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Die Asymmetrie ist in der angewandten Ethik ein Paar naiver moralischer Uberzeugungen die das Erzeugen von Personen betreffen Texte zur Asymmetrie beginnen typischerweise mit der Beobachtung dass ausgehend vom Common Sense gesagt werden konne dass es zwar einerseits so etwas wie eine Pflicht gibt die Existenz leidender Personen zu verhindern aber keine entsprechende Pflicht oder Tugend die Existenz glucklicher Personen zu bedingen 1 Mit anderen Worten und etwas formaler besteht die Asymmetrie aus den folgenden moralischen Uberzeugungen Die Aussicht auf ein Leben einer Person die absolut miserabel dran ware jenseits der Schwelle eines lebenswerten Lebens gilt als ein Grund die Existenz dieser Person zu verhindern Die Aussicht auf ein Leben einer Person deren Leben ein gutes und lebenswertes Leben ware gilt allein nicht als ein Grund dafur die Existenz dieser Person zu bedingen 2 Was es genau bedeutet dass ein Leben nicht mehr als lebenswert oder als k ein gutes Leben gilt ist typischerweise nicht Gegenstand der Diskussionen um die Asymmetrie Es geht vielmehr um die scheinbare Eigenart wie bei diesem Typ von Entscheidungen einerseits die Aussicht auf ein Ubel einen guten Grund gegen eine Handlung liefert die Aussicht auf ein scheinbar vergleichbares Gut aber keinen Grund fur eine scheinbar vergleichbare Handlung darstellt Inhaltsverzeichnis 1 Einordnung 2 Zur Verteidigung der Asymmetrie 3 Alternativen zur Asymmetrie 3 1 Subjektiv symmetrische Positionen 3 2 Unpersonlich symmetrische Positionen 3 3 Antinatalistische Position 4 Weblinks 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEinordnung BearbeitenAufbauend auf der analytischen Philosophietradition und insbesondere dem Werk von Derek Parfit zum sogenannten Nicht Identitatsproblem hat sich ab den 1980er Jahren zu den obigen beiden Propositionen der Asymmetrie eine zunehmend eigenstandige philosophische Debatte herauskristallisiert die die Koharenz dieser beiden Aussagen innerhalb von Theorien moralischer Begrundungen hinterfragt McMahan 1981 gilt als erste Veroffentlichung die die Asymmetrie problematisierte 3 Die Bezeichnung Asymmetry hat sich in diesen Debatten als ein stehender Begriff herausgestellt Zur Verteidigung der Asymmetrie Bearbeiten McMahan 2009 buchstabiert einige Moglichkeiten aus die beide Teile der Asymmetrie begrunden Zunachst konne man etwa versuchen die Asymmetrie bei Fortpflanzungsentscheidung auf eine allgemeinere Asymmetrie zwischen Handlungen die verletzen und Handlungen die begunstigen zuruckzufuhren So wie viele Denker Verletzungen starker gewichteten als Begunstigungen lasse sich das Bedingen der Existenz einer leidenden Person als eine Quasiverletzung auffassen und starker gewichten als die Quasibegunstigung im Bedingen der Existenz einer glucklichen Person Eine ahnliche Reduktion wird von Persson 2009 kritisiert und von Tooley 1998 verteidigt Beide schlagen vor das Bedingen einer leidvollen Existenz als eine Verletzung negativer Rechte der Person in spe aufzufassen McMahan 2009 sieht hier zweierlei Problemtypen Einerseits seien Begunstigen und Verletzen vergleichende Begriffe Verletzt werde eine Person von einer Handlung wenn sie durch die Handlung schlechter dran ist als ohne die Handlung wobei man hier einen zeitlichen oder kontrafaktischen Vergleich anstellen konnte Die Person die bei dem Bedingen der leidvollen Existenz aber verletzt wurde existiert im Moment der Handlung nicht und es bleibe daher fraglich