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Analogie als sprachwissenschaftlicher Begriff ist die Angleichung einer vor allem lautlichen Form an eine oder mehrere bereits vorhandene Form en Sie steht als kognitive Operation und somit als Sprecherstrategie den Sprechern stets zur Verfugung und spielt eine besondere Rolle im grammatischen Wandel und im Spracherwerb Sie wurde von den Junggrammatikern als Gegengewicht zum Prinzip der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze angenommen und ist in dieser Lehre der zweite Hauptfaktor im Sprachwandel Die Analogie basiert auf der Assoziation entweder voneinander lautlich entsprechenden Wortern oder einander grammatisch entsprechenden Wortformen die dann aneinander angepasst werden Genauer Sie besteht in der Anwendung einer Proportion nach folgendem Schema a 1 b 1 a 2 b 2 displaystyle a 1 b 1 a 2 b 2 Hier sind a1 a2 und b1 gegeben und b1 ist a1 ahnlich Aufgrund dieser Ahnlichkeit schliesst man dass die vierte Form b2 sein muss Es seien z B a1 lebe a2 lebte und b1 webe Dann ist b2 webte Die ursprunglich uberlieferte Form wob kommt bei der Anwendung der Proportion nicht vor sie kann daher langfristig durch die analogisch gebildete Form ersetzt werden Allerdings konnen die ursprunglich uberlieferte und die neue Form eine Zeit lang konkurrieren Setzt die Analogie sich durch kommt es zu einem Ausgleich innerhalb des sprachlichen Systems und damit zu seiner Vereinfachung Sprachokonomie Inhaltsverzeichnis 1 Analogie in der Sprachentwicklung 2 Analogie als Sprecherstrategie 3 Richtung der Analogie 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseAnalogie in der Sprachentwicklung BearbeitenHaufig angefuhrte Beispiele fur die Wirkung der Analogie in der Sprachgeschichte sind dt backen Prateritum backte statt buk nach dem Vorbild dt hacken Prateritum hackte und dt des Nachts nach dem dt Vorbild des Tag e s Weitere Beispiele Fruhneuhochdeutsch ich er was wurde durch neuhochdeutsch ich er war ersetzt wobei der Singular an die Formen des Plurals angepasst wurde fruhneuhochdeutsch du darft solt wilt wurde durch neuhochdeutsch du darfst sollst willst ersetzt wodurch die 2 Person Singular einiger Modalverben an die Formen der grossen Masse der Verben angeglichen wurde 1 Analogie als Sprecherstrategie BearbeitenIn der Spracherwerbsforschung gilt die Analogie als eine Strategie unter mehreren die Kinder anwenden um bestimmte Lernvorgange zu bewaltigen Sie nehmen sich eine bereits gelernte Form zum Vorbild um noch nicht beherrschte Formen danach zu bilden So kommt es zum Beispiel zu den haufig beobachteten schwachen Praterita von an sich starken Verben ich singte und dergleichen Auf die gleiche Weise kommen oft abweichende Pluralformen zustande statt Hunde etwa Hunde oder Hunder 2 Die gleiche Strategie setzen auch Erwachsene ein wenn sie einen Ausdruck benutzen dessen Verwendungsbedingungen ihnen nicht vollig vertraut sind 3 Wenn durch Anwendung der Analogie falsche Sprachformen entstehen spricht man von Ubergeneralisierungen 4 Richtung der Analogie BearbeitenWenn die Flexion eines Wortes Unregelmassigkeiten aufweist besteht eine Tendenz diese Unregelmassigkeiten zu beseitigen Sprachokonomie Der im Abschnitt Analogie in der Sprachentwicklung erwahnte Fall der Modalverben ist ein Musterbeispiel dafur Fast alle Verben druckten in fruhneuhochdeutscher Zeit die 2 Person Singular durch die Endung st aus einige wenige aber durch t Beide Formen konnten zum Vorbild fur die Umgestaltung der jeweils anderen werden Die wahrscheinliche Richtung ist aber dass die wenigen Verben die t haben sich nach den vielen anderen richten Genau das ist auch geschehen Mit der generellen Frage in welcher Richtung solche Umgestaltungsprozesse verlaufen hat sich der polnische Sprachwissenschaftler Witold Manczak befasst Er hat eine ganze Reihe von Hypothesen aufgestellt welche Formen wahrscheinlich als Vorbilder fur die Umgestaltung dienen sollten Zu diesen Hypothesen gehort die Annahme dass der Singular der Worter eher ihren Plural beeinflusst als umgekehrt der Indikativ eher die anderen Modi als umgekehrt und so weiter 5 Literatur BearbeitenKarl Heinz Best Probleme der Analogieforschung Commentationes Societatis Linguisticae Europaeae VI Hueber Munchen 1973 Hadumod Bussmann Hrsg Lexikon der Sprachwissenschaft 3 aktualisierte und erweiterte Auflage Kroner Stuttgart 2002 ISBN 3 520 45203 0 Wolfgang Butzkamm u Jurgen Butzkamm Wie Kinder sprechen lernen Kindliche Entwicklung und die Sprachlichkeit des Menschen Francke Tubingen Basel 1999 ISBN 3 7720 2731 8 Yali Gao Analogie und Wortbildung Eine Wortbildungstheoretische Anwendung des Analogiebegriffs Wilhelm von Humboldts Dissertation Universitat Passau 2000 Volltext Hermann Paul Prinzipien der Sprachgeschichte Berlin 1880 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Analogie Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Analogie als Mechanismus des grammatischen WandelsEinzelnachweise Bearbeiten Zum Verlauf der Umgestaltung der starken Verben des Hilfsverbs sein und der Modalverben siehe Karl Heinz Best Spracherwerb Sprachwandel und Wortschatzwachstum in Texten Zur Reichweite des Piotrowski Gesetzes In Glottometrics 6 2003 S 9 34 PDF Volltext Karl Heinz Best Quantitative Linguistik Eine Annaherung 3 stark uberarbeitete und erganzte Auflage Peust amp Gutschmidt Gottingen 2006 ISBN 3 933043 17 4 besonders S 107 109 Butzkamm amp Butzkamm 1999 215 Nora Wiedenmann Versprecher und die Versuche zu ihrer Klarung Ein Literaturuberblick Wissenschaftlicher Verlag Trier Trier 1992 ISBN 3 88476 054 8 Seite 64 66 Helmut Gluck Herausgeber Metzler Lexikon Sprache 4 aktualisierte und uberarbeitete Auflage Verlag J B Metzler Stuttgart Weimar 2010 ISBN 978 3 476 02335 3 Stichwort Ubergeneralisierung Witold Manczak Frequence et evolution In Statistique et analyse linguistiques Colloque de Strasbourg 20 22 avril 1964 Presses Universitaires der France Paris 1966 S 99 103 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Analogie Sprachwissenschaft amp oldid 194314084