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Die Eidgenossische Volksinitiative Neuordnung der Studienfinanzierung auch als Lausanner Modell bekannt war eine Schweizer Volksinitiative betreffend die Finanzierung der Ausbildungs und Lebenskosten fur mundige d h damals uber 20 Jahre alte Schulerinnen Schuler und Studierende Die Initiative wurde vom Verband der Schweizerischen Studentenschaften VSS zu Beginn der 1970er Jahre lanciert Mit dem Volksbegehren fur die Schaffung einer ruckzahlbaren Ausbildungsfinanzierung fur Erwachsene 1 forderte der VSS eine Art Lohn fur alle Studierenden 2 Die durch das Modell geschaffene Chancengleichheit sollte besonders Kindern der Arbeiterklasse zugutekommen 3 Die Volksinitiative kam am 1 Juni 1972 zustande und wurde vom Schweizer Parlament am 22 Marz 1974 mit 78 zu 5 Stimmen vor dem Hintergrund der dustere konjunkturelle Perspektiven eroffnenden Olkrise 1 zur Ablehnung empfohlen Die nationalratliche Kommission forderte jedoch um eine wirksame Chancengleichheit durchzusetzen mit einer Motion eine Revision des Stipendienartikels Art 27 quater BV In Basel und Bern lancierten Studenten Petitionen fur eine Indexierung der Stipendien 1 Am 20 Juni 1974 zog das Initiativkomitee die Initiative zuruck 4 nachdem sich zuvor zwar eine knappe Mehrheit des VSS Delegiertenrats gegen einen Ruckzug ausgesprochen hatte die einzelnen Studierendenschaften jedoch mehrheitlich dafur 5 6 Inhaltsverzeichnis 1 Initiativtext 2 Hintergrund Die Stipendienpolitik des VSS 3 Inhalt des Postulats Lausanner Modell 4 Stipendienpolitische Publikationen des VSS 5 Sekundarliteratur 6 Archivquellen 7 Weblinks 8 Anmerkungen und EinzelnachweiseInitiativtext BearbeitenDie Initiative ist in der Form einer allgemeinen Anregung gestellt und hat folgenden Wortlaut Artikel 27 ff1 Jeder mundige Schweizer Burger der sich an einer Lehranstalt aus oder weiterbildet hat Anspruch auf Beitrage aus einem vom Bund zu errichtenden Fonds Stiftung zur vollen Deckung angemessener Ausbildungs und Lebenskosten 2 Die Bezuger verpflichten sich vertraglich nach Ablauf einer angemessenen Frist eine ihrer Finanzkraft Einkommens und Vermogenslage entsprechende Ruckerstattung an den Fonds zu leisten 3 Die Verwirklichung dieser Regelung ist Bundessache 4 Der Anspruch auf Stipendien der offentlichen Hand welche im Falle der elterlichen Bedurftigkeit ausgeteilt werden fallt nur fur jene weg die nach dem neuen System zum Bezug von Beitragen berechtigt sind Die Kantone haben ihre Stipendiengesetze unter Berucksichtigung einer Ubergangsperiode der zu schaffenden bundesrechtlichen Ordnung anzugleichen 5 Die Bezuger durfen in keiner Weise wahrend ihrer Ausbildungszeit gegenuber den Nichtbezugern benachteiligt werden 6 Zur Finanzierung der Institution sind Beitrage des Bundes der Kantone entsprechend ihrer Finanzkraft sowie die Ruckerstattungsgelder gemass Ziff 2 vorzusehen 7 Der Bund erlasst Ausfuhrungsbestimmungen uber die Anerkennung der Lehranstalten deren Benutzer beitragsberechtigt sind uber die Festsetzung der Beitrage pro Jahr und im Maximum pro Bezuger und die Bezugsberechtigung Ausschluss der Bezugsberechtigung bei gunstiger Einkommens und Vermogenslage des Bezugers unabhangig von derjenigen der Eltern Ferner erlasst er Bestimmungen uber die Ruckerstattung sowie uber die Bedingungen unter welchen auslandische