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Die Farrerhypothese oder Farrer Theorie auch Farrer Goulder Hypothese oder Farrer Goulder Goodacre Hypothese genannt ist ein Losungsvorschlag fur das Synoptische Problem Sie geht auf den englischen Theologen Austin Farrer zuruck Die Theorie besagt dass von den synoptischen Evangelien das Markusevangelium zuerst geschrieben wurde gefolgt vom Matthausevangelium und schliesslich dem Lukasevangelium Sie kommt ohne Annahme einer Spruchquelle Sammlung von Jesusworten ublicherweise kurz Q genannt aus Bei der Farrerhypothese wird davon ausgegangen dass das Markusevangelium zuerst geschrieben wurde Das Matthausevangelium wurde geschrieben unter Benutzung von Markus als Quelle Schliesslich schrieb Lukas sein Evangelium in Kenntnis von Markus und Matthaus Farrer verfasste 1955 die Schrift On Dispensing With Q Uber den Verzicht auf Q die sich kritisch mit der gangigen Zweiquellentheorie auseinandersetzte 1 wie sie 30 Jahre fruher prominent von Burnett H Streeter vertreten wurde 2 Laut Farrer hangt die Zweiquellentheorie vollig davon ab dass man nicht glaubt oder glauben will Lukas habe den Matthaustext gekannt denn sonst wurde man naturlicherweise eine Abhangigkeit des einen vom andern annehmen und bestimmt nicht dass beide von einer weiteren Quelle abhingen Die Farrer Theorie hat den Vorteil der Einfachheit Sie kommt mit den vorhandenen Evangelien aus und benotigt keine hypothetischen Quellen Sie wird vor allem von britischen Bibelgelehrten vertreten Farrers Vorschlag wurde verschiedentlich ubernommen und weiterentwickelt namentlich von Michael Goulder University of Birmingham 1927 2010 und Mark Goodacre Duke University North Carolina Inhaltsverzeichnis 1 Farrers Argumente 2 Gegenargumente 3 Die Minor Agreements 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseFarrers Argumente BearbeitenIn seiner Schrift On Dispensing with Q 1955 erlauterte Farrer dass es nicht notig sei eine Logienquelle Q zu postulieren falls der Evangelist Lukas mit dem Matthausevangelium vertraut war Farrers Argumentation besteht aus den folgenden vier Punkten 3 1 Die Q Hypothese wurde aufgestellt um die Frage nach der Herkunft der gemeinsamen Texte im Matthaus und Lukasevangelium zu beantworten fur den Fall dass die beiden Evangelien voneinander unabhangig sind Falls hingegen Lukas das Matthausevangelium gekannt hat ist die Frage die Q beantworten soll hinfallig Die Annahme einer unabhangigen Quelle ware z B dann gerechtfertigt wenn Texte die in Mt und Lk gemeinsam vorkommen sich voneinander stark unterscheiden zusammengefugt aber ein eigenstandiges Werk ergaben mit einem Anfang Hauptteil und einem Ende Dies ist bei Q nicht der Fall 2 Es gibt keinen Hinweis in den fruhen christlichen Schriften dass so etwas wie Q je existierte 3 Die von Gelehrten angestellten Rekonstruktionsversuche von Q aus dem gemeinsamen Stoff von Matthaus und Lukas ergeben eine Quelle die nicht wie ein Evangelium aussieht 3a Obwohl viele Gelehrte Q ursprunglich fur ein Evangelium in Spruchform hielten also fur eine Sammlung ohne erzahlende Elemente umfassen alle mutmasslichen Rekonstruktionen von Q die Erzahlungen uber Johannes den Taufer die Taufe Jesu und seine Versuchung in der Wuste sowie die Heilung des Knechtes des Hauptmanns Wenn eine Spruchsammlung wie Q als eine Art Handbuch der Lehre Christi geschrieben worden ware mussten immer wieder bedeutende Erzahlelemente dazwischengeschoben werden und sie musste ein Interesse an der Symbolik des Alten Testaments zeigen 3b Trotzdem enthalten die Rekonstruktionen von Q keinen Bericht uber Jesu Tod und Auferstehung 3c In den fruhesten christlichen Schriften sieht man eine starke Betonung auf den Elementen die das angebliche Q auslasst Jesu Tod und Auferstehung 4 Manche Gelehrte versuchten die mit Q verbundenen Probleme durch den Hinweis zu uberwinden dass der tatsachliche Inhalt von Q nicht bekannt sei Sie taten dies obwohl die gleichen Probleme uberwunden werden konnten wenn man bloss die Bekanntschaft von Lukas mit dem Matthausevangelium annahme Gegenargumente BearbeitenFarrers zweites Argument wurde durch die Entdeckung des Thomasevangeliums Thom Ev geschwacht Das ThomEv ist eine vermutlich aus dem 2 Jahrhundert stammende Spruchsammlung Sie wurde 1959 erstmals auf Englisch herausgegeben 4 vier Jahre nach Farrers Buch Gegen Farrers erstes bzw viertes Argument brachte Streeter funf Argumente vor warum das Lukasevangelium unmoglich auf dem Matthaustext beruhen konne worauf Farrer wiederum wie folgt konterte Lukas hatte einige der Matthaustexte nicht weggelassen da sie so eindrucksvoll seien Farrer erwiderte er habe sie ausgelassen weil sie nicht zu seinem literarischen Gesamtaufbau passten dd Lukas habe manchmal eine urtumlichere Version eines Textes bewahrt den man auch bei Matthaus findet Farrer kritisierte die Annahme dass man die urtumlichere Textversion identifizieren