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Expansives Lernen bezeichnet in der Kritischen Psychologie eine Form des selbstbestimmten Lernens selbstbestimmtes Lernen bei dem das Subjekt lernend seine Handlungsfahigkeit erweitert und weil es so weniger an andere ausgeliefert und fremdbestimmt ist seine Lebensqualitat erhoht Klaus Holzkamp entwickelte diesen Begriff im Rahmen seiner Lerntheorie anhand einer Kritik der Institution Schule in der durch die autoritare Vermittlung des von aussen in Lehrplanen festgelegten Wissens an die Schuler ein defensives oder widerstandiges Lernen vorherrscht Inhaltsverzeichnis 1 Konzept 2 Expansives Lernen in der kulturhistorischen Tatigkeitstheorie 3 Bezug zu anderen Ansatzen 4 LiteraturKonzept BearbeitenDie Kritische Psychologie will den Menschen eine Theorie an die Hand geben mit der sie eigene Lernerfahrungen und schwierigkeiten besser verstehen konnen Deshalb geht Holzkamps Lerntheorie vom Standpunkt der lernenden Subjekte und nicht von einem normativ gesetzten Bildungsideal aus Dieser subjektwissenschaftliche Lernansatz grenzt sich vor allem gegen zwei Aspekte anderer Ansatze ab Zum einen wendet er sich gegen die Entoffentlichung des Lernsubjekts in padagogischen Theorien Konzepten und Diskursen prominent v a im Lehr Lern Kurzschluss zum anderen gegen die Praxis des subjektlosen Lernens das heisst gegen die vielfaltig hergestellten Notigungen Menschen ohne eine eigene Lernproblematik zum Lernen zu bringen Langemeyer 2005 Kap 3 Lernen allgemein bedeutet in der Kritischen Psychologie die Aneignung einer Gegenstandsbedeutung durch ein lernendes Subjekt Lerngegenstande konnen nicht nur konkrete Dinge und Werkzeuge sein etwa wenn ein Kind die Bedeutung und damit auch die Benutzung eines Loffels lernt sondern auch abstrakte und symbolische Zusammenhange Musik etwa Die Gegenstandsbedeutungen sind laut dieser Lerntheorie gesellschaftlich vorstrukturiert und festgelegt Um innerhalb einer Gesellschaft handlungsfahig zu sein mussen Menschen sich diese Bedeutungen aneignen Allerdings konnen sie sich immer kritisch zu diesen Gegenstandsbedeutungen verhalten etwa einen Stuhl mit der Gegenstandsbedeutung Zum Sitzen auch zum Draufstellen benutzen Beim expansiven Lernen stosst die lernende Person von sich aus auf Grenzen in ihrem Handeln etwa kann sie sich in einer fremden Sprache nicht verstandigen Aus dieser Handlungsproblematik wird eine Lernproblematik wenn die Person aus ihrem eigenen Interesse heraus nun zu einer Lernhandlung ubergeht und sich die fremde Sprache als Lerngegenstand erschliesst etwa durch einen Sprachkurs Ist die Lernschleife erfolgreich vollzogen hat die lernende Person durch ihre neuen Kenntnisse an Handlungsfahigkeit gewonnen also expansiv ihre eigenen Handlungsspielraume erweitert Da das Konzept des expansiven Lernens vom begrundeten Eigeninteresse des lernenden Menschen ausgeht wendet es sich gegen die vorherrschenden Motivationstheorien die eine fremdbestimmte Motivierung von aussen anstreben Expansives Lernen ist nur moglich wenn der oder die Lernende die Sinnhaftigkeit des Lernziels einsieht und fur sich ubernimmt Expansives Lernen in der kulturhistorischen Tatigkeitstheorie BearbeitenIn der Tatigkeitstheorie des finnischen Padagogen Yrjo Engestrom gibt es ebenfalls einen Begriff des expansiven Lernens Engestroms Theorieentwicklung schliesst teilweise an Holzkamps Grundlegung der Psychologie an In seiner Dissertation von 1987 Learning by Expanding wird der Ausdruck des expansive learning in englischsprachiger Literatur eingefuhrt Holzkamp hat den deutschen Ausdruck expansives Lernen in seinem Buch Lernen eingefuhrt und bezieht sich darin teilweise auf Engestrom Lernen geschieht fur Engestrom nicht nur in der Form dass Menschen Wissen in sich aufnehmen sondern auch in der tatigen Veranderung ihrer