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Die Europaische Charta der kommunalen Selbstverwaltung Originaltitel englisch European Charter of Local Self Government franzosisch Charte europeenne de l autonomie locale vom 15 Oktober 1985 verpflichtet die Vertragsstaaten zur Anwendung von volkerrechtlichen Grundregeln die die politische verwaltungsmassige und finanzielle Selbstandigkeit der Gemeinden gewahrleisten Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungsgeschichte 2 Ziel und Inhalt der Charta 3 Durchsetzung der Charta 4 Mitglieder 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseEntstehungsgeschichte BearbeitenAm I Europaischen Gemeindetag vom 17 und 18 Oktober 1953 in Versailles haben die im Rate der Gemeinden Europas uber die Grenzen hinweg vereinten Gemeinden die Europaische Charta der Gemeindefreiheiten einstimmig verabschiedet um im Interesse ihrer Burger ein freies und friedliches Europa zu schaffen Sie haben damit ihre durch Jahrtausende geheiligten Rechte als eines der Fundamente der Menschenfreiheit erneut festgelegt weil sie bedroht und vielerorts vernichtet worden seien Der Rat der Gemeinden Europas kundigte an diese Rechte zu verteidigen und forderte dass sich hinter jede im Kampf um ihre Rechte stehende Gemeinde die gesammelte Macht aller Gemeinden stellen solle 1953 wurde auch gefordert dass jeder Burger in der Erkenntnis seiner Verpflichtung als Mitglied der Gemeinde zur Mitarbeit an ihrer gesunden Entwicklung aktiv am Gemeindeleben teilnimmt Allerdings gibt es in den meisten europaischen Staaten keine Wahlpflicht und mit dem Instrument Burger gegen ihren Willen zu Ehrenamtern wie der Tatigkeit als Wahlhelfer oder Schoffen heranzuziehen gehen Gemeindeverwaltungen in der Regel eher behutsam um Die Pflicht zur politischen Partizipation der Burger einer Gemeinde ist vor allem moralischer Natur In dem Bestreben die Bestimmungen der Europaischen Charta der Gemeindefreiheiten justitiabel d h einklagbar und fur alle Mitgliedstaaten des Europarates verbindlich zu machen wurde eine neue Charta als Konvention von einem Komitee von Regierungsexperten innerhalb des Europarates unter der Aufsicht des Steuerausschusses fur regionale und kommunale Angelegenheiten ausgearbeitet Dieser stutzte sich auf einen Entwurf der Standigen Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas heute Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates Das Europaische Charta der kommunalen Selbstverwaltung genannte Regelwerk wurde ab 15 Oktober 1985 von den Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet und trat am 1 September 1988 in Kraft Mittlerweile haben alle Mitgliedstaaten des Europarates die Charta ratifiziert Als 47 Staat hat San Marino die Charta am 29 Oktober 2013 ratifiziert Der wesentliche Unterschied beider Chartas besteht darin dass das neuere Regelwerk von der reprasentativen Demokratie als Normalfall politischer Willensbildung ausgeht So bestimmt Art 3 Abs 2 dass das Recht auf kommunale Selbstverwaltung von Raten oder Versammlungen ausgeubt wird deren Mitglieder aus freien geheimen gleichen unmittelbaren und allgemeinen Wahlen hervorgegangen sind und die uber Exekutivorgane verfugen konnen die ihnen gegenuber verantwortlich sind Der Ruckgriff auf Burgerversammlungen Volksabstimmungen oder jede sonstige Form unmittelbarer Beteiligung der Burger durfe nur dann erfolgen wenn er vom Gesetzgeber des Mitgliedstaates zugelassen worden sei Ziel und Inhalt der Charta BearbeitenDer Zweck der Charta ist es gemeinsame und messbare europaische Standards fur den Schutz der Rechte lokaler Behorden und gewahlten Einwohnervertretungen festzulegen um dem