konne z B passe das Selig die Armen im Geist gut zur Theologie des Matthaus aber fur Lukas sei es naturlich gewesen das Element im Geist fallen zu lassen da dies zu seinem Anliegen fur die materiell Armen passe dd Lukas folge der Reihenfolge des Markus aber nicht jener des Matthaus Farrer fragte zuruck warum er letzteres hatte tun sollen Ist es uberraschend dass er seinen Plan auf den Fundamenten des Markus aufbaut und sich bei Matthaus Materialien herausbricht um sein Gebaude zu errichten dd Lukas nutze das markinische Material weniger gut als Matthaus Farrer erwiderte dass dies moglicherweise so sei Lukas aber nicht der erste Bearbeiter ware der ein weniger kunstfertiges Ergebnis hervorbringe Die Botschaft die Lukas vermitteln wollte sei bei ihm der massgebende Aspekt fur die Anordnung der Texte gewesen dd Lukas benutze die Texte innerhalb derselben Markus Abschnitte wie Matthaus Farrer hob hervor dass Lukas sie aus einem Markus Kontext herausnahm und an einem anderen Ort wiedergab In Lukas 10 18 baue er die Lehrstucke so wieder zusammen dass sie die Punkte hervortreten liessen die er hervortreten lassen wolle oft indem er Ausspruche Jesu zusammenstellte die zuvor nicht beieinander gestanden haben Dies konnte in der Absicht geschehen sein eine Art christliches Deuteronomium zu schaffen gerade so wie dafur argumentiert wurde dass das Matthausevangelium die Form eines christlichen Pentateuchs haben sollte dd Die Minor Agreements BearbeitenDas bemerkenswerteste Argument fur Farrers Hypothese sind die vielen Stellen wo der Text von Matthaus und Lukas miteinander ubereinstimmen aber leicht vom Markustext abweichen die Minor Agreements geringfugige Ubereinstimmungen Dies ergibt sich ganz naturlich wenn Lukas den Matthaus und Markustext benutzte ist aber kaum erklarlich falls er den Markustext und Q benutzte Dabei ist die Kernfrage wenn Matthaus und Lukas die entsprechenden Abschnitte von Markus ubernommen hatten warum sie sich dann in fast identischer Weise in einer grossen Anzahl und in gleicher Art gegen Markus entschieden haben und zwar auf eine Weise dass in vielen Fallen dieselben Satze bzw Satzglieder aus dem Markustext ausgelassen wurden 5 Die Folge waren wortwortliche Ubereinstimmungen von Matthaus und Lukas bei der Ubernahme von Szenen aus dem Markustext die aber bei den beiden Autoren in genau der gleichen Weise von Markus abweichen Wenn Matthaus oder Lukas von Markus abgeschrieben hatten ware auch der Wortlaut von Markus durch Weglassen oder Hinzufugen von Texten in differenter Weise abgeandert worden Solche Abanderungen durften jedoch von zufalligen Ausnahmen und wenigen nachtraglichen Harmonisierungen weiterer Redaktoren abgesehen bei Matthaus und Lukas nie gleich sein wenn keiner der beiden den Text des anderen kannte Zwei Formen der minor agreements werden unterschieden eine negative Form das sind dieselben Auslassungen eine positive Form das sind gemeinsame andere Formulierungen als bei Markus und Worter bzw ein Wortgebrauch uber Markus hinaus 6 Streeter teilte die Minor Agreements in sechs Gruppen ein und stellte fur jede Gruppe eine Hypothese auf um die Ubereinstimmung zu erklaren Farrers Kommentar dazu Sein Streeters Argument hat seine Starke darin dass er sich jeweils nur wenige Male auf eine seiner Hypothesen berufen muss aber der gegnerische Anwalt wird erbarmungslos darauf hinweisen dass die Verringerung der Einzelfalle fur jede Hypothese genau der Vervielfachung der Hypothesen entspricht Man kann nicht sagen dass man Dr Streeters Pladoyer nicht unterstutzen konnte aber man muss zugeben dass es ein Pladoyer gegen die offenkundige Beweislage ist Siehe auch BearbeitenZweiquellentheorie Marcion Prioritat Zwei Evangelien Theorie LiterarkritikWeblinks BearbeitenAustin Farrer On Dispensing With Q Memento vom 1 Februar 2009 im Internet Archive Mark Goodacre The Case Against Q Webseite Stephen C Carlson Uberblick uber die vorgeschlagenen Losungen des Synoptischen ProblemsEinzelnachweise Bearbeiten D E Nineham Hrsg Studies in the Gospels Essays in Memory of R H Lightfoot Oxford 1955 abrufbar unter Archivlink Memento vom 1 Februar 2009 im Internet Archive Burnett H Streeter The Four Gospels A Study of Origins London 1924 Austin M Farrer On Dispensing with Q In D E Nineham Hrsg Studies in the Gospels Essays in Memory of R H Lightfoot Oxford 1955 S 55 88 A Guillaumont Henri Charles Puech Gilles Quispel Walter Till Yassah Abd Al Masih Hrsg The Gospel According to Thomas E J Brill and Harper amp Brothers Leiden 1959 Karl Jaros Das Neue Testament und seine Autoren Eine Einfuhrung UTB 3087 Theologie Religion Bohlau Koln Weimar Wien 2008 ISBN 978 3 8252 3087 6 S 40 Gerd Hafner Das synoptische Problem Das synoptische Problem und die Zwei und die Zwei Quellen Sommersemester 2013 S 6 auf www kaththeol uni muenchen de 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Farrerhypothese amp oldid 230441414