menschen nicht nur dabei hilfreich ist neue Gedanken zu entwickeln und zu kommunizieren sondern auch bei der Begrundung und Weiterfuhrung der sozialen Kontakte lassen sich Gelegenheiten vorstellen bei denen Gemeinplatze eine positive Funktion erfullen Pragmatik So kann das wiederholte Aussern einer Binsenweisheit in bestimmten Situationen Mitgefuhl ausdrucken und Trost spenden Rhetorisch kann der Gemeinplatz legitimierend eingesetzt werden vgl Argumentum ad populum Nicht nur einzelne Floskeln Phrasen und Schemata konnen dabei den Charakter von Gemeinplatzen annehmen sondern auch ganze Gesprachssituationen Wenn etwa der Moderator einer Fernsehsendung einem prominenten Gast die rhetorische Frage stellt wie er das Publikum oder die Stadt einschatzt dient dies nur als Aufhanger um dem Gast die Gelegenheit zu geben das Publikum oder die Stadt zu loben und zu bewundern Die ganze Situation dient meist dazu Trivialitaten und formelle Komplimente auszutauschen Es besteht eine gewisse Verwandtschaft zwischen dem Gemeinplatz und dem Faktiod in der ursprunglichen Definition die ein durch Wiederholung in Medien zur unhinterfragten Wahrheit gewordene Geruchte oder andere Behauptungen meint deren Kurs mehr durch ihren Unterhaltungswert oder ihrer Fahigkeit bestehende Erwartungen zu bestatigen bestimmt wird als durch ihren Wahrheitsgehalt Flauberts Worterbuch der Gemeinplatze BearbeitenBei der Recherche nach Gemeinplatz stosst man schnell auf das Worterbuch der Gemeinplatze des franzosischen Romanciers Gustave Flaubert 1821 1880 Diese deutsche Version ist eine Ubertragung keine Ubersetzung wie die Redaktion des Verlags im Vorwort ausfuhrt Im franzosischen Originaltitel Dictionnaire des idees recues taucht die Phrase idees recues auf womit uberkommene Vorstellungen traditionelle Denk und Ausdrucksschemata gemeint sind Darunter gibt es Gemeinplatze aber auch Klischees Kalauer und Witze sowie zu Volksdummheiten geronnene einstige Geistesblitze Es handelt sich also keineswegs ausschliesslich um eine Sammlung von Gemeinplatzen Beispiele BearbeitenNicht fur die Schule fur das Leben lernen wir Uber Geschmack lasst sich nicht streiten Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft Eine kaputte Kindheit ist kein Freifahrtschein fur Mord und Totschlag Am Ende wird alles gut Geld allein macht auch nicht glucklich Man kann das nicht verallgemeinern Man kann nicht alle uber einen Kamm scheren Das muss jeder fur sich selbst entscheiden Et hatt noch emmer joot jejange Alles ist komplexer geworden Ausnahmen bestatigen die Regel Siehe auch BearbeitenWorthulse Banalitat FussballweisheitLiteratur BearbeitenGustave Flaubert Worterbuch der Gemeinplatze Haffmans Zurich 1998 ISBN 3 251 20280 4 Originalausgabe Dictionnaire des idees recues 1911 Irene Meichsner Die Logik von Gemeinplatzen Vorgefuhrt an Steuermannstopos und Schiffsmetapher Abhandlungen zur Philosophie Psychologie und Padagogik 182 Bonn 1983 Wolfgang Pfeifer Etymologisches Worterbuch des Deutschen 2 Auflage dtv Munchen 1993 ISBN 3 05 000626 9 Friedrich Kluge Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache 24 Auflage de Gruyter Berlin 2002 ISBN 3 11 017473 1 Hermann Paul Deutsches Worterbuch Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes 10 Auflage Niemeyer Tubingen 2002 ISBN 3 484 73057 9 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Gemeinplatz Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wiktionary Allgemeinplatz Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wikiquote Gustave Flaubert Worterbuch der Gemeinplatze Zitate The Institution of Silly and Meaningless Sayings Datenbank fur Gemeinplatze in englischer Sprache Einzelnachweise Bearbeiten Kluge 2002 S 344 Pfeifer 1993 S 421 Paul 2002 S 394 Kopp 1996 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gemeinplatz amp oldid 234594418