Bezuger den Schweizer Burgern gleichgestellt werden konnen Dabei sind die Kantone Vertreter der Lehranstalten sowie Vertreter der Studierenden vorgangig anzuhoren 4 Hintergrund Die Stipendienpolitik des VSS Bearbeiten D er VSS war immer wieder Treiber bei der Verbesserung der Stipendiensituation und bei der Harmonisierung zwischen den Kantonen 2 In den spaten 1950er Jahren vertrat der Verband das Projekt einer umgekehrten AHV Alle Studierenden ohne Rucksicht auf Bedurftigkeit und Leistung sollten wahrend des Studiums ein Recht auf Stipendien haben Wahrend der Jahre der Erwerbsarbeit sollten sie und ihre Arbeitgeber dann Beitrage als Lohnanteil in eine entsprechende Stipendienkasse einbezahlen Koller Elmar 1964 S 48 49 Bekannt wurde dann vor allem das sogenannte Lausanner Modell fur das der VSS zu Beginn der 1970er Jahre eine Volksinitiative lancierte diese aber nach der Ablehnung im Parlament zuruckzog Das Lausanner Modell sah eine Studienfinanzierung fur alle Studierenden ohne Ruckzahlungspflicht vor VSS 1970 vgl auch Jeanbourquin Daniel 1986 Eine weitere 1991 lancierte Volksinitiative kam nicht zustande und die jungste Initiative zur Harmonisierung im Stipendienwesen wurde 2015 abgelehnt 2 Inhalt des Postulats Lausanner Modell BearbeitenMit dem Lausanner Modell wollte der VSS damit Hochschulstudenten Absolventen des Zweiten Bildungsweges der Hoheren Technischen Lehranstalten der Sozialschulen der Konservatorien der Schulen fur medizinisches Hilfspersonal der Oberseminarien usw mit halbjahrlichen Beitragen das Existenzminimum gewahrleisten unabhangig von den finanziellen Mitteln der Eltern 3 Diese elternunabhangige Studienfinanzierung hatte erstens volljahrigen Studierenden finanzielle Mundigkeit ermoglichen sollen da Stipendien nur Zusatz zu elterlichen Aufwendungen war Zweitens erachtete der VSS als ungerecht dass Eltern die Hauptlast der Studien und Lebenskosten ihrer Kinder tragen mussen obwohl sie nicht mehr von der Ausbildung ihrer Nachkommen profitieren als andere Mitglieder der Gesellschaft auch 7 Mit dem Lausanner Modell forderte der VSS dass die Kaufer von Wissenschaft statt der Eltern die Ausbildung finanzieren 3 Als drittes Argument fur das Lausanner Modell zahlte fur den VSS die Ungleichheit zwischen Studierenden und Berufstatigen Eltern von Kindern die fahig waren in eine Mittelschule einzutreten schicken diese haufig in eine Lehre um moglichst rasch finanziell entlastet zu werden 3 Die durch das Lausanner Modell geschaffene Chancengleichheit hatte Kindern aus der Arbeiterschicht zugutekommen sollen die aufgrund systematischer Benachteiligung an Mittelschulen untervertreten waren 3 Bei der Chancenungleichheit spielte gemass VSS neben der Angst der Eltern vor finanzieller Belastung auch strengere Erziehung von Arbeitereltern aufgrund schwierigerer Lebensverhaltnisse eine Rolle die den Kindern weniger Spielraum zur freien Entscheidung liesse dazu kamen umgangssprachbedingte Schwierigkeiten die Schulmisserfolge mit sich brachten 3 Mit dem Lausanner Modell wollte der VSS Erfahrungen sammeln wie eine zweite Initiative die sogenannte Chancengleichheits Initiative hatte starten konnen die das Postulat Lausanner Modell an Tragweite weit uberstiegen hatte 3 Damit kann sie als ein Vorlaufer der Stipendieninitiative angesehen werden 8 9 10 Das Lausanner Modell sah vor dass die