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Das Elberfelder System auch Elberfelder Modell der Armenfursorge entstand in den 1850er Jahren und war der Versuch die kommunale Armenverwaltung an die Bedingungen der entstehenden Industriegesellschaft anzupassen Es entstand in der Stadt Elberfeld heute Stadtteil von Wuppertal und wurde in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts von zahlreichen Stadten ubernommen Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Funktionsprinzipien 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseEntstehung und Funktionsprinzipien BearbeitenDie Textilstadte Barmen und Elberfeld gehorten in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts zu den Pionierstadten der Industrialisierung in Deutschland Auch bereits durch Zuwanderung nahm die Bevolkerung stark zu und die Stadte gehorten zu den am dichtesten besiedelten Kommunen in Deutschland So wuchsen die beiden Stadte vor allem durch Zuwanderung zwischen 1810 und 1840 von 19 000 bzw 16 000 auf 40 000 bzw 31 000 Einwohner Der Anteil der Armen war uberproportional hoch Die uberkommene zentral geleitete stadtische Armenverwaltung erwies sich als zu teuer und ineffizient um mit diesen Problemen fertigzuwerden Mit dem 1853 eingefuhrte Elberfelder System versuchte man die Struktur der Fursorge an die neuen Bedingungen anzupassen Das System war an der Armenordnung der Stadt Elberfeld vom 9 Juli 1852 orientiert und basierte auf vier Prinzipien 1 Individualisierung der Unterstutzungsleistung Dezentralisierung der Entscheidungskompetenz ehrenamtliche Durchfuhrung von Aufgaben offentlicher Verwaltung Bestimmung von Zustandigkeiten nach rein raumlichen Kriterien Zunachst wurde die Armenverwaltung dezentralisiert Unterhalb der gesamtstadtischen Armendeputation wurden in den Stadtbezirken weitere Deputationen eingerichtet in deren Auftrag Armenpfleger tatig waren Ein weiteres zentrales Prinzip war die Ehrenamtlichkeit der Armenpfleger Diese kamen meist aus den Mittelschichten kleine Beamte Handwerker oder Kaufleute Burger waren verpflichtet das Amt eines Verwalters oder Pflegers anzunehmen Die grossere Zahl der ehrenamtlichen Helfer verringerte fur die einzelnen Armenpfleger die Zahl der zu betreuenden Klienten und fur das System die Kosten Ein weiteres Prinzip des Systems war die Hilfe zur Selbsthilfe Offenbar ging man davon aus dass ein betrachtlicher Teil der Armen nicht willig war etwas an ihrer Situation zu andern Daher wurden die Unterstutzungsleistungen auf zwei Wochen begrenzt Weitere Leistungen mussten erneut bewilligt werden In Elberfeld waren ausschliesslich Manner fur dieses Ehrenamt zugelassen Im Jahr 1880 grundete die Armenverwaltung um den Mangel an mannlichen Ehrenamtlichen auszugleichen den Elberfelder Frauenverein zur Unterstutzung Hilfsbedurftiger 2 Das Elberfelder System war ein im Liberalismus wurzelndes Konzept das jedoch schon Vorlaufer im 18 Jahrhundert besass So entstand schon 1788 in Hamburg das Hamburger Armensystem Die Stadt wurde dort in 60 Bezirke mit je drei ehrenamtlichen Armenpflegern eingeteilt Beeinflusst wurde es auch durch das durch den Theologen Thomas Chalmers etablierte kirchliche System der Armenpflege das auf Hausbesuchen durch Ehrenamtliche basierte 3 Das Elberfelder System wurde von Munster Koln Breslau Berlin und zahlreichen weiteren Stadten ubernommen In Berlin erhielten Frauen gegen den Widerstand von Mannern die Moglichkeit das Ehrenamt auszuuben dort waren es 35 Frauen unter 4 000 Ehrenamtlichen und zuvor hatten die ehrenamtlich tatigen Manner angedroht im