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Die Besetzung des Wohlgroth Areals in Zurich war eine der grossten Hausbesetzungen in der Geschichte der Schweiz Sie dauerte von Mai 1991 bis zur polizeilichen Raumung am 23 November 1993 In den funf Gebauden des Areals waren zahlreiche fur die Offentlichkeit zugangliche soziale und kulturelle Einrichtungen wie Volxkuche Notschlafstelle Bibliothek oder auch ein Kino untergebracht Zuletzt lebten rund 100 Bewohner in den Hausern des Areals Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Auflassung des Zurcher Wohlgroth Werkes 1 2 Besetzung 1 3 Letzte Monate und Raumung 2 Aktionismus und Gestaltung 3 Einrichtungen am Areal 3 1 FixerInnenraum spater Infocafe Videoraum und Nahatelier 3 2 Notschlafstelle spater Frauenhaus 3 3 Bar und Volxkuche 3 4 Film und Musikraume 3 5 Sonstige Raume 4 Bedeutung 5 Literatur 6 Dokumentation 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAuflassung des Zurcher Wohlgroth Werkes Bearbeiten Nachdem die Wohlgroth AG 1989 das Zurcher Werk an der Josefstrasse 35 aufgelassen hatte wurde das gesamte Grundstuck einer Tochterfirma der Maschinenfabrik Oerlikon Buhrle uberlassen Buhrle plante auf dem Grundstuck am Zurcher Hauptbahnhof einen grossen Buro und Wohnkomplex Allerdings war neben der damals neu gegrundeten IG Kreis 5 einer Interessenvertretung der Einwohner des Stadtkreises auch die Stadt Zurich selbst gegen eine Neuuberbauung des Areals aufgrund des Wohnerhaltungsgesetzes weshalb sie die Abbruchbewilligung vorerst nicht erteilte Besetzung Bearbeiten Zu Pfingsten 1991 wurde mittels Flugzetteln mit der Aufschrift Vage die Sau sich lummelt zur Besetzung des Areals aufgerufen Etwa 50 Personen leisteten diesem Aufruf Folge und besetzten die verlassene Gaszahlerfabrik der Wohlgroth AG an der Ecke Josef und Klingenstrasse im Zurcher Industriequartier Am 18 Mai 1991 begann die zweieinhalbjahrige Besetzung des Areals Zunachst wurden die zugeschweissten oder zugemauerten Fenster der Fabrikhallen und der zwei Wohnhauser geoffnet und die Raume geputzt und wieder bewohnbar gemacht Bereits am ersten Abend gab es Volxkuche und ein Konzert wodurch viele Neugierige angezogen wurden Aufgrund der laufenden Rekursverfahren gegen einen Abbruch der Gebaude konnten sich die Besetzer vor einer schnellen Raumung relativ sicher fuhlen Vorerst gab es zwei Wohngebaude in denen bis Oktober 1992 etwa 30 Personen wohnten Dann kam das frei gewordene Haus an der Josefstrasse 31 dazu und wurde mittels einer Brucke mit dem ubrigen Areal verbunden Im Dezember 1992 folgte die Josefstrasse 39 und im Fruhsommer 1993 wurden die restlichen vier Wohnhauser genannt Yussuf Yussip Yussif und Fleischkase des Areals frei und wurden besetzt Zuletzt wohnten uber 100 Personen auf dem Areal Letzte Monate und Raumung Bearbeiten Am 20 November 1993 demonstrierten rund 2000 Sympathisanten in der Zurcher Innenstadt fur den Erhalt der Wohlgroth 1 In den Sommermonaten 1993 war das Rechtsverfahren abgeschlossen Um an die Offentlichkeit zu gelangen um Druck auf die Stadt und Buhrle zu machen und um darauf aufmerksam zu machen dass Zurich ein Kulturzentrum wie die Wohlgroth brauche wurde die Mediengruppe wiedergegrundet Auch die Fassaden an der Klingen und der Josefstrasse wurden neu gestaltet und eine Fotogalerie wurde eroffnet Die Medien berichteten ausfuhrlich uber die grosste Besetzung die es in der Schweiz je gegeben hatte In dieser Zeit organisierten die Besetzer Demonstrationen