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Der Aktionsrat zur Befreiung der Frauen war eine 1968 in West Berlin entstandene feministische Gruppe innerhalb der Ausserparlamentarischen Opposition Mit dem Engagement dieser Gruppe wird der Beginn der Frauenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland datiert Bekannt wurde die Gruppe vor allem durch den Tomatenwurf auf Hans Jurgen Krahl der eine bekannte Personlichkeit aus dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund SDS war und durch das Grunden von Kinderladen Als Ort fur die wochentlichen Treffen des Aktionsrats fanden sich die Raume des Republikanischen Clubs 1 Inhaltsverzeichnis 1 Grundung von Kinderladen 2 Helke Sanders Rede und der Tomatenwurf 2 1 Helke Sanders Rede 2 2 Der Tomatenwurf 3 Kindergartnerinnenstreik 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGrundung von Kinderladen BearbeitenDie Entstehung des Aktionsrats hangt eng mit der Grundung von Kinderladen zusammen Der erste Kinderladen entstand auf Initiative von Monika Seifert im Umfeld des SDS im September 1967 in Frankfurt am Main Monika Seifert war durch die Schriften Wilhelm Reichs zur Selbstregulierung von Kindern auf die Idee gekommen einen Kinderladen zu grunden 2 Zeitgleich gab es in einer anderen Universitatsstadt in Berlin ahnliche Bestrebungen Kinderladen zu grunden Die Initiative ging hier von Helke Sander aus die von Alexander Neills Konzept der freien Summerhill Schule beeinflusst gewesen ist und in den Zwiespalt geriet ihre politische Tatigkeit mit der Betreuung ihres Kindes zeitlich zusammenzubringen Sie verfasste mit anderen Frauen ein Flugblatt welches im Januar 1968 an der Freien Universitat Berlin verteilt wurde Hierauf kam es zu einer Versammlung von 80 bis 100 Frauen und einigen wenigen Mannern die sich weiterhin regelmassig treffen wollten Aus diesen Treffen ging der Aktionsrat zur Befreiung der Frauen hervor Wahrend der Versammlung wurde zudem der Grundstock fur die Schaffung von funf Berliner Kinderladen gelegt 2 Helke Sanders Rede und der Tomatenwurf BearbeitenHelke Sanders Rede Bearbeiten Wahrend einer Rede auf der 23 Delegiertenkonferenz des SDS am 13 September 1968 stellte Sander das Konzept des Aktionsrats dar Der Aktionsrat sah sich einerseits dem SDS verbunden da nur dieser progressiv genug sei eine Zusammenarbeit mit dem Aktionsrat zu gewahrleisten andererseits kritisierte der Aktionsrat auch die beiden Stromungen im SDS Wir sprechen hier weil wir wissen dass wir unsere Arbeit nur in Verbindung mit anderen progressiven Organisationen leisten konnen und dazu zahlt unserer Meinung nach heute nur der SDS Die Zusammenarbeit hat jedoch zur Voraussetzung dass der Verband die spezifische Problematik der Frauen begreift was nichts anderes heisst als jahrelang verdrangte Konflikte endlich im Verband zu artikulieren Damit erweitern wir die Auseinandersetzung zwischen den Antiautoritaren und der KP Fraktion und stellen uns gleichzeitig gegen beide Lager da wir beide Lager praktisch wenn auch nicht dem theoretischen Anspruch nach gegen uns haben 3 In der Rede kritisierte sie die auch im SDS vorherrschende Trennung zwischen dem Politischen und dem Privaten welche die Ausbeutung der Frauen verschleiere Sander kritisierte dass man einen bestimmten Bereich des Lebens vom gesellschaftlichen abtrennt ihn tabuisiert indem man ihm den Namen Privatleben gibt In dieser Tabuisierung unterscheidet sich der SDS in nichts von den Gewerkschaften und den bestehenden Parteien Diese Tabuisierung hat zur Folge dass das spezifische Ausbeutungsverhaltnis unter dem die Frauen stehen verdrangt wird wodurch gewahrleistet wird dass die Manner ihre alte durch das Patriarchat gewonnene Identitat noch nicht aufgeben mussen Man gewahrt zwar den Frauen Redefreiheit untersucht aber nicht die Ursachen warum sie sich so schlecht bewahren warum sie passiv sind warum sie zwar in der Lage sind die Verbandspolitik mit zu vollziehen aber nicht dazu in der Lage sind sie auch zu bestimmen 3 Kritisiert wurde dass in dem Engagement fur Kinderladen einige der wenigen Manner sich Fuhrungspositionen sicherten und die Kinderladen in Arbeitervierteln etablieren wollten Der Versuch moglichst schnell andere Bevolkerungsschichten mit unseren Kinderladen zu erfreuen mag darauf zuruckzufuhren sein dass sich die Manner nach wie vor weigern ihre eigenen Konflikte zu artikulieren Im Augenblick haben wir der Arbeiterschaft nichts zu bieten Wir konnen nicht Arbeiterkinder in unsere Kinderladen nehmen wo sie ein Verhalten lernen fur das sie zu Hause bestraft werden Die Voraussetzungen