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Die Australische Verfassungskrise von 1975 bezieht sich auf Ereignisse auf deren Hohepunkt der damalige Generalgouverneur von Australien Sir John Robert Kerr den Premierminister Gough Whitlam der Australian Labor Party entliess und stattdessen den Oppositionsfuhrer Malcolm Fraser zum Premierminister ernannte Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Ausgangslage 3 Entlassung Whitlams 4 Neuwahlen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenEntsprechend den Konventionen des Westminster Systems in dessen Tradition das australische Regierungssystem steht hat der Monarch bzw der Gouverneur als dessen Stellvertreter den Rat advice des Regierungschefs als Anordnung zu befolgen Ein Beispiel dafur ist die Ernennung des ersten in Australien geborenen Generalgouverneurs des Landes Isaac Isaacs 1931 die ursprunglich vom Establishment abgelehnt wurde das den Gewohnheiten jener Tage entsprechend einen britischen Adeligen bevorzugte Die Durchsetzung von Isaacs erforderte seinerzeit eine Reise des damaligen Ministerprasidenten James Scullin nach London wo er nach anhaltendem Widerstand Konig George V letztendlich mit den direkten Worten I advise you zur Ernennung von Isaacs zwang Es sei angemerkt dass dieses Ereignis auch die formelle konstitutionelle Separation zwischen dem Vereinigten Konigreich und Australien darstellt da hiermit etabliert war dass der Monarch unabhangig von der britischen Regierung auch dem Rat der australischen Regierung Folge zu leisten hatte Der Generalgouverneur mutierte in diesem Moment von einem personlichen Reprasentanten des Monarchen zu einem Organ der australischen Verfassung 1 Ob der Monarch bzw dessen Stellvertreter allgemein oder in besonderen Fallen auch ohne Rat des Regierungschefs handeln konnen und wenn ja unter welchen Umstanden ist umstritten Beim Handeln ohne Rat des Regierungschefs ist der Monarch darauf angewiesen Teile der Verfassung als Reservegewalten zu interpretieren Ausgangslage BearbeitenIm Oktober 1975 nutzte die Liberale Partei ihre Mehrheit im Senat in dem jeder Bundesstaat gleich viele Stimmen hat um mehrere wichtige Gesetze der Regierung abzulehnen bis Whitlam der Ausrufung von Neuwahlen des Reprasentantenhauses zustimmte Wahrend Whitlam sich weigerte zuruckzutreten und Neuwahlen auszurufen weigerte sich Malcolm Fraser die Haushaltsgesetze im Senat passieren zu lassen Da der Senat nur das Recht hat Haushaltsgesetze abzulehnen nicht aber alternative Gesetze einzubringen lag eine durch Fraser verursachte Blockadesituation vor die vordergrundig nur durch die Regierung Whitlam gelost werden konnte indem sie sich der politischen Erpressung der Opposition beugt Whitlam wiederum hatte seinerzeit als Oppositionsfuhrer mit genau derselben Blockadepolitik gedroht gehabt Wenn es zu einer Fortfuhrung dieser ausweglosen Situation gekommen ware ware der Regierung schliesslich das Geld ausgegangen und sie hatte keine finanziellen Verpflichtungen tatigen konnen Es wurde erwartet dass diese Situation Ende November 1975 eintreten wurde Whitlam war sicher dass einige liberale Senatoren von dieser extremen Haltung Abstand nehmen wurden wenn er selbst auf seinen Standpunkt beharrte Ausserdem nahm er an dass die offentliche Meinung wegen der Taktik Frasers auf seiner Seite sei und er in einem passenden Augenblick die Nachwahl der Halfte des Senats ausrufen konnte um den Stillstand aufzubrechen und seine Regierung zu starken Fraser nahm diese Abwagungen ebenfalls vor da ihm bekannt war dass einige liberale Senatoren tatsachlich unsicher wegen der Blockade der Gesetze waren und fur eine baldige Aufgabe des Stillstandes eintraten Er sah auch dass die offentliche