inwiefern mit der Befindlichkeit dieser nicht existierenden Person ein Vergleich angestellt werden konne und folglich inwiefern uberhaupt von einer Verletzung im eigentlichen Sinne gesprochen werden konne Andererseits sei die Asymmetrie zwischen Begunstigen und Verletzen starker als die Asymmetrie zwischen dem Erzeugen glucklicher und miserabler Personen weil im Allgemeinen davon ausgegangen wurde dass eine Begunstigung als irgendwie moralisch positiv besetzt und nicht wie in der Asymmetrie nur als eine moralisch neutrale Moglichkeit oder individuelle Freiheit aufgefasst wird McMahan schlagt schliesslich vor zwischen handlungsbegrundenden Funktionen von intrinsischen Gutern und Ubeln sowie aufwiegenden Funktionen von Gutern und Ubeln zu unterscheiden Handlungsbegrundend ist dabei ein Gut wenn dessen Vorliegen geeignet ist eine Handlung zu begrunden Aufwiegend im Gegensatz dazu ist ein guter Aspekt einer Handlung wenn er zwar die mit einer Handlung verbundenen Ubel aufwiegen kann allerdings allein keinen Grund konstituiert die Handlung zu setzen fur Ubel ganz analog Akzeptiert man diese verschiedenen Funktionen von Gutern und Ubeln liesse sich die Asymmetrie genau dann begrunden wenn vorausgesetzt wird dass Guter die keine existierenden Personen betreffen nur eine aufwiegende aber keine handlungsbegrundende Funktion haben und gleichzeitig von nichtpersonenbetreffenden Ubeln vorausgesetzt wurde dass ihnen beide Funktionen zukommen McMahan halt diesen Ausweg fur eine Ad hoc Begrundung die sich aus ethischen Problemstellungen jenseits der Asymmetrie nicht motivieren oder wiederfinden lasse Algander 2012 widerspricht an dieser Stelle und fuhrt entsprechende Beispiele an Eine andere Verteidigung der Asymmetrie hat Roberts 2011 vorgeschlagen die sie Variabilismus nennt da die zugeschriebene moralische Erheblichkeit von Handlungen mit dem Kontext in dem die Handlung stattfindet variiert Demnach habe der Verlust innerhalb einer moglichen Welt in der die Person die einen Verlust erfahrt existiert oder sicher existieren wird volle moralische Erheblichkeit sowohl fur Handlungen die diesen Verlust bedingen als auch fur alternative Handlungen die diesen Verlust vermeiden Andererseits habe ein Verlust derselben Person innerhalb einer Welt in der die Person niemals existiert keine irgendwie geartete moralische Erheblichkeit 4 Alternativen zur Asymmetrie BearbeitenDie Probleme bei der Begrundung der Asymmetrie haben manche Autoren veranlasst Positionen zu finden die jeweils Teile der Asymmetrie zuruckweisen Dafur gibt es verschiedene Strategien Zunachst kann man ahnlich wie bei Roberts Variabilismus die Menge der von Moral betroffenen Personen einschranken Insbesondere fur utilitaristische Theorien ist eine Bestimmung dieser Menge kruzial Dabei gibt es die Moglichkeiten alle Personen in Betracht zu ziehen unabhangig davon ob sie existieren oder nicht Totalismus Andererseits kann man nur tatsachlich existierende Personen in Betracht ziehen Existentialismus 5 oder notwendigerweise existierende Personen 6 Viele weitere Bestimmungen sind vorstellbar In McMahan 2009 wurde eine weitere Systematik der Positionen die die Asymmetrie zuruckweisen vorgeschlagen Subjektiv symmetrische Positionen Bearbeiten Die subjektiv symmetrischen Positionen gehen davon aus dass sich moralische Ubel immer auf die Erfahrungen von existierenden Subjekten beziehen mussen Somit kann die subjektiv symmetrische Position zwar begrunden weshalb es moralisch neutral ist gluckliche Existenzen zu bedingen