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Das Fasanenfest war eines der beruhmtesten Feste am Hofe des burgundischen Herzogs Philipps des Guten Anonyme Darstellung aus dem 16 Jahrhundert Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick 2 Verlauf 3 Hintergrund 4 Literatur 5 EinzelnachweiseUberblick BearbeitenUnter all den zahlreichen sich durch unerhorte Prachtentfaltung auszeichnenden Festen am burgundischen Hof nahm das sogenannte Fasanenfest eine besondere Stellung ein Es fand am 17 Februar 1454 in Lille statt Nachdem ein Jahr zuvor Konstantinopel gefallen war sollte die auch im Spatmittelalter nie ganzlich erloschene Kreuzzugsidee durch dieses Fest mit neuem Leben erfullt werden Da der burgundische Hausorden der Orden vom Goldenen Vlies sich unter anderem der Verteidigung des Glaubens verschrieben hatte fuhlte sich der burgundische Herzog Philipp der Gute berufen durch diesen symbolischen Akt die Initiative zu ergreifen Verlauf Bearbeiten nbsp Allegorie mit der Gottin Venus Entwurf fur ein Tafelspiel fur die Hochzeit Karls des Kuhnen 1468Nicht nur die ausserordentliche Fulle an erlesenen Speisen versetzte die Teilnehmer in Erstaunen auch die extravaganten kunstvollen Dekorationen und mechanische Spielereien wie Schiffsmodelle und Zimmerspringbrunnen beeindruckten die Menschen Artisten und dressierte Tiere zeigten ihre Fertigkeiten musikalische Darbietungen wechselten mit allegorischen Schauspielen ab Im Mittelpunkt des Abends aber stand ein lebender Fasan der eine schwere Kette aus Gold und Edelsteinen um den Hals trug Der Riese Hans der sich auch bei anderen Gelegenheiten hervorgetan hatte stellte den Sultan dar Eine die allegorische Gestalt der Frau Kirche verkorpernde Darstellerin beklagte die Eroberung Konstantinopels und forderte die christliche Ritterschaft eindringlich auf ihr zu Hilfe zu kommen Daraufhin gelobte Philipp der Gute und mit ihm alle Herren des Goldenen Vlieses den Kreuzzug zu unternehmen Sie schworen dies bei Gott Unserer Lieben Frau und seltsamerweise auch bei dem Fasan 1 Der Haushofmeister Olivier de la Marche der das Fest organisierte schreibt in seinen Memoiren Die zweite und langste Tafel zeigte vor allem eine riesige Pastete in der zwanzig lebende Personen waren die der Reihe nach auf verschiedenen Instrumenten musizierten Der zweite Tafelaufsatz war ein Schloss nach Art von Lusignan auf dessen Hauptturm sich Melusine in Gestalt einer Schlange befand Von den beiden kleineren Turmen sprang Orangenwasser in die umliegenden Graben Dann war auf einem Hugel eine Windmuhle zu sehen auf deren Dach eine Elster sass nach der Leute aller Stande mit Bogen und Armbrusten schossen Weiterhin sah man auf einem Weinberg ein Fass in dem es zweierlei Getranke gab ein susses und ein bitteres und darauf sass ein wohlgekleideter Mann mit einem Zettel in der Hand auf dem geschrieben stand Wer davon will der nehme Die Art der Bewirtung und die Gerichte selbst waren unerhort prachtig Da war jede Schussel mit 48 verschiedenen Speisen versehen und die Bratenbehalter bestanden aus mit Gold und Blau ausgeschlagenen Wagen Zunachst der Tafel stand eine hohe Anrichte die mit Gold und Silbergeschirr beladen war dazwischen Kristallgefasse die mit Gold und Edelsteinen besetzt waren 2 Inwiefern dies Schauspiel ernst gemeint war lasst sich schwer beurteilen immerhin begab sich im gleichen Jahr der Herzog noch nach Deutschland und verhandelte auf dem Reichstag zu Regensburg mit Kaiser Friedrich III uber die Finanzierung allerdings ohne Erfolg Philipp der Gute stellte das Projekt zuruck und kam dann in den nachfolgenden Jahren nicht mehr dazu es auszufuhren 3 Hintergrund BearbeitenAlle