Umwelt und ihrer Lebensbezuge In Forschungsprojekten die eine Art Handlungsforschung darstellen wird expansives Lernen in institutionellen oder betrieblichen Zusammenhangen zu fordern versucht Ein institutioneller oder betrieblicher Zusammenhang wird als Tatigkeitssystem verstanden in welchem die Subjekte mit Hilfe von Artefakten Medien Werkzeugen Maschinen oder anderen Instrumenten auf ihre Welt einwirken wobei sie dies nicht einfach als isolierte Individuen tun sondern als Mitglieder einer bestimmten Gemeinschaft die ihre Regeln und bestimmte arbeitsteilige Strukturen hat Um Tatigkeitssysteme neu zu entwerfen oder bestehende weiterzuentwickeln wird das expansive Lernen in acht Schritten modelliert Aufwerfen von Fragen Questioning Need State Analyse der Vergangenheit Analyse der aktuellen Situation die beiden hier genannten Analysen sind in a und b unterteilt Man kann also streng genommen sagen dass es nur sieben Schritte sind Modellierung gemeinsamer Losungen Testen des neuen Modells Besprechung weiterer Widerspruche Gemeinsame Reflexion des Prozesses Festigung der neuen PraxisBezug zu anderen Ansatzen BearbeitenSowohl Holzkamps Lerntheorie als auch Engestroms Ansatze berufen sich auf die Arbeiten der sogenannten kulturhistorischen Tatigkeitstheorie einem psychologischen Ansatz der in den 1920er Jahren in der Sowjetunion von Forschern wie Lew Semjonowitsch Wygotski Alexander Romanowitsch Lurija und Alexej Leontjew begrundet wurde Wahrend das Engestrom Schema stark auf Optimierung bestehender Ablaufe innerhalb oder zwischen mehreren Tatigkeitssystemen zielt und einem Lernen von Organisationen ahnelt hat die Holzkampsche Lerntheorie einen gesellschaftskritischen Anspruch der auf die Emanzipation des Einzelnen gegenuber fremdbestimmten Lernanforderungen abzielt Holzkamp besteht darauf dass gesellschaftliche Umwalzungen nicht vom Einzelnen sondern nur kollektiv geleistet werden konnen dass also nicht jede Handlungsbeschrankung durch expansives Lernen aufgehoben werden kann So eroffnet der Ansatz des expansiven Lernens den Weg zu einer an Selbstbestimmung orientierten Padagogik die den Lernenden nicht als Objekt sondern als Subjekt fasst Literatur BearbeitenKlaus Holzkamp Lernen Subjektwissenschaftliche Grundlegung Frankfurt am Main Campus 1993 ISBN 3 593 35317 2 Yrjo Engestrom Lernen durch Expansion Internationale Studien zur Tatigkeitstheorie Marburg BdWi Verlag 1999 ISBN 3 924684 75 8 Englische Originalausgabe von 1987 Yrjo Engestrom Developmental Work Research Expanding Activity Theory In Practice Berlin ICHS 2005 ISBN 3 86541 069 3 Yrjo Engestrom Entwickelnde Arbeitsforschung Die Tatigkeitstheorie in der Praxis Berlin ICHS 2008 ISBN 3 86541 279 3 Ines Langemeyer Kompetenzentwicklung zwischen Selbst und Fremdbestimmung Arbeitsprozessintegriertes Lernen in der Fachinformatik Eine Fallstudie Munster Waxmann Verlag 2005 ISBN 3 8309 1555 1 Ines Langemeyer Contradictions in expansive learning Towards a critical analysis of self dependent forms of learning in relation to contemporary socio technological change Forum Qualitative Sozialforschung Vol 7 Nr 1 Art 12 2006 Learning at Risk 1 Michael Bannach Selbstbestimmtes Lernen Baltmannsweiler 2002 ISBN 3 89676 525 6 Rihm Thomas Hg Teilhaben an Schule Uber den wirksamen Einfluss auf Schulentwicklung 2 Auflage Vs Verlag 2010 P Faulstich J Ludwig Expansives Lernen Grundlagen der Berufs und Erwachsenenbildung Band 39 Schneider Verlag Hohengehren GmbH Baltmannsweiler 2004 Rihm Thomas Hg Schulentwicklung Vom Subjektstandpunkt ausgehen Wiesbaden VS Verlag 2006 ISBN 978 3 531 14857 1 Funke E H Rihm Thomas Hg Subjektsein in der Schule Eine Auseinandersetzung mit dem Lernbegriff Klaus Holzkamps Bad Heilbrunn Klinkhardt 2000 ISBN 3 7815 1076 X Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Expansives Lernen amp oldid 181579708