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Die Anti Alkohol Kampagne in der Sowjetunion 1985 1991 war ein Politikansatz des damaligen Generalsekretars der KPdSU Michail Gorbatschow den Alkoholkonsum im Land durch politische Massnahmen einzuschranken und dadurch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Alkoholismus zu verringern Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Kampagne 3 Auswirkungen Scheitern und politische Folgen 4 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenIn der sowjetischen bzw russischen Gesellschaft hatte der Wodka traditionell einen hohen Stellenwert und war als relativ einfach verfugbares und leistbares Rauschmittel besonders in der Arbeiterschaft sehr beliebt Damit einhergehend sank die Lebenserwartung fur Manner in der Sowjetunion seit den 1960er Jahren merklich Mitte der 1980er Jahre betrug die Lebenserwartung eines Mannes nur etwa 63 Jahre zwolf Jahre weniger als in den Vereinigten Staaten zur gleichen Zeit Schatzungen zufolge verursachte der Alkoholismus unter Arbeitern der Kolchosen einen Ernteausfall von fast einem Drittel 1 Zu Beginn der Siebzigerjahre gab es in der Sowjetunion etwa acht Millionen Alkoholiker zehn Jahre spater lag diese Zahl bereits bei rund 20 Millionen wobei die starksten Zuwachse vor allem bei Frauen und Minderjahrigen zu verzeichnen waren 2 Bereits Gorbatschows Vorganger als Generalsekretar Juri Andropow hatte durch verstarkte Uberwachung der Fabriken durch Polizei und Geheimdienst versucht die negativen Auswirkungen des Alkohols auf Arbeitsmoral und Produktivitat zu vermindern und forderte seine Landsleute auf Wodka durch Bier oder Wein zu ersetzen Gorbatschow verwies vor allem auf die hohe Zahl an Arbeitsunfallen nach Zahltagen als er den Alkohol als schlimmsten Feind des Landes bezeichnete Kampagne BearbeitenAm 5 Mai 1985 veroffentlichten samtliche sowjetischen Zeitungen den Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU Uber die Massnahmen zur Uberwindung der Trunksucht und des Alkoholismus Ab dem 1 Juni war der Verkauf alkoholischer Getranke nur noch zwischen 11 und 19 Uhr gestattet und es wurden Hochstverkaufsmengen pro Person festgelegt Zudem wurden fast zwei Drittel aller Verkaufsstellen geschlossen in Moskau wurde wer von der Polizei betrunken aufgegriffen wurde mit einer Geldstrafe von einem halben Monatslohn oder bis zu 15 Tagen Haft bestraft Eine grosse Zahl an Destillerien und Brauereien wurde geschlossen in den Sowjetrepubliken Moldau und Ukraine wurden uber 140 000 Hektar Weinanbauflache vernichtet Im kulturellen Bereich wurde durch Plakat und Fernsehwerbung versucht auf die Menschen einzuwirken zudem wurden Filme und Fotos die Alkohol positiv darstellten zensiert und retuschiert 1 Hoheren Parteifunktionaren und leitenden Angestellten in Industriebetrieben wurde die Entlassung und der Ausschluss aus der Partei angedroht das gesetzliche Mindestalter fur Alkoholkonsum erhohte man von 18 auf 21 Jahre 3 Auswirkungen Scheitern und politische Folgen BearbeitenDie Massnahmen erwiesen sich als ausserst unpopular obwohl sie gesundheitspolitisch sehr erfolgreich waren Alkoholbedingte akute Sterbefalle in Russland gingen um rund zwei Drittel zuruck und die allgemeine Lebenserwartung der Russen erhohte sich binnen kurzester Zeit um rund zwei Jahre 4 Allerdings erhohte sich die Produktivitat nicht da viele Arbeiter ihren Arbeitsplatz verliessen um vor den wenigen noch geoffneten Geschaften Schlange zu stehen und es bildete sich ein reger Schwarzmarkt auf dem sowohl kriminelle Banden als auch Durchschnittsburger selbstgebrannten Schnaps Samogon produzierten und verkauften der oft von zweifelhafter Qualitat und daher gesundheitsschadlich war Ein Anzeichen fur den Anstieg an Eigenproduktion war etwa dass es zu Hamsterkaufen von Zucker kam Auch Zahnpasta wurde knapp da sie ein geeignetes Mittel war um die Alkoholfahne zu uberdecken 1 Eine verheerende Folge fur den sowjetischen Staat waren auch die Ausfalle von Steuereinnahmen die mit insgesamt zehn Milliarden Rubel pro Jahr quantifiziert wurden Auch nach Beendigung der Kampagne im Oktober 1988 stiegen die Einnahmen nur langsam da das Staatsmonopol auf Branntweinherstellung de facto nicht mehr bestand Hinzu kam der Popularitatsverlust fur Gorbatschow Er wurde von der Bevolkerung als Genosse Orangensaft und Mineralsekretar statt Generalsekretar verspottet dieses negative Image schadigte ihn in den Wendejahren 1991 92 im Machtkampf mit dem alkohol affinen Boris Jelzin 5 Nach Ende der Anti Alkohol Kampagne sank die Lebenserwartung der Russen wieder rapide sogar unter das Niveau von vor der Kampagne 4 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Der Spiegel Eines Tages Hammer und Pichel Gyorgy Dalos Gorbatschow Mensch und Macht Eine Biografie C H Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 61340 1 S 64 Die Zeit 22 1985 Gorbatschows Kampf gegen den Alkoholismus a b Leon D A Shkolnikov V M McKee M Fur Manner gilt Viel trinken und fruher sterben Demografische Forschung Aus Erster Hand 6 4 4 2009 Steven Morwood The demise of the command economies in the Soviet Union and its outer Empire in Michael J Oliver Derek H Aldcroft Hg Economic Disasters of the twentieth Century Edmund Elgar Cheltenham 2008 ISBN 978 1 84844 158 3 S 258 311 hier S 286 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anti Alkohol Kampagne in der Sowjetunion 1985 1991 amp oldid 231788131