Meinung mit dem Ausnutzen der Blockademoglichkeit im Senat nicht einverstanden war Aus diesem Grund war er bemuht einen baldigen Hohepunkt der Krise zu erreichen und sah den schnellsten Weg hierzu in einer Intervention des Generalgouverneurs Oppositionelle Hinterbankler begannen Kerr um die Entlassung von Premierminister Whitlam im Laufe des Oktobers 1975 zu bitten Am 16 Oktober 1975 veroffentlichte allerdings mit dem fruheren Solicitor General Robert Ellicott ein fuhrender Abgeordneter der Liberal Party ein von Fraser gebilligtes und fur das Schattenkabinett verfasstes Rechtsgutachten in dem Ellicott darstellte dass Kerr nicht nur das Recht sondern die Pflicht zur Entlassung der Regierung hatte falls diese keine Unterstutzung hatte Whitlam vertrat weiterhin die Auffassung dass der Generalgouverneur nicht intervenieren konnte da er immer auf Ratschlag des Premierministers handeln musste Kerr aber sah dies als Einschuchterung ihm gegenuber und auch als Ausdruck eines Standpunktes zur Betrachtung der Reserve Powers die er nicht teilte Kerr sah sich daher selbst als aktiv Handelnden in dieser sich entfaltenden politischen Situation In mehreren Gesprachen verdeutlichte er gegenuber Ministern der Regierung Whitlam die Ansicht dass er als Generalgouverneur aktiv einem drohenden Geldausgehen der Regierung begegnen musste Zu diesem Zweck unterbreitete er am 30 Oktober 1975 Whitlam und Fraser eine Kompromisslosung die die Genehmigung des Haushalts durch Fraser im Austausch zur Aufgabe von Whitlams Planen zur Ausrufung von Nachwahlen zum Senat vorsah und somit ein Aufgeben von Fraser bedeutete Fraser lehnte dies am 2 November 1975 ab und schlug stattdessen die Genehmigung des Haushalts zu Lasten einer Neuwahl zum Reprasentantenhaus im ersten Halbjahr 1976 vor was Whitlam wiederum ablehnte da nach Westminster System nicht der Fuhrer der Opposition sondern der Premierminister den Zeitpunkt von Wahlen bestimme Entlassung Whitlams BearbeitenGeneralgouverneur Kerr der zu diesem Zeitpunkt keine starke Beziehung zum Premierminister hatte sah Whitlam als unversohnlich an Insbesondere betrachtete er das Vorgehen des Bundesverwaltungsrates Federal Executive Council wahrend der Khemlani Loans Affare als unangemessen Kerr befurchtete ferner dass Premierminister Whitlam die Konigin bitten wurde Kerr zu entlassen falls Whitlam erfahren wurde dass Kerr die Entlassung des Premierministers plante Whitlam andererseits ging davon aus dass Kerr in der gewohnten Art und Weise der bisherigen Generalgouverneure die Haltung der Regierung akzeptieren und keine Schritte gegen diese unternehmen wurde Aus diesem Grund unternahm er nichts zu einer Entlassung des Generalgouverneurs fuhrte trotz Verfassungskrise allerdings auch keine Gesprache mit Kerr Am 6 November 1975 sprach Kerr mit Kenntnis von Whitlam abermals mit Oppositionsfuhrer Fraser Fraser erklarte dass die Opposition nicht ihre Haltung andern und keinen Kompromiss akzeptieren wurde Daruber hinaus drohte er Kerr damit dass die Opposition dem Generalgouverneur offentlich Versagen in der Amtsfuhrung vorwerfen werde Damit wollte er Kerr zu Neuwahlen bis Ende 1975 zwingen Der Zeitdruck ergab sich insbesondere daraus dass nach dem damals geltenden Wahlsystem eine Neuwahl bis zum Jahresende nur noch bis zum 11 November 1975 ausgerufen werden konnte und Kerr daher nur maximal funf Tage Bedenkzeit hatte Fraser glaubte nach diesem Treffen dass Kerr Premierminister Whitlam entlassen wurde Am 9 November 1975 holte Kerr den Rat des Prasidenten des hochsten Gerichtes ein Sir Garfield Barwick Der Gerichtsprasident Barwick bestatigte Kerr dabei auf dessen Nachfrage dass der Generalgouverneur die verfassungsmassige Macht zur Entlassung des