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Ciceronianismus ist ein moderner Begriff der die Haltung lateinisch schreibender Autoren bezeichnet die den antiken Redner und Schriftsteller Marcus Tullius Cicero als massgebliches Vorbild betrachten Das Wort ist von der antiken Bezeichnung Ciceronianus Ciceronianer ciceronianisch abgeleitet sie wurde in der Antike fur jemanden verwendet der Ciceros Werke eifrig studierte und ihren Stil nachahmte Gemeint ist Nachahmung der Sprache Ciceros und ein Bekenntnis zu seinem Bildungsideal der Verbindung von Weisheit sapientia und Beredsamkeit eloquentia Ubereinstimmung mit seinen philosophischen oder politischen Ansichten ist damit oft aber nicht notwendigerweise verbunden Manchmal aussert sich der Ciceronianismus auch in einer Vorliebe fur die von Cicero bevorzugten Literaturgattungen und besonders fur die Dialogform Als Theorie wurde der Ciceronianismus im 1 Jahrhundert n Chr von dem Rhetoriklehrer Quintilian begrundet Quintilian hielt Cicero fur den vorbildlichen Redner schlechthin und schrieb dass Ciceros Name nicht fur eine bestimmte Person sondern fur die Beredsamkeit selbst stehe Damit erhob er Ciceros Ausdrucksweise zur Norm fur die rhetorische Bildung Da Quintilian sehr einflussreich war pragte seine Auffassung das Schulwesen Er hielt die Rhetorik seiner Zeit fur korrumpiert kindisch und schwulstig ihr stellte er das Leitbild Cicero entgegen Da es sich somit um eine Berufung auf ein klassisches Ideal aus der Vergangenheit handelt an dem sich die als minderwertig eingestufte Gegenwart zwecks Gesundung orientieren soll ist der Ciceronianismus eine Form des Klassizismus Der Pionier des Renaissance Humanismus Francesco Petrarca 1304 1374 ein enthusiastischer Ciceroverehrer betonte die Vorbildlichkeit Ciceros Er war aber kein echter Ciceronianer da er in seinen lateinischen Werken trotz der Cicero Nachahmung erheblich von dem Vorbild abwich und sein Latein auch von Seneca und Augustinus beeinflusst war Spatere Humanisten die konsequente Ciceronianer waren warfen ihm dies vor und lehnten ihn daher ab Erst in der folgenden Generation entstand der eigentliche Ciceronianismus der Cicero zur ausschliesslichen Autoritat machte und jede Konzession an den Stil anderer antiker oder gar nachantiker Autoren ausschloss Strenge radikale Ciceronianer gingen so weit alle Worter und Redewendungen die nicht bei Cicero vorkommen zu meiden Aus der Sicht ihrer Gegner behinderte diese extrem konservative Position die Individualitat und Originalitat Die Frage wie weit die Cicero Nachahmung gehen soll war heftig umstritten Von radikal ciceronianischer Seite wurde argumentiert man konne einen guten lateinischen Stil nur nach einem Vorbild lernen Daher solle man sich den besten Autor Cicero zum Vorbild nehmen und sich auf seinen Stil beschranken da es nichts Besseres gebe Damit konne man die hochste in der Geschichte der lateinischen Literatur erreichte Perfektion festhalten und Verfallserscheinungen vorbeugen Die Gegner die gewohnlich gemassigte Ciceronianer waren wiesen darauf hin dass Cicero selbst mehr als einen einzigen Stil gebrauchte und der Meinung war man solle sich stilistisch den Erfordernissen der jeweiligen Situation flexibel anpassen Zu den radikalen Ciceronianern unter den Renaissance Humanisten zahlten Gasparino Barzizza Guarino da Verona Paolo Cortesi Ermolao Barbaro und Pietro Bembo Erasmus von Rotterdam 1536 der selbst ein Bewunderer Ciceros war bekampfte den radikalen Ciceronianismus in seiner 1528 erschienenen Schrift Ciceronianus oder Uber die beste Art des Redens Ab der zweiten Halfte des 16 Jahrhunderts nahm unter den Gelehrten das Interesse am Ciceronianismus ab zumal da nun griechische Autoren starker in den Vordergrund traten Im Schulwesen jedoch hatte sich der Ciceronianismus vollig durchgesetzt und konnte seine Vorherrschaft dauerhaft behaupten Noch heute ist das im gymnasialen Unterricht gelehrte Latein stark am Sprachgebrauch Ciceros orientiert Textausgaben BearbeitenJoann Dellaneva und Brian Duvick Hrsg Ciceronian Controversies Harvard University Press Cambridge Mass 2007 ISBN 978 0 674 02520 2 lateinische Quellentexte zu den humanistischen Kontroversen um den Ciceronianismus mit englischen Ubersetzungen Literatur BearbeitenJorg Robert Die Ciceronianismus Debatte In Herbert Jaumann Hrsg Diskurse der Gelehrtenkultur in der Fruhen Neuzeit De Gruyter Berlin New York 2011 ISBN 978 3 11 018901 8 S 1 54 Francesco Tateo u a Ciceronianismus In Historisches Worterbuch der Rhetorik Band 2 Niemeyer Tubingen 1994 ISBN 3 484 68102 0 Sp 225 247 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ciceronianismus amp oldid 185123118