sie muss aber die These dass es ceteris paribus ein Ubel ware eine Person mit der Aussicht auf ein miserables Leben in die Welt zu setzen zuruckweisen Solch eine Positionierung ist in Heyd 1994 S 80 ff vorgeschlagen Eine weitere kritisierte Schlussfolgerung dieser Position ist dass es plotzlich einen erheblichen Unterschied macht ob eine Existenz von vornherein verhindert wird oder unmittelbar nach ihrem Beginnen vernichtet wird 7 Unpersonlich symmetrische Positionen Bearbeiten Unpersonlich symmetrische Positionen gehen davon aus dass es neben personenbezogenen Ubeln und Gutern auch unpersonliche Werte gibt d h solche Ubel und Guter die sich nicht auf Ziele oder Erfahrungen von Individuen beziehen Beispiele die Vertreter fur solche nicht personenbezogenen Werte anfuhren wurden waren etwa bestimmte Begriffe von moralischer Gleichheit oder ein inharenter Wert der Natur wie er von Teilen der Umweltethik unterstellt wird Relevanter fur die Asymmetrie ist dass die prospektive Existenz einer glucklichen Person sich auch als solch ein impersonales Gut auffassen liesse Symmetrisch ist die Position weil die prospektiven positiven und negativen Erfahrungen der Personen in spe als unpersonliche Werte gleichermassen in die ethische Abwagung mit einbezogen werden Das hat zur Folge dass sich der erste Teil der Asymmetrie begrunden lasst Allerdings wird es dann auch mindestens zu einer Tugend die Existenz glucklicher Personen zu bedingen Bradley 2013 optiert fur solch eine Auflosung der Asymmetrie Problematisiert wurde an dieser Auflosung neben der Zuruckweisung des zweiten Teils der Asymmetrie auch dass es unter ihren Vorzeichen mitunter ceteris paribus verwerflicher sein konnte eine Existenz zu verhindern als eine Existenz zu beenden weil unter geeigneten Umstanden bei der beendeten Existenz weniger gluckliche Lebenszeit vorenthalten wurde als bei der ganzlich verhinderten Antinatalistische Position Bearbeiten Eine weitere Moglichkeit ist dadurch gegeben unpersonliche Ubel anzuerkennen weniger Leid ist immer besser als mehr Leid aber unpersonliche Guter zuruckzuweisen Weniger Gluck ist nur dann ein Ubel wenn eine Person individuiert werden kann fur die das Fehlen von Gluck auch ein Ubel ist 8 Diese Position erkennt den ersten Teil der Asymmetrie an muss aber den zweiten Teil zuruckweisen und implizieren dass das Bedingen jeder personalen Existenz immer ein moralisches Ubel darstellt sofern diese Existenz nur irgendwelche intrinsischen Ubel beinhalten werde Sofern dieses Ubel auch nicht aufgewogen werden kann folgt schon dass jede Fortpflanzung ein moralisches Ubel darstellt Diese Schlussfolgerung ordnet diese Auflosung in die sogenannten antinatalistischen Positionen lat anti gegen und natalis Geburt ein und wird in der analytischen Philosophie am prominentesten von David Benatar vertreten Sie wurde aus einer Reflexion uber die Asymmetrie entwickelt Im Gegensatz zu anderen antinatalistischen Positionierungen wie etwa seitens der Church of Euthanasia dem Voluntary Human Extinction Movement oder aber auch im Gegensatz zur Position von Schopenhauer und den antinatalistischen Teilen der Tiefenokologie setzt das Argument von Benatar kein misanthropes Weltbild voraus und kann affirmieren dass personales Leben unter geeigneten Bedingungen im Grossen und Ganzen ein gutes Leben ist Jenseits der Ereiferungen die die antinatalistische Schlussfolgerung dieser Auflosung der Asymmetrie ausgelost hat argumentiert McMahan 2009 mit einem Gedankenexperiment gegen Benatars