Premierministers habe Dieser Meinung stimme ein weiterer Richter des Gerichtes zu Sir Anthony Mason Bei der Bestatigung handelte es sich jedoch nur um eine informelle und personliche Darstellung Barwicks da Kerr nicht das Oberste Gericht als Institution sondern lediglich dessen Prasident um Rat ersucht hatte zumal das Oberste Gericht keine Rechtsberatungen veroffentlichte Daruber hinaus wurde Barwick selbst vorgeworfen nicht unparteiisch entschieden zu haben da er vor seiner Tatigkeit als Chief Justice unter anderem Generalstaatsanwalt Attorney General in der liberalen Regierung von Robert Menzies gewesen war Der Ratschlag Barwicks trug letztlich mit dazu bei dass Kerr sich zur Entlassung des Premierministers durchrang was er Whitlam jedoch noch nicht mitteilte Am Morgen des 11 November 1975 bat Whitlam den Generalgouverneur um ein Gesprach nach den Feierlichkeiten zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 Remembrance Day Whitlam wollte dabei Kerr um die Neuwahl des halben Senats bitten um dadurch das Patt zwischen Regierung und Opposition zu beenden Nach dem Gesprach mit Whitlam fragte Kerr angeblich den Oppositionsfuhrer Fraser ob dieser im Falle einer Berufung zum Premierminister das Haushaltsgesetz passieren liesse einer Auflosung der beiden Kammern des Bundesparlaments zustimme und keine Ernennungen keine neue politischen Programme und keine Untersuchungen gegen die derzeit noch amtierende Regierung einleiten wurde Fraser sagte ihm dies zu Allerdings bestreitet Kerr in seinen Memoiren dass dieses Gesprach stattgefunden habe Am Mittag jenes 11 Novembers erschien Whitlam im Amtssitz des Generalgouverneurs Kerr fragte ihn bezuglich sofortiger Neuwahlen des Reprasentantenhauses was Whitlam verneinte Daher ubergab er ihm das Entlassungsschreiben Unmittelbar darauf ernannte Kerr Fraser der sich ebenfalls im Amtssitz befand zum neuen Premierminister Neuwahlen BearbeitenAuf Rat von Premierminister Fraser setzte Generalgouverneur Kerr unmittelbar Neuwahlen fur den 13 Dezember an sowohl des Senats als auch des Reprasentantenhauses Dies bedeutete auch die Auflosung beider Parlamentskammern Double Dissolution dies kam in der australischen Parlamentsgeschichte bis zu diesem Zeitpunkt erst drei Mal vor 2 Darum konnte Whitlam kein Misstrauensvotum gegen Fraser im Reprasentantenhaus durchfuhren Die Nachricht von der umstrittenen Entlassung Whitlams wurde in der Folgezeit von massiven Protesten gegen Kerr begleitet Doch die am 13 Dezember 1975 durchgefuhrten Wahlen gewann die Liberal Party Frasers mit uberwaltigender Mehrheit von 68 Mandaten gegenuber der Labor Party Whitlams die nur noch 36 Parlamentssitze erhielt Obwohl Kerr seine Haltung und die Entlassung ausfuhrlich begrundete werden beides die Amtsenthebung Whitlams und die Ermachtigung zur Parlamentsauflosung bis heute als verfassungsrechtlich fragwurdig eingestuft Ein derartiges Vorgehen hatte es vorher und danach nicht mehr gegeben Welche Beweggrunde den Generalgouverneur zu diesem Vorgehen veranlasst haben ist bis heute jedoch wegen der unterschiedlichen Darstellungen der handelnden Personen ungeklart Literatur BearbeitenNick Beams The Canberra Coup A documentary on the sacking of the Labor Government November 11 1975 Workers news Broadway NSW 1976 ISBN 9780959747904 Paul Kelly November 1975 Allen amp Unwin 1995 ISBN 1 86373 987 4Weblinks BearbeitenSir Johns Kerrs Erklarung zur Entlassung englisch Einzelnachweise Bearbeiten ABC 2000 A Child Of The Empire Memento vom 30 Dezember 2012 im Internet Archive Parliamentary Handbook of the Parliament of Australia Memento vom 10 Oktober 2008 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Australische Verfassungskrise von 1975 amp oldid 226503991