Auf der anderen Seite (türkisch Yaşamın Kıyısında, englisch The Edge of Heaven) ist ein deutsch-türkisches Filmdrama von Fatih Akin nach eigenem Drehbuch. Der vielfach ausgezeichnete Film ist der zweite Teil der Trilogie Liebe, Tod und Teufel, die 2004 mit Gegen die Wand begann und 2014 mit The Cut beendet wurde. Er erzählt das miteinander verflochtene Schicksal von sechs Menschen aus drei Familien und zwei Generationen sowohl deutscher als auch türkischer Herkunft. In beiden Ländern spielend, ist er in drei Teile gegliedert, die jeweils eine Kapitelüberschrift tragen.
Film | |
Titel | Auf der anderen Seite |
---|---|
Produktionsland | Deutschland, Türkei |
Originalsprache | Deutsch, Türkisch, Englisch |
Erscheinungsjahr | 2007 |
Länge | 122 Minuten |
Altersfreigabe |
|
Stab | |
Regie | Fatih Akin |
Drehbuch | Fatih Akin |
Produktion | Corazón International, Anka Film |
Musik | Shantel, Kâzım Koyuncu |
Kamera | Rainer Klausmann |
Schnitt | Andrew Bird |
Besetzung | |
|
Chronologie | |
---|---|
← Gegen die Wand | The Cut → |
Handlung Bearbeiten
Themen Bearbeiten
Zwei der Themen bieten sich durch den Filmtitel, die Kapitelüberschriften sowie den Titel der Trilogie an.
Auf zwei weitere Themen verweist die Kurzbeschreibung des Films auf der eigenen Webseite: „Sechs Menschen, deren Wege sich auf schicksalhafte Weise kreuzen, ohne sich zu berühren. Erst der Tod führt sie zusammen, auf einer emotionalen Reise zur Vergebung.“
Entstehung Bearbeiten
Der Ensemblefilm ist nach Gegen die Wand der zweite Teil der „Liebe, Tod und Teufel“-Trilogie des deutschen Regisseurs. Produziert wurde der Film von Akins eigener Filmproduktionsfirma Corazón International. Er wurde Teilhaber Andreas Thiel gewidmet, der kurz vor Ende der Dreharbeiten verstarb. Co-Produzenten waren der NDR und Filmfirmen in Italien und der Türkei. Noch kurz vor dem Festival in Cannes hatte der Regisseur seinen Film komplett neu geschnitten.
Akin gibt Guillermo Arriaga als seinen dramaturgischen Berater bei dem Film an. Seinem Filmeditor Andrew Bird sprach Akin bei der Verleihung des Europäischen Drehbuchpreises ebenfalls großen Anteil an der letztendlichen Filmdramaturgie zu.
Der NDR-Dokumentarfilm Fatih Akin – Tagebuch eines Filmreisenden dokumentiert die Arbeit des Regisseurs an Auf der anderen Seite. Fatih Akins Kurzfilm Das schwarze Meer (2008) erzählt eine Episode aus dem Film Auf der anderen Seite, die bei der endgültigen Schnittfassung keine Berücksichtigung mehr fand.
Rezeption Bearbeiten
Premiere in Cannes und Verbreitung Bearbeiten
Seine Weltpremiere hatte der Film 2007 auf dem 60. Filmfestival von Cannes, wo er als deutscher Beitrag im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten war und den Preis für das beste Drehbuch sowie den Sonderpreis „Prix du Jury œcuménique“ gewann. Das Filmfestival in Cannes wurde in den türkischen Medien 2007 besonders unter dem Aspekt der Teilnahme eines von einem türkischstämmigen Regisseur aus Deutschland geschaffenen Filmes beachtet. Dies nutzte Akin für eine politische Stellungnahme bei der Preisverleihung in Richtung des Herkunftslandes seiner Eltern.
Auf der anderen Seite sahen in der Türkei am Startwochenende 65.000 Zuschauer. In Deutschland rangierte der Film, nach einem guten bis mäßigen Start ebenfalls fünf Wochen unter den obersten 10 in den Besucherlisten. Auch in weiteren Ländern lief er erfolgreich. Nach dem Gewinn des Filmpreises Lux wurde Auf der anderen Seite in alle 22 Amtssprachen der EU übersetzt. Der Film wurde darüber hinaus als deutscher Beitrag für die Oscarverleihung 2008 ausgewählt, kam allerdings nicht in die Endauswahl.
Auf der anderen Seite lief in zahlreichen Ländern der Welt im Kino, zum Beispiel Frankreich, Finnland, Thailand, Philippinen, Kanada, Deutschland, Österreich, Türkei, Italien, Belgien, Tschechien, Hongkong, Niederlande Australien und UK.