Bezuger einige Jahre nach Ausbildungsabschluss eine Eigenbeteiligung die sich nach ihrem Einkommen und Vermogen und dem Einkommen richtet an Bund und Kantone den Tragern der zu errichtenden Stiftung zuruckzahlen Diese Eigenbeteiligung sollte verhindern dass einkommensstarke Berufe zusatzlich durch staatliche Ausbildungsgelder gestutzt werden wer dank seines Studiumsuberdurchschnittlich viel verdient muss wenigstens dem grosstenteils aus Steuergeldern gespeisten Fonds denbezogenen Ausbildungsbeitrag zuruckerstatten Umgekehrt werden Berufe die ebenfalls eine lange Ausbildungszeiterfordern aber als einkommensschwach gelten geschutzt indem ihre Vertreter keine oder hochstens eine teilweise Ruckerstattung aufwenden mussen 3 Stipendienpolitische Publikationen des VSS BearbeitenVerschiedene Dokumentationen und Denkschriften des VSS weisen nach dass der Verband immer wieder Treiber bei der Verbesserung der Stipendiensituation und bei der Harmonisierung zwischen den Kantonen war so veroffentlichte der VSS in den 1970er und 1980er Jahren z B 2 Schweizerisches Stipendienverzeichnis Catalogue des fonds de bourses suisse Gebr Leemann amp Co AG Zurich 1947 OCLC 77873140 Fruhere und spatere Ausgaben des Schweizerischen Stipendienverzeichnis wurden von Schweizerischen Verband fur Berufsberatung und Lehrlingsfursorge 1923 1928 1940 und 1961 und von Pro Juventute 1973 herausgegeben Denkschrift an den schweizerischen Bundesrat mit dem Ziel den Besuch hoherer Schulen und die berufliche Ausbildung zu fordern Bern 1961 OCLC 602290380 Peter Widmer Lausanner Modell Dokumentation VSS Nr 10 Informationsdienst des Verbandes der Schweizerischen Studentenschaften Bern 1969 OCLC 78979298 33 S Peter Widmer Lausanner Modell Projekt einer neuen Studienfinanzierung fur mundige Schuler und Studenten Schriftenreihe des VSS Nr 1 VSS UNES Bern 1970 OCLC 178807358 142 S Lukas Hottinger Eltern unabhangige Studienfinanzierung prinzipielle Uberlegungen zum Lausanner Modell In Orbis Scientiarum Nr 1 1970 S 39 44 Koordinationsgruppe Lausanner Modell Lausanner Modell Projekt einer neuen Art der Studienfinanzierung In Gewerkschaftliche Rundschau Vierteljahresschrift des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes Band 63 Nr 7 8 1971 S 214 218 doi 10 5169 seals 354515 Reihe Das Stipendienwesen Thomas Fehlmann Werner G Hoffmann Das Stipendienwesen Bern 1974 OCLC 602477142 Thomas Fehlmann Das Stipendienwesen 2 Bern 1974 OCLC 720746876 Urs Hansenberger Das Stipendienwesen 3 Bern 1977 OCLC 720746880 Urs Hansenberger Das Stipendienwesen 4 Bern 1978 OCLC 722107688 dd Memorandum zur Ausbildungsfinanzierung Bern 1975 Erich Kuster Memorandum zur Ausbildungsfinanzierung Bern 1980 OCLC 83023435 Stipendien Dokumentation uber die nationale Versammlung vom 22 Mai 1982 in Freiburg und den Arbeitstag fur Stipendien vom 7 Mai 1983 in Bern Bern 1983 OCLC 428090988 Stipendien Dokumentation zum Stipendien Arbeitstag des VSS vom 23 Juni 1984 in Freiburg Bern 1985 Sekundarliteratur BearbeitenLiberale Studentenschaft Zurich Fortschrittliche Studentenschaft Zurich Hrsg Zum Lausanner Modell Studienfinanzierung Zurich 1969 OCLC 80140216 Zeitgenossische Publikation der politischen Gegnerschaft 1968 1969 Elmar Koller Die Hochschulstipendien in der Schweiz Zur Neuregelung des Stipendienwesens P G Keller Winterthur 1964 OCLC 715901593 Daniel