hofischen Feste hatten die Funktion in einem potlachartigen Wettbewerb mit konkurrierenden Furstenhausern und dem aufstrebenden Grossburgertum Macht Reichtum und die aristokratische Tugend der Grosszugigkeit largesse des Fursten zu demonstrieren Des Weiteren boten derartige Veranstaltungen die Gelegenheit durch grosszugige Geschenke verdiente Gefolgsleute zu belohnen und Freundschaften zu festigen Im Falle Burgunds kamen aber noch besondere Motive hinzu Burgund war eine Nation ohne Nationalgefuhl ohne identitatsstiftenden Kern ein Flickenteppich verschiedener Landereien aber kein Land Der alte agrarisch gepragte franzosischsprachige Suden stand dem modernen stadtischen zumeist niederlandisch sprechenden Norden gegenuber Zudem unterstand es lehensrechtlich im Westen dem franzosischen Konig im Osten dem Heiligen Romischen Reich Angesichts dieser heterogenen Struktur der Untertanengebiete der doppelten lehensrechtlichen Abhangigkeit und der dadurch anfechtbaren Legitimitat der burgundischen Herzoge bedurfte es einer andauernden Integration aller Schichten und eines hohen reprasentativen Aufwandes um die eigene Herrschaft fur alle sichtbar und erkenntlich auszudrucken Je unsicherer eine Dynastie ist desto grosser ist ihr Bedarf in Zeremonie und Kunst zu investieren in die magnificience die Grossartigkeit und Erhabenheit des Regenten 4 Schliesslich muss auch an den brennenden Ehrgeiz der Herrscher Burgunds erinnert werden die was Macht und Reichtum bedarf es mit jedem Konig Europas aufnehmen konnten sich aber mit dem bescheidenen Titel eines Herzogs begnugen mussten die ihnen gebuhrende Anerkennung zu erringen Seit dem 1 Kreuzzug hatten es die franzosische Konige verstanden die Kreuzzugsidee mit ihrem Hause zu verknupfen Geschwacht durch den Hundertjahrigen Krieg mit England war Frankreich nicht in der Lage diese Tradition fortzusetzen weshalb Philipp der Gute der eine zunehmend eigenstandige Politik gegenuber Frankreich verfolgte die Gelegenheit ergriff um die vakante prestigetrachtige Position der Kreuzzugsfuhrerschaft zu besetzen In subtilen allegorischen Anspielungen wie etwa der Zurschaustellung einer Quelle des Heiligen Andreas dem Nationalheiligen Burgunds der Auffuhrung der Mysterien des Jason der auf den Hausorden des Goldenen Vlieses verweist und nicht zuletzt des Fasanen selbst der mit der Insel Kolchis dem Herkunftsland des Goldenen Vlieses in Verbindung gebracht wurde 5 sollte auf dem Fasanenfest die Kreuzzugssymbolik mit der Symbolik Burgunds enggefuhrt werden um den Fuhrungsanspruch des burgundischen Herzogtums zu unterstreichen und zu legitimieren Literatur BearbeitenJoseph Calmette Die grossen Herzoge von Burgund Munchen 1996 1949 1963 Christa Dericum Burgund und seine Herzoge in Augenzeugenberichten Dusseldorf 1966 Johan Huizinga Herbst des Mittelalter Studien uber Lebens und Geistesformen des 14 und 15 Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden Stuttgart 1961 Hermann Kamp Burgund Geschichte und Kultur Munchen 2007 Karl der Kuhne Kunst Krieg und Hofkultur Ausstellungskatalog des Historischen Museums Bern 2008 Edward Tabri Political Culture in the early northern Renaissance The court of Charles the Bold Duke of Burgundy 1467 1477 Lewiston Queenston Lampeter 2004 Heribert Muller Jessika Nowak Burgundische Tafelfreuden Das Fasanenfest von Lille 1454 Ein Augenschmaus in Cotta s kulinarischer Almanach XI hrsg von Erwin Seitz Stuttgart Klett Cotta 2003 S 172 186Einzelnachweise Bearbeiten J Calmette 1996 S 268f Ch Dericum 1966 S 189f H Kamp 2007 S 89 Karl der Kuhne 2008 S 22 H Kamp S 89 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fasanenfest amp oldid 235555973