Burger die Moglichkeit zu geben an den Entscheidungsprozessen teilzunehmen die seinen unmittelbaren Lebensraum betreffen Die Europaische Charta der kommunalen Selbstverwaltung besteht aus einer Praambel sowie drei Teilen Die unterzeichnenden Mitgliedstaaten des Europarates weisen in der Praambel der Charta darauf hin dass die kommunalen Gebietskorperschaften eine der wesentlichen Grundlagen jeder demokratischen Staatsform sind und dass das Recht der Burger auf Mitwirkung an den offentlichen Angelegenheiten einer der demokratischen Grundsatze ist die allen Mitgliedstaaten des Europarates gemeinsam sind und sie sind uberzeugt dass dieses Recht auf kommunaler Ebene am unmittelbarsten ausgeubt werden kann Der Schutz und die Starkung der kommunalen Selbstverwaltung erachten sie als wichtigen Beitrag zum Aufbau eines Europas das sich auf die Grundsatze der Demokratie und der Dezentralisierung der Macht grundet Im ersten Teil der Charta werden die materiellen Garantien des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung dargelegt Die Charta mochte dass der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung gesetzlich wenn moglich in der Verfassung verankert wird und dass die Gemeindevertreter in allgemeinen Wahlen bestimmt werden Die Gemeinden sollen innerhalb des gesetzlichen Rahmens ihre offentlichen Angelegenheiten selbstverantwortlich zum Wohl ihrer Einwohner regeln konnen Offentliche Aufgaben sollen auf der burgernahsten Ebene wahrgenommen und nur an eine hohere Ebene delegiert werden wenn die Erledigung auf der unteren Ebene nicht sachgerecht moglich ist Subsidiaritatsprinzip Die Charta enthalt Grundsatze zum Schutz der Gemeindegrenzen zur Struktur der Verwaltung zur Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben und Zustandigkeiten zur kommunalen Steuerhoheit zur Rechts und Fachaufsicht uber die Gemeinden zu den Finanzmitteln der Gemeinden und zum Rechtsschutz der kommunalen Selbstverwaltung Der zweite Teil der Charta enthalt verschiedene Vorschriften bezuglich der Verpflichtungen die die Parteien durch die Unterzeichnung der Charta eingehen Hierbei soll ein realistischer Ausgleich zwischen dem Schutz der fundamentalen Prinzipien sowie der notigen Flexibilitat die die Charta aufgrund der rechtlichen und institutionellen Unterschiede der verschiedenen Mitgliedstaaten behalten muss gewahrleistet werden Die Charta erlaubt den Parteien ausdrucklich bestimmte Vorschriften der Charta von der Gultigkeit in ihrem Hoheitsgebiet auszuschliessen Hiermit soll auf der einen Seite die Zielsetzung ein Minimum an fundamentalen Grundsatzen zu schutzen respektiert werden Auf der anderen Seite wird anerkannt dass die kommunale Selbstverwaltung die Struktur und den Aufbau verschiedener Nationalstaaten betrifft Jede Vertragspartei geht die Verpflichtung ein sich durch mindestens zwanzig Absatze des Teiles I der Charta als gebunden zu betrachten Grundsatzlich gelten die Regelungen der Charta fur alle Formen und Ebenen kommunaler Gebietskorperschaften Allerdings konnen die Parteien bestimmte Formen von Gebietskorperschaften vom Anwendungsbereich der Charta ausnehmen Fur die Bundesrepublik Deutschland gibt es insgesamt zwei Erklarungen zur Gultigkeit der Charta Demnach gilt die Charta in der Bundesrepublik Deutschland fur Gemeinden und Kreise in Rheinland Pfalz auch fur Verbandsgemeinden Ausserdem gibt es eine Einschrankung zu Art 9 III der Charta der besagt dass Teile der Finanzmittel aus kommunalen Steuern und Gebuhren stammen mussen bei denen die kommunalen Gebietskorperschaften das Recht haben den Hebesatz im gesetzlichen Rahmen festzulegen In der Bundesrepublik ist dieser Absatz