Voraussetzungen Angenommen von zwei potentiellen Personen A und B sei bekannt dass A ein miserables Leben von kurzer Dauer haben wurde und B ein langes und im Grossen und Ganzen lebenswertes Leben Allerdings enthalte das Leben von B etwa aufgrund von Krankheit in der Summe eine erheblich langere miserable Zeit als das Leben von A und in dieser Zeit gehe es B mindestens vergleichbar schlecht wie A Musste man sich nun aus irgendwelchen Grunden zwischen dem Bedingen einer Existenz entweder vom Typ A oder B entscheiden sei Benatar aufgrund seiner Voraussetzung zum kontraintuitiven Urteil gezwungen die Existenz vom Typ A vorzuziehen Benatar sieht diesen Zwang nicht und halt dagegen dass im Moment der Entscheidung zwischen entweder A oder B beide Personen schon irgendwie existieren und daher die personenbezogenen Guter die das Leben von B im Grossen und Ganzen lebenswert machen mit in die Entscheidung einbezogen werden konnen 9 Weblinks BearbeitenMelinda Roberts The Nonidentity Problem Abschnitt zur Asymmetrie In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Literatur BearbeitenPer Algander A Defence of the Asymmetry in Population Ethics In Res Publica Band 18 Nr 2 Mai 2012 ISSN 1356 4765 S 145 157 doi 10 1007 s11158 011 9164 0 Gustaf Arrhenius The person affecting restriction comparativism and the moral status of potential people In Ethical Perspectives Band 10 Nr 3 2005 S 185 195 kuleuven be David Benatar Better never to have been the harm of coming into existence Clarendon Press Oxford 2009 ISBN 978 0 19 954926 9 David Benatar Still Better Never to Have Been A Reply to More of My Critics In The Journal of Ethics Band 17 Nr 1 2 1 Juni 2013 ISSN 1382 4554 S 121 151 doi 10 1007 s10892 012 9133 7 Ben Bradley Asymmetries in Benefiting Harming and Creating In The Journal of Ethics Band 17 Nr 1 2 Juni 2013 ISSN 1382 4554 S 37 49 doi 10 1007 s10892 012 9134 6 Krister Bykvist The benefits of coming into existence In Philosophical Studies Band 135 Nr 3 2007 S 335 362 Daniel J Elstein The Asymmetry of Creating and Not Creating Life In The Journal of Value Inquiry Band 39 Nr 1 Marz 2005 ISSN 0022 5363 S 49 59 doi 10 1007 s10790 006 7256 4 David Heyd Genethics Moral Issues in the Creation of People University of California Press 1994 Jeff McMahan Problems of population theory In Ethics Band 92 Nr 1 1981 S 96 127 Jeff McMahan Harming Future Persons Hrsg Melinda A Roberts International Library of Ethics Law and the New Medicine Springer Netherlands 2009 ISBN 978 1 4020 5696 3 Asymmetries in the Morality of Causing People to Exist S 49 68 Derek Parfit Reasons and Persons Reprint Auflage Oxford University Press USA 1986 ISBN 0 19 824908 X Ingmar Persson Harming future persons ethics genetics and the nonidentity problem Hrsg Melinda A Roberts Springer Dordrecht London 2009 ISBN 978 1 4020 5697 0 Rights and the Asymmetry Between Creating Good and Bad Lives S 29 47 Stuart Rachels Is it good to make happy people In Bioethics Band 12 Nr 2 1998 S 93 110 Melinda A Roberts The asymmetry A solution In Theoria Band 77 Nr 4 2011 S 333 367 Peter Singer Practical ethics Cambridge University Press 1993 Michael Tooley Value obligation and the asymmetry question In Bioethics Band 12 Nr 2 1998 S 111 124 Einzelnachweise Bearbeiten Benatar 2009 S 32 Stets eigene Ubersetzungen Roberts 2011 S 1 2 Parfit 1986 S 390 Roberts 2011 S 356 Terminologie nach Singer 1993 S 87 90 Arrhenius 2005 S 193 McMahan 2009 Benatar 2009 S 32 Benatar 2013 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