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Anci Piri auch Anchi Piri oder Anci Pini deutsch Obsidian Schnittwunde spater Nuye fur schneiden Hence fur tatowieren und schreiben oder sinuye fur sich selbst schneiden 1 2 ist die Bezeichnung fur die ehemalig traditionelle Tatowierungen die von Frauen der japanischen Ureinwohner Ainu uberwiegend in der Provinz Tokachi getragen wurden 1 Frau mit der traditionellen Tatowierung am Mund Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Anthropologische Forschung 1 2 Repression und Verbot 2 Durchfuhrung 3 Muster und Motive 4 Medizin und Spiritualitat 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAnci Piri konnte zuruckfuhrend bis auf die Zeit um 4500 v Chr nachgewiesen werden und entstand vermutlich in der Jōmon Zeit Keramikfunde die sich auf diese Zeit zuruckdatieren lassen weisen Zierfurchen in Form von Linien auf wie sie auch in den Tatowierungen wiedergefunden wurden 3 Anthropologische Forschung Bearbeiten nbsp Der englische Missionar John Batchelor Mitte beschrieb die Tatowierungen in mehreren seiner SchriftenDie Beschreibung des niederlandischen Seefahrers Maarten Gerritszoon de Vries aus dem Jahr 1643 gilt mitunter als die alteste Schrift aus dem westlichen Kulturraum in der die Praxis erwahnt wird De Vries ging jedoch davon aus dass es sich bei den Motiven um eine Korperbemalung handelte In den Beschreibungen weiterer Entdecker beispielsweise des Japaners Mamiya Rinzō wurde ebenfalls die Vermutung geaussert es konne sich um Bemalungen handeln Das Werk Sangoku Tsuran Zusetsu 三国通覧図説 An Illustrated Description of Three Countries des japanischen Gelehrten Hayashi Shihei aus dem Jahr 1785 zahlt ausserdem zu den seltenen Schriften in der die Tatowierungen der Ainu beschrieben wurden Gegen Ende des 19 Jahrhunderts wurden mehrere Beschreibungen veroffentlicht Darunter in dem Werk Unbeaten Tracks in Japan von der englischen Reiseschriftstellerin Isabella Bird aus dem Jahr 1880 sowie Ethnological Studies of the Ainu on the island of Ezo aus dem Jahr 1881 des osterreichischen Japanologen Heinrich von Siebold ausserdem mehrere Veroffentlichungen des englischen Missionars John Batchelor der mehrere Jahre unter den Ainu lebte Den Tatowierungen unter den Ainu auf Sachalin kam aufgrund seltener Erwahnungen aus anthropologischen Berichten vermutlich weniger Bedeutung zu als beispielsweise auf der Insel Hokkaidō 4 Repression und Verbot Bearbeiten In der von zahlreichen Umbruchen gekennzeichneten Edo Zeit wurde das Tatowieren 1799 in Japan verboten was neben den Ainu auch Ethnien in Taiwan betraf Da die Praxis jedoch Bestandteil der kulturellen Identitat der Ainu war fuhrten sie die Tradition fort 1871 wurde erneut ein Tatowierverbot fur Neugeborene ausgesprochen und mit der Grausamkeit des Rituals begrundet Damit einhergehend hatte auch die Akzeptanz der Tatowierung innerhalb der japanischen Gesellschaft abgenommen und wurde in der offentlichen Wahrnehmung mit Kriminalitat assoziiert und als Verstummelung betrachtet die schwer mit dem vorherrschenden Konfuzianismus in Einklang zu bringen war Da die Tatowierungen von den Ainu als Voraussetzung zur Eheschliessung und den Frieden mit den Gottern betrachtet wurden sahen sie sich in ihrer Kultur kriminalisiert und in die Illegalitat gedrangt 2 Nach einem weiteren Verbot das im 20 Jahrhundert von der japanischen Regierung ausgesprochen wurde verschwanden die Tatowierungen letztlich in den 1920er Jahren Bei feierlichen Anlassen ersetzten die Frauen die Muster und Motive durch Korperbemalungen mit Tinte 3 5 Die letzte Frau mit Anci Piri nach Ainu Tradition starb im Jahr 1998 2 Durchfuhrung Bearbeiten nbsp Frau mit verhaltnismassig breit tatowierten Lippenumrandungen nbsp Frau mit schmaler tatowierten LippenumrandungenDie Ainu Bezeichnung fur das Verb tatowieren ist nuye einschneiden oder sinuye tatowieren wortlich sich einschneiden 1 Die Madchen erhielten ihre ersten Tatowierungen unterschiedlichen Angaben zufolge im Alter zwischen acht und 14 3 oder zwischen elf und 21 5 Jahren in mehreren Etappen und uber mehrere Jahre hinweg Die gesamte Prozedur sollte moglichst vor Geburt des ersten Kindes abgeschlossen sein da sie als Vorbereitung auf die Schwangerschaft verstanden wurde 3 Zunachst wurden die Lippen tatowiert Einige Jahre nachdem der Mundbereich tatowiert worden war bekamen die Madchen die Muster in die Hande und Unterarme gestochen 2 Die Haut wurde mit einer aufgekochten Losung aus Birkenrinde und klarem Wasser gewaschen und von den Grossmuttern oder Tanten mutterlicherseits gestochen Sie wurden Tatowierungs Tanten oder Tatowierungsfrauen genannt und genossen