Umzuge und Aktionen um in der Stadt prasent zu sein und auf ihre Situation aufmerksam zu machen Das Angebot zum Umzug nach Seebach von Stadtratin Ursula Koch und Buhrle Direktor Hans Widmer lehnten die Besetzer als unzumutbar ab da es im Vergleich zur Wohlgroth abgelegen war und keine Wohnmoglichkeiten aufwies Zudem wollte man zweieinhalb Jahre Arbeit Kunst und Gestaltung die in den Gebauden der Wohlgroth steckten nicht aufgeben Am 23 November 1993 wurde das Areal polizeilich geraumt ohne dass es dabei zu grosseren Konfrontationen kam Erst am Abend der Raumung kam es in Zurich zu schweren Krawallen von Vermummten 2 3 Aktionismus und Gestaltung BearbeitenAn der Wohlgroth Fassade gegen die Bahngeleise gab es ein Graffiti im offiziellen SBB Bahnhofsschild Design auf dem nebst dem SBB Logo statt ZURICH gross ZUREICH als Anagramm von ZUERICH geschrieben stand 4 Etwas daruber war ein grosses Alles wird gut lautendes Graffito deutlich zu sehen Dieser aufgrund der Lage am Zurcher Hauptbahnhof bekannte Spruch diente dem 2003 entstandenen Schweizer Film Alles wird gut als Titel Ein Foto davon dient zugleich zur Darstellung des Filmtitels Einrichtungen am Areal Bearbeiten nbsp Wohlgroth Ubersicht vor der Raumung November 1993FixerInnenraum spater Infocafe Videoraum und Nahatelier Bearbeiten Da zu dieser Zeit eine katastrophale Situation in der Zurcher Drogenszene vorherrschte wurde anfangs ein rund um die Uhr betreuter FixerInnenraum fur Drogensuchtige auf dem Gelande eingerichtet Nach der Schliessung durch die Besetzer wurde ein Infocafe aus dem Raum Spater beanspruchte eine Videogruppe Red Fox Underground den Raum bevor dort schliesslich ein Nahatelier eingerichtet wurde Notschlafstelle spater Frauenhaus Bearbeiten Frauen funktionierten das kleinere der beiden Wohnhauser in eine experimentelle Notschlafstelle um Aber auch diese existierte aufgrund des grossen Betreuungsaufwandes nicht sehr lange Bar und Volxkuche Bearbeiten Die Bar war die wichtigste Einkommensquelle am Areal An Wochenenden waren oft Hunderte Gaste anwesend Das Geld das an der Bar verdient wurde floss ins ganze Areal und finanzierte die unterschiedlichsten Vorhaben und Einrichtungen Bereits vom ersten Tag an gab es eine Volxkuche in der es jeden Abend Essen fur funf Franken gab Film und Musikraume Bearbeiten Die Videogruppe Red Fox Underground errichtete bald ein eigenes Kino in welchem regelmassig Filme gezeigt wurden die von Interessierten mitgebracht wurden Im Konzertsaal gab es durchschnittlich drei Mal in der Woche Konzerte insgesamt mehrere Hundert Dort traten Bands aus Ubersee und ganz Europa auf Viele Zurcher Bands spielten dort ihre ersten Auftritte Direkt unter dem Konzertsaal befand sich auch die Disko in der unter anderem einige der ersten Raves der damals neuen und noch unkommerziellen Techno Bewegung stattfanden Einigen wurde die im Konzertsaal angebotene Musik zu eintonig und grundeten daraufhin den Jazzkeller Im Fruhling 1993 wurde dort erstmals auch ein Tangokurs durchgefuhrt Seither gab es jeden Sonntagabend eine TangoBar mit Tangokurs Sonstige Raume Bearbeiten Lasothek In einem der Fabriktrakte wurde bereits von Anfang an eine Lasothek eingerichtet welche innerhalb kurzester Zeit uber 1 000 mitgebrachte Bucher beisammenhatte Man konnte sie ausleihen oder gleich dort lesen Bewegungsraum vor allem Skater beanspruchten diesen Raum fur sich Stiller Bewegungsraum Hier wurde Kampfsport ausgeubtDes Weiteren gab es verschiedene Werkstatten