Fall der Teilnahme von Frauen ihr Ehrenamt niederzulegen 2 Die Teilnahme von Frauen eroffnete diesen eine in der damaligen Gesellschaft seltene Moglichkeit zur Beteiligung am offentlichen Leben Erst 1896 empfahl der Deutsche Verein fur Armenpflege und Wohltatigkeit den Kommunen ihre Armenordnung zugunsten der Mitwirkung von Frauen zu revidieren 2 Auch international wurde das Elberfelder System zum Vorbild So wurde es durch die Charity Organisation Society COS in England aufgegriffen und experimentell in Liverpool Braford Sheffield und Leeds umgesetzt diese Versuche scheiterten aber mangels Unterstutzung 4 5 Das Elberfelder System wurde wie 1891 in Amsterdam durch die 1871 gegrundete Genossenschaft Liefdadigheid naar Vermogen ubernommen die wiederum an der COS ausgerichtet war 6 Im letzten Drittel des 19 Jahrhunderts nahm in der Phase der Hochindustrialisierung insbesondere durch Zuwanderung die Zahl der Bedurftigen allerdings vielerorts noch einmal zu und die ehrenamtliche Armenfursorge stiess an die Grenzen ihrer Leistungsfahigkeit Vor allem in den Grossstadten kehrte man mit dem Strassburger System zu einer starkeren Zentralisierung und zur Professionalisierung der Armenpflege zuruck Im Strassburger System nahmen auch Frauen teil allerdings in einer nach Geschlechtern hierarchisierten Form An das Elberfelder System erinnert das Elberfelder Armenpflegedenkmal Siehe auch BearbeitenAllgemeine Armenanstalt Elberfeld Allgemeine Armenanstalt Hamburg Literatur BearbeitenGerhard Deimling 150 Jahre Elberfelder System Ein Nachruf In Geschichte im Wuppertal 12 2003 ISSN 1436 008X S 46 57 Wolfgang R Krabbe Die deutsche Stadt im 19 und 20 Jahrhundert Eine Einfuhrung Kleine Vandenhoeck Reihe 1543 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1989 ISBN 3 525 33555 5 S 100 f Barbara Lube Mythos und Wirklichkeit des Elberfelder Systems In Karl Hermann Beeck Hrsg Grunderzeit Versuch einer Grenzbestimmung im Wuppertal Schriftenreihe des Vereins fur Rheinische Kirchengeschichte 80 Rheinland Verlag u a Koln u a 1984 ISBN 3 7927 0811 6 S 158 184 Weblinks BearbeitenHausarbeit zum Vergleich des Hamburger und Elberfelder Systems der Armenfursorge Christoph Sachsse Traditionslinien burgerschaftlichen Engagements in Deutschland In Aus Politik und Zeitgeschichte B 9 2002 Einzelnachweise Bearbeiten Christoph Sachsse Florian Tennstedt Sechstes Kapitel Armenfursorge soziale Fursorge Sozialarbeit Abschnitt c Die Reform der Organisationsprinzipien stadtischer Armenfursorge Vom Elberfelder zum Strassburger System In Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte Beck Band 4 1870 1918 1991 S 411 440 S 414 a b c Constance Engelfried Corinna Voigt Kehlenbeck Gendered Profession Soziale Arbeit vor neuen Herausforderungen in der zweiten Moderne VS Verlag fur Sozialwissenschaften 2010 ISBN 9783531923031 S 32 Haald Beutel Die Sozialtheologie Thomas Chalmers 1780 1847 und ihre Bedeutung fur die Freikirchen Eine Studie zur Diakonie der Erweckungsbewegung Vandenhoeck amp Ruprecht 2007 ISBN 978 3 525 62396 1 R Humphreys Poor Relief and Charity 1869 1945 The London Charity Organisation Society Palgrave Macmillan UK 2001 ISBN 978 1 4039 1951 9 S 17 R Humphreys Sin Organized Charity and the Poor Law in Victorian England Palgrave Macmillan UK 1995 ISBN 978 0 230 37543 7 S 59 Maarten van der Linde 1871 Genootschap Liefdadigheid naar vermogen Moderrnisering van de armenzorg In canonsociaalwerk eu 14 Dezember 2019 abgerufen am 30 Mai 2021 niederlandisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Elberfelder System amp oldid 225281744