hohes gesellschaftliches Ansehen Fur die Durchfuhrung wurde ein Metallsplitter oder ein scharfes Obsidian Stuck verwendet Dessen Spitze war je nach gewunschter Einstichtiefe an einer bestimmten Stelle mit Fasern umwickelt um das Gesteinglas nur bis dahin und nicht tiefer in die Haut eindringen zu lassen Spater wurden die traditionellen Messer Makiri genutzt Der Sud wurde ebenfalls mit Birkenholz Rinde aufgekocht Der Russ der sich dabei am Kesselboden sammelte wurde als Farbpigment mit den Fingern in die Wunden gerieben und gab der Tatowierung ihre schwarz blaue Farbe Begleitend sang die Tatowiererin uber die Schonheit der Tatowierung Im Anschluss wurde erneut Russ aufgetragen und mit der Formel pas ci yay roski roski pas ren ren beschworen Muster und Motive BearbeitenDie Tattoo Motive variierten regional Junge Madchen trugen in der Regel zunachst einen Punkt auf der Oberlippe Mit fortschreitendem Alter wurde nach und nach der gesamte Mundbereich tatowiert Bei diesen sogenannten Ainu Barten handelte es sich um Tatowierungen auf den Lippen und um den Mund die an den Mundwinkeln und uber die Wangen spitz zuliefen und in ihrer Form einem Schnurrbart ahnlich waren Weitere Verzierungen an den Mundwinkeln wurden in der Regel von Frauen hoherer Gesellschaftsschichten getragen Des Weiteren trugen die Frauen der Ainu wellenformige Linien um die Augenbrauen beziehungsweise auf der Stirn und meist netz und rautenformige geometrische Muster ahnlich einer Fischhaut auf den Handen und Unterarmen Die Motive dienten wie auch die Mund Tatowierungen dazu bose Geister fernzuhalten Tatowierte Zopfmuster entsprachen der traditionellen Flechttechnik mit der auch Verstorbene der Ainu eingebunden wurden Medizin und Spiritualitat BearbeitenDie jahrhundertealte Tradition war religiosen Ursprungs und Ausdruck sozialer Rangordnung erwachsener und heiratsfahiger Frauen Die tatowierten Lippen galten als Voraussetzung fur ein gemeinsames Leben nach dem Tod mit verstorbenen Vorfahren Ausserdem wurde den Tatowierungen eine medizinische Wirkung zugeschrieben Nach dem Glauben der Ainu war das Tatowieren auf Okikurumi Turesh Machi die jungere Schwester des Schopfers Okikurumi zuruckzufuhren 2 Dem als Tatowierfarbe verwendeten Russ wurde eine spirituelle Wirkung zugeschrieben Da er durch Feuer entstanden war und um den Mund eintatowiert wurde sollte es dem Glauben der Ainu entsprechend bose Geister davon abhalten oral oder nasal in die Tatowierten einzudringen Dem Feuer und der Feuergottin Ape huci kamuy wurden besondere Bedeutung beigemessen Um das Eindringen durch die Ohren zu verhindern trugen die Frauen Amulette in Form von Ohrringen Das bei dem Tatowiervorgang heraustretende Blut wurde mit einem mit Rindensud getrankten Tuch abgewischt 5 Den Tatowierungen wurde ausserdem eine heilende und schutzende Wirkung zugeschrieben Die Blutungen beim Stechen wurden als Reinigung verstanden Um Rheuma zu bekampfen liessen sich einige Frauen den Rucken und die Schultern tatowieren Ausserdem bestand der Glaube bei Augenproblemen die Sehkraft mit dem Ubertatowieren beziehungsweise Erneuern alter und ausgeblichener Tatowierungen verbessern zu konnen Die Ainu vertraten ausserdem die Annahme durch die Tatowierungen in den Augen von Damonen zu gottgleichen Wesen zu werden und somit vor Unheil geschutzt zu sein 3 Siehe auch BearbeitenGesellschaftliche Bedeutung von Tatowierungen in Japan Liste von Ethnien mit traditionellen KorpermodifikationenLiteratur BearbeitenW R Van Gulik Irezumi The Pattern of Dermatography in Japan 1982 Seite 181 ff Neil Gordon Munro Ainu creed and cult New York Columbia University Press 1963 Torii Ryuzō Les Ainou des Iles Kouriles 1919 M Inez Hilger Together with the Ainu A Vanishing People University of Oklahoma Press 1971 Seite 150 154 E F Podach Der angebliche Bart der Ainu Frauen Zeitschrift fur Ethnologie Organ der Berliner Gesellschaft fur Volkerkunde Band 75 Braunschweig 1950 S 79 ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Anci Piri Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Lars Krutak Tattooing Among Japan s Ainu People englisch Einzelnachweise Bearbeiten a b c W R Van Gulik Irezumi The Pattern of Dermatography in Japan 1982 a b c d e Lars Krutak Tattooing Among Japan s Ainu People englisch a b c d e Manfred Hainzl Petra Pinkl Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der Tatowierung PDF 230 kB Seite 34 W R Van Gulik Irezumi The Pattern of Dermatography in Japan 1982 Seite 181 ff a b c Ainu people Memento vom 2 Oktober 2013 imInternet Archive bei tattooarchive com englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anci Piri amp oldid 236785274