Schwerpunkte der deutschsprachigen Filmkritik Bearbeiten
In der deutschsprachigen Filmkritik gab es Stimmen, die den Film als bedeutungsvoll für die Kinematografien Deutschlands wie der Türkei einschätzten; er verhelfe Akin zu internationaler Geltung, und zum Aufstieg in die Riege von Weltfilmern wie Iñárritu, Meirelles und Egoyan. Er sei Ausdruck eines neuen globalisierten Kinos, das als kritische Ergänzung zu Hollywood nationale Kategorien verwischt. Er baue Brücken zwischen Kulturen, und das Handeln der Figuren sei ein Vertrauenssignal in einer misstrauischen Welt; er wirke „wie ein Serum gegen die „Krieg der Kulturen“-Hysterie.“
Akin sei gegenüber seinen vorangegangenen Werken stilistisch gereift. Er erzähle nicht weniger intensiv, aber raffinierter als zuvor, spannend, „ruhig, beinahe meditativ“, unspektakulär, unaufgeregt und besonnen; er spreche sanft mit einer leise nuancierten Inszenierung. „Dem Film geht alles Behäbige ab. Akin hat es nicht eilig, aber er hält sich auch nirgends länger auf als nötig.“ Es sei mutig, dass er in Zeiten eines ungeduldigen Publikums eine langsame, emotionale, beschwerliche, für ein richtiges Melodrama aber unumgängliche Erzählweise gewählt habe. Der Tonfall wird auch als zarte Melancholie oder virtuose, „fesselnde Balance aus Realismus und Künstlichkeit“ beschrieben. Die F.A.Z. meint, Akin bringe den Figuren und Dingen eine seltene Zugeneigtheit entgegen und erweise sich als genauer Beobachter und ökonomischer Erzähler. Spiegel Online hingegen äußert Bedenken, für Akin-Anhänger sei der Stil eine Zumutung, denn bis anhin habe er instinktiv erzählt und die Figuren gepackt, nun aber sei er verstörend formalistisch geworden. Er nähere sich den Figuren nur zögerlich, so dass sie teilweise fremd bleiben.
Drei Zwischentitel kündigten dem Publikum den weiteren Handlungsverlauf an und machten es so zum Mitwisser des Schicksals. Alles Bemühen der Figuren, den vorgezeichneten Weg abzuändern, sei vergebens, meint der film-dienst. Die gegenüber dem Zuschauer stets transparente, vorgezeigte Erzählstruktur erweise sich als Brechtscher Effekt, der uns vom völligen Abtauchen in die Tragödie abhält und zum Nachdenken anregt, ergänzt die Neue Zürcher Zeitung. Die Welt stellt fest, Akin erzähle im Telegrammstil, aber mit Telegrammen, die statt Fakten „lieber deren emotionalen Nachhall“ übermitteln, was sich nur wenige, sehr gute Regisseure trauten und das beim Publikum ein eigenes Nachdenken anstoße. „Dass die hochkonzentrierte Dramatik des Geschehens dabei ihren Spannungsbogen ungebrochen halten kann und niemals in billige Sentimentalität abgleitet, verdankt sich dem von Akin selbst verfassten, klug konstruierten Drehbuch.“ (NZZ) Andere Rezensionen urteilen, hier liege kein „episodischer Einheitsteppich“ vor in der Art von Babel (2006), die Handlungsstränge seien geschickt verflochten, die Figuren, ihre Geschichten und Orte fügten sich Sinn ergebend zu einem Ganzen, die Einzelteile überzeugten ebenso wie die Summe. Einzig Focus fand die Verbindungen in der Handlungskonstruktion etwas erzwungen.
Mehrere Stimmen äußerten die Ansicht, Akin habe fast schon zu viele Themen in den Film gepackt, sie könnten auf drei Filme gestreckt werden. Die Figuren wirkten wie Platzhalter für die vielen großen Themen, die Akin irgendwie im Film habe unterbringen wollen, die Auszeichnung des Drehbuchs sei daher unangemessen; manches laufe zu schnell ab. Nach Einschätzung des film-dienstes repräsentieren die Figuren das ganze Spektrum unterlassener und versuchter, geglückter und gescheiterter Integration in eine andere Kultur, von Heimatsehnsucht und Heimatlosigkeit, sie sind zurückgezogen oder stehen im Leben. Lob finden die präzisen Porträts, die starke Leistung des Ensembles und Akins geniale Führung der Schauspieler, die ihnen Entfaltungsraum gewähre und sie ansporne. Er hole aus Schygullas Figur sehr viel heraus, sie sei das Beste am Film, ihre Rolle weiche erfrischend von den Auftritten ab, die man von ihr gewohnt sei. Die Frankfurter Rundschau sieht allerdings die Hauptfigur, den Germanistikprofessor Nejat, durch Schygullas Stärke an den Rand gedrängt.
Kritikenspiegel Bearbeiten
Positiv
- epd Film Nr. 10/ 2007, S. 28–30, von Rainer Gansera
(Akin erlangt zu Recht Weltgeltung; genial geführte Darsteller.) - film-dienst Nr. 20/ 2007, S. 31–32, fd 38349, von Oliver Rahayel
(komplexe Figuren- und Handlungskonstellation sinnvoll verknüpft, verbindet überzeugend Realismus und Künstlichkeit.) - F.A.Z., 24. Mai 2007, S. 37, von Michael Althen: Doppelt tot hält besser.