Jeanbourquin Bourse d etudes et harmonisation l exemple des cantons latins Institut de hautes etudes en administration publique Lausanne 1986 OCLC 716069217 Lucien Criblez Bundesstaatliche Forderung und foderalistische Verantwortung Zur Neuregelung der Stipendienpolitik in den 1960er und 1970er Jahren In Lucien Criblez Christina Rothen Thomas Ruoss Hrsg Staatlichkeit in der Schweiz Regieren und verwalten vor der neoliberalen Wende Historische Bildungsforschung Band 2 Chronos Zurich 2016 ISBN 978 3 0340 1363 5 S 247 270 Archivquellen BearbeitenBestand Verband der Schweizer Studierendenschaften 1920 Schweizerisches Bundesarchiv Signatur J2 216 Link Bestand Verband der Schweizerischen Studentenschaften VSS Schweizerisches Sozialarchiv 1967 1974 Signatur Ar 10 Link Bestand Studierendenschaft der Universitat Bern Lausanner Modell Stipendien VSS Staatsarchiv des Kantons Bern 1973 Signatur V SUB 40 Link Bestand Nachlass Alfons Muller Marzohl Bildungspolitik 1952 1991 Staatsarchiv Luzern 1952 1991 Signatur PA 412 LinkWeblinks BearbeitenBundeskanzlei Eidgenossische Volksinitiative Neuordnung der Studienfinanzierung Stipendien Annee politique suisse Bruno Bollinger Gewerkschaften und 1 Mai in Zug Text auf der Website des Munggen Verlags Anmerkungen und Einzelnachweise Bearbeiten a b c Stipendien Annee politique suisse a b c d Lucien Criblez Bundesstaatliche Forderung und foderalistische Verantwortung Zur Neuregelung der Stipendienpolitik in den 1960er und 1970er Jahren In Lucien Criblez Christina Rothen Thomas Ruoss Hrsg Staatlichkeit in der Schweiz Regieren und verwalten vor der neoliberalen Wende Historische Bildungsforschung Band 2 Chronos Zurich 2016 ISBN 978 3 0340 1363 5 S 247 270 a b c d e f g h Koordinationsgruppe Lausanner Modell Lausanner Modell Projekt einer neuen Art der Studienfinanzierung In Gewerkschaftliche Rundschau Vierteljahresschrift des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes Band 63 Nr 7 8 1971 S 214 218 doi 10 5169 seals 354515 a b Die Eidgenossische Volksinitiative Neuordnung der Studienfinanzierung auf der Website der Schweizerischen Bundeskanzlei Kein Ruckzug des Lausanner Modells Knapper 14 12 Entscheid des VSS Delegiertenrates In Der Bund 24 Mai 1974 Abgerufen am 1 Januar 2021 Fiasko des Lausanner Modells In Thuner Tagblatt 15 Juli 1974 Abgerufen am 1 Januar 2021 Wenn der Sohn von Herrn und Frau X in ein Technikum eingetreten ist mussen sie in der Regel fur seine Ausbildungskosten aufkommen obwohl ihr Sohn spater die Maschinen die er konstruiert nicht fur seine Eltern baut sondern im Auftrag seines Arbeitgebers worauf sie irgendwo in der Gesellschaft verwendet werden Koordinationsgruppe Lausanner Modell 1971 C W Volksinitiative fur ein zentralisiertes Stipendienrecht Der Verband der Studierenden fordert Angleichung und Erhohung der Ausbildungsbeitrage In Neue Zurcher Zeitung 21 Juli 2010 online PDF abgerufen am 23 Juli 2018 Ronald Schenkel Im dritten Anlauf erfolgreich In Neue Zurcher Zeitung 19 Januar 2012 online abgerufen am 23 Juli 2018 Verband der Schweizer Studierendenschaften Stipendieninitiative Weil AusBildung Zukunft schafft Initiative sur les bourses d etudes Car la formation c est l avenir Medienkonferenz 2012 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eidgenossische Volksinitiative Neuordnung der Studienfinanzierung amp oldid 226939001