darunter auch eine fur Fahrrader Es gab einen Billard und einen Tischfussballtisch eine Bierbrauerei Bohrlimaa Bier und einige weitere unterschiedlich genutzte Raume Bedeutung BearbeitenDas weitlaufige Industrieareal entwickelte sich durch seine Grosse und zentrale Lage schnell zu einem wichtigen Szene Treffpunkt und zu einer der spektakularsten Besetzungen der Schweizer Geschichte Zum ersten Mal konnte mit Autonomie und Kollektivitat in einem grosseren Rahmen experimentiert werden Gepragt war das Zusammenleben in der Wohlgroth durch eine anarchistische Lebensfuhrung welche sich durch wenig Lohnarbeit viel Freizeit und Selbstbestimmung auszeichnete undogmatisch und ohne staatliche Aufsicht Die Wohlgroth stand gleichzeitig fur den Ruckzug der Hauserkampfbewegung auf Inseln die Kampfe der 68er Bewegung fur eine andere Gesellschaft und der 80er Bewegung fur die Ruckeroberung der ganzen Stadt waren Vergangenheit Hausbesetzungen verloren im Laufe der 80er und 90er Jahre zunehmend ihre Protestfunktion und wurden immer mehr zum reinen Selbstzweck man besetzte um eine Bleibe zu haben und dort selbstverwaltet zu leben Neben dem Wohnexperiment entwickelte sich die Wohlgroth zu einer autonomen Kulturwerkstatt AKW die in ihrer Bedeutung mit dem AJZ Anfang der 1980er Jahre vergleichbar ist Das kulturelle Programm setzte sich aus weit mehr als Punk und Hardcoremusik zusammen es reichte vom Jazz Konzert bis zur Kunst Ausstellung Treffend bringt der von der Wohlgroth selbst gepragte Begriff Kulturbrot das kulturelle Selbstverstandnis auf den Punkt Kultur galt als Nahrung fur das tagliche Leben Der kommerzielle Gedanke war dabei nebensachlich die Innovation und das Experimentelle standen vielmehr im Mittelpunkt 5 Literatur BearbeitenManuela Ledermann Veronika Grob Stefan Pente Wohlgroth Edition Frey Zurich 1994 ISBN 3 905509 12 1 Farben einer Stadt In Zurichs besetzten Wohlgroth Hausern Das Magazin Wochenendbeilage des Zurcher Tages Anzeiger Nr 43 30 November 1993 Britta Went Gegenkulturelle und antikulturelle Formen des Jugendprotestes in Zurich eine explorative Interviewstudie zur Innensicht der Autonomen Kulturwerkstadt Wohlgroth Universitat Zurich Ref Reinhardt Fatke Zurich 1996 Thomas Stahel Wo Wo Wonige Stadt und wohnpolitische Bewegungen in Zurich nach 1968 Memento vom 18 Februar 2007 imInternet Archive PDF Memento vom 21 Februar 2007 imInternet Archive Paranoia City Verlag Zurich 2006 ISBN 3 907522 22 2 S 106Dokumentation Bearbeiten Allein machen sie dich ein Die Zurcher Hauserbewegung 1979 1994 filmische Dokumentation in acht Teilen von Mischa Brutschin 6 Wohlgroth Besetzung 1992 Video SRF Archiv 38 min Frei Wild Wilde Freiheit Wochenschau Wohlgroth Video 16 min Einzelnachweise Bearbeiten Thomas Stahel Wo Wo Wonige Stadt und wohnpolitische Bewegungen in Zurich nach 1968 Paranoia City Verlag Zurich 2006 S 106 Michele Schell Vor 25 Jahren wurde das Zurcher Wohlgroth Areal geraumt Ein Blick zuruck in Bildern In Neue Zurcher Zeitung vom 23 November 2018 Video der Raumung auf srf ch Foto Graffiti Memento des Originals vom 15 Marz 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www zureich ch Thomas Stahel Wo Wo Wonige Stadt und wohnpolitische Bewegungen in Zurich nach 1968 S 331 f Website zur Dokumentation Memento des Originals vom 15 Juli 2021 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www zureich ch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Besetzung des Wohlgroth Areals amp oldid 231995836