(ein Muss, spannend, ökonomisch und liebevoll erzählt, Schygulla ein Ereignis.) - Frankfurter Rundschau, 27. September 2007, S. 33, von Daniel Kothenschulte: Hinter der Wand.
(bedeutungsvoll für deutsches wie türkisches Kino, mutig inszeniert, stark gespielt.) - Hamburger Abendblatt, 20. September 2007, S. 8, von Volker Behrens: Mit dem Tod auf Augenhöhe.
(„raffiniert, intensiv, gereift“, starke Darsteller.) - Neue Zürcher Zeitung, 4. Oktober 2007, S. 49, von Alexandra Stäheli: Liebe ist stärker als der Tod.
(Bewunderung; Buch und Dramaturgie sind geschickt.) - Spiegel Online, 25. September 2007, von Christian Buß: Jedem seine eigene Heimat.
(Akin schließt zu Filmautoren wie Alejandro González Iñárritu, Fernando Meirelles und Atom Egoyan auf.) - Die Welt, 26. September 2007, S. 27, von Hanns-Georg Rodek: Reue und Vergebung.
(mutiger, sanfter Erzählstil.)
Eher positiv
- Focus, 24. September 2007, S. 74, von Harald Pauli: Du bist Deutschländer.
(konstruiert wirkendes Drehbuch, aber nuancierte Regie.)
Auszeichnungen (Auswahl) Bearbeiten
- Internationale Filmfestspiele von Cannes 2007: Preis für das beste Drehbuch und Preis der Ökumenischen Jury (Prix du Jury oecuménique)
- Grand Prize Lino Brocka Award 2007, Manila, Philippinen
- 44. Filmfestival in Antalya: Großer Preis der Jury, Preis für Beste Regie, weitere Preise für Tuncel Kurtiz, Nursel Köse, Andrew Bird und Hanna Schygulla (Ehrenpreis)
- Offizielle deutsche Einreichung für den Oscar für den „Besten fremdsprachigen Film 2007“
- Lux, Filmpreis des Europaparlaments (2007)
- Norddeutscher Filmpreis für den „Besten Spielfilm“ auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck 2007
- Europäischer Filmpreis 2007 für das Beste Drehbuch, sowie Nominierungen in den Kategorien Film und Regie
- Kulturnews-Award 2007 für den „besten Film“
- Bayerischer Filmpreis 2007 für Regie
- César-Nominierung 2008 in der Kategorie „Bester ausländischer Film“
- Deutscher Filmpreis 2008: gewonnen in den Kategorien Bester Spielfilm, Regie, Drehbuch und Schnitt, Nominierung in der Kategorie Nebendarstellerin (Hanna Schygulla)
- 4. Internationales Filmfestival Dubrovnik 2008: Bester Spielfilm
- 10. RiverRun International Film Festival in Winston-Salem, North Carolina 2008: Best Narrative Feature, Best Screenplay, Best Actress (Schygulla)
- Film+ Schnitt Preis 2008, für Andrew Bird in der Kategorie Schnitt Preis Spielfilm
- National Society of Film Critics Award 2009: Beste Nebendarstellerin (Schygulla)
Gespräche Bearbeiten
- Mit Fatih Akin in epd Film Nr. 10/ 2007
Film Bearbeiten
- Monique Akin (Drehbuch-Konzept und Regie): Fatih Akin – Tagebuch eines Filmreisenden. TV-Dokumentarfilm über die Arbeit an Auf der anderen Seite. NDR, Deutschland 2008.
Weblinks Bearbeiten
- Offizielle Seite zum Film
- Auf der anderen Seite in der Internet Movie Database (englisch)
- Auf der anderen Seite bei Rotten Tomatoes (englisch)
- „Keine Angst vor Islamismus in der Türkei“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 3. September 2007, Interview mit Fatih Akin über seinen Film
- Inhaltsangabe und Kritik auf Filmszene.de
Einzelnachweise Bearbeiten
- Freigabebescheinigung für Auf der anderen Seite. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, September 2007 (PDF; Prüfnummer: 111 215 K).
- (Memento des vom 2. Dezember 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- (Memento vom 23. April 2008 im Internet Archive)
- (Memento vom 9. November 2007 im Internet Archive)
- ↑ Frankfurter Rundschau, 27. September 2007, S. 33, von Daniel Kothenschulte
- ↑ epd Film Nr. 10/ 2007, S. 28–30, von Rainer Gansera
- ↑ Spiegel Online, 25. September 2007, von Christian Buß
- ↑ film-dienst Nr. 20/ 2007, S. 31–32, fd 38349, von Oliver Rahayel
- ↑ Die Welt, 26. September 2007, S. 27, von Hanns-Georg Rodek
- ↑ Hamburger Abendblatt, 20. September 2007, S. 8, von Volker Behrens
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Mai 2007, S. 37, von Michael Althen
- ↑ Focus, 24. September 2007, S. 74, von Harald Pauli
- ↑ Neue Zürcher Zeitung, 4. Oktober 2007, S. 49, von Alexandra Stäheli
- Der Tagesspiegel, 26. September 2007, S. 26, von Daniela Sannwald