nur auf Gemeinden nicht aber auf Kreise und rheinland pfalzische Verbandsgemeinden anwendbar Der dritte Teil enthalt die Schlussbestimmungen Unterzeichnung Ratifizierung Inkrafttreten Gebietsklausel Kundigung und Notifikation der Charta Durchsetzung der Charta BearbeitenDie Charta enthalt die Verpflichtung der Parteien alle relevanten Informationen uber Rechtsvorschriften und sonstige Massnahmen die sie erlassen an den Generalsekretar des Europarates zu ubermitteln um die Bestimmungen der Charta einzuhalten Ausserhalb dieser Pflicht sieht die Charta kein institutionalisiertes System der Kontrolle ihrer Anwendung vor Zunachst war daruber nachgedacht worden ein internationales Uberwachungssystem analog zu dem der Europaischen Sozialcharta aufzubauen Allerdings wurde diese komplexe Uberwachungsmaschinerie schliesslich als entbehrlich eingestuft da der Kongress der Gemeinden und Regionen als Organ des Europarates mit direktem Zugang zum Ministerkomitee in der Lage sein wurde eine ausreichende politische Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben der Charta durch die Mitgliedstaaten zu gewahrleisten Die Charta ist fur den Kongress der Gemeinden und Regionen ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung und zum Schutz des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung in ganz Europa und ist als dieses vor allem aufgrund der hohen Anzahl der Ratifizierungen auch sehr akzeptiert Die Einhaltung der Vorschriften wird im Rahmen von Monitoringberichten des Kongresses evaluiert Diese Berichte und etwaige Eingriffe in das Recht der kommunalen Selbstverwaltung werden im institutionellen Ausschuss und im Plenum diskutiert Der Kongress wendet sich mit seinen Empfehlungen direkt an das Ministerkomitee des Europarates Mitglieder Bearbeiten47 Staaten haben die Charta ratifizert 1 Albanien Andorra Armenien Aserbaidschan Belgien Bosnien Herzegowina Bulgarien Danemark Deutschland Estland Finnland Frankreich Georgien Griechenland Irland Island Italien Kroatien Lettland Liechtenstein Litauen Luxemburg Malta Monaco Montenegro Niederlande Nordmazedonien Norwegen Osterreich Polen Portugal Republik Moldau Rumanien Russische Foderation San Marino Schweden Schweiz Serbien Slowakische Republik Slowenien Spanien Tschechische Republik Turkei Ukraine Ungarn Vereinigtes Konigreich ZypernSiehe auch BearbeitenEuroparat Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates Kammer der Gemeinden Europaische Charta der Regional oder Minderheitensprachen Europaische Stadtecharta Charta uber die Beteiligung der Jugendlichen am Leben der Gemeinden und Regionen Europaisches Ubereinkommen uber die Beteiligung von Auslandern am kommunalen offentlichen Leben Europaisches LandschaftsubereinkommenLiteratur BearbeitenAdolf Gasser Gemeindefreiheit als Rettung Europas Grundlinien einer ethischen Geschichtsauffassung Verlag Bucherfreunde Basel 1947 Die Europaische Charta der kommunalen Selbstverwaltung kann als Umsetzung der in diesem Werk enthaltenen Grundsatze in volkerrechtliche Normen betrachtet werden Weblinks BearbeitenHomepage Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates Memento vom 19 August 2006 im Internet Archive Europaische Charta der kommunalen Selbstverwaltung in der amtlichen Ubersetzung Deutschlands Erlauternder Bericht zur Europaischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung englisch Einzelnachweise Bearbeiten Europaische Charta der kommunalen Selbstverwaltung MitgliederBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Werk GND 4224502 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Europaische Charta der kommunalen Selbstverwaltung amp oldid 216760573