dazu mussen fur die Arbeiter erst geschaffen werden 3 Die von Sander vorgestellte Arbeit des Aktionsrates umfasste unter anderem funf Punkte Wir haben unsere Arbeit vorerst beschrankt auf Erziehungsfragen und alles was damit zusammenhangt Alles Geld geht im Augenblick in die Kinderladen und die dafur notwendigen Vorbereitungsarbeiten Wir nehmen uns Zeit fur die Vorbereitungsarbeiten und die Politisierung des Privatlebens Wenn die Modelle der Kinderladen uns praktikabel erscheinen werden wir uns auf die Schulen konzentrieren Daneben wird naturlich theoretische Arbeit geleistet die in grosseren Zusammenhangen argumentiert 3 Zum Schluss folgte eine Kampfansage an die Manner im SDS Genossen wenn ihr zu dieser Diskussion die inhaltlich gefuhrt werden muss nicht bereit seid dann mussen wir allerdings feststellen dass der SDS nichts weiter ist als ein aufgeblasener konterrevolutionarer Hefeteig Die Genossinnen werden dann die Konsequenzen zu ziehen wissen 3 Der Tomatenwurf Bearbeiten Bereits im Vorfeld hatte es Widerstande dagegen gegeben dass Helke Sander fur den Aktionsrat zur Befreiung der Frauen einen Delegiertenplatz beim SDS erhielt Sigrid Damm Ruger zur Stimmung wahrend der Rede Die Widerstande der Berliner Genossen liessen uns erahnen mit welchen Reaktionen wir auf der Delegiertenkonferenz zu rechnen hatten Man wurde uns einmal reden lassen und dann zur Tagesordnung ubergehen Zunachst gab es eine Debatte daruber ob wir reden durften weil wir ja das Thema nicht vorbereitet hatten bzw die mannlichen Genossen nicht auf das Thema vorbereitet waren Aber nach einer heissen Debatte kam es dann doch noch dazu dass eine Abstimmung zeigte wir sollten reden und Helke Sander hielt eine Rede 4 Als das ausschliesslich von Mannern besetzte Gremium ohne eine Diskussion des Vortrags von Sander zu anderen Themen ubergehen wollte schmiss die Romanistikstudentin Sigrid Ruger angeblich mit den Worten Genosse Krahl Du bist objektiv ein Konterrevolutionar und ein Agent des Klassenfeindes dazu die beruhmte Tomate auf den SDS Theoretiker Hans Jurgen Krahl 5 Es ist umstritten ob der Angriff geplant gewesen ist Im Ruckblick bemerkte Sigrid Damm Ruger zu dem weiteren Verlauf Die Delegiertenkonferenz konnte nicht zur Tagesordnung ubergehen es wurde anhand einer uber Nacht erstellten Resolution weiter uber die Frauenproblematik diskutiert und die Delegiertenkonferenz musste vertagt werden Die Medien nahmen das Ereignis als Aufstand der Genossinnen gegen ihre Genossen wahr und was dann geschah durfte bekannt sein In vielen Universitatsstadten der Bundesrepublik wurden Aktions oder Weiberrate gegrundet 4 In der Zeitschrift Konkret Nr 12 1968 kritisierte Ulrike Meinhof die Reaktionen von mannlichen Berichterstattern auf den Eklat Die Reaktion der Manner auf der Delegierten Konferenz und die auch der immer noch wohlwollenden Berichterstatter zeigte dass noch erst ganze Guterzuge von Tomaten verfeuert werden mussen bis da etwas dammert Die Konsequenz aus Frankfurt kann nur sein dass mehr Frauen uber ihre Probleme nachdenken sich organisieren ihre Sache aufarbeiten und formulieren lernen und dabei von ihren Mannern erstmal nichts anderes verlangen als dass sie sie in dieser Sache in Ruhe lassen und ihre tomatenverkleckerten Hemden mal alleine waschen vielleicht weil sie gerade Aktionsratssitzung zur Befreiung der Frau hat 6 Im Zuge des Eklats kam es in verschiedenen Universitatsstadten zu studentisch feministischen Weiberraten die ausschliesslich aus Frauen bestanden Wahrend der 24 Delegiertensitzung des SDS vom 17 bis 19 November 1968 in Hannover verscharfte sich der Ton Ein Flugblatt Rechenschaftsbericht kursierte mit der Forderung Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren burgerlichen Schwanzen 7 Kindergartnerinnenstreik BearbeitenFur den 20 Juni 1969 wurde unter organisatorischer Fuhrung des Aktionsrats der erste Kindergartnerinnenstreik geplant Einen Tag lang sollte ein grosser Teil der Berliner Wirtschaft stillstehen da die berufstatigen Mutter nicht hatten zur Arbeit gehen konnen 8 Damit sollte auf die vernachlassigte Situation in den Kindergarten aufmerksam gemacht werden zudem aber auch wirkungsvoll die Macht und der wirtschaftliche Beitrag von Frauen demonstriert werden Zunachst stimmten die zustandigen Gewerkschaften den Planen des Aktionsrats zu sie verhinderten spater jedoch eine gemeinsame Aktion durch langwieriges Taktieren In der Folge zerfiel die Aktion wahrend die Gewerkschaften zu einem Warnstreik am 13 Juni aufriefen verschob der Aktionsrat seine Aktion auf den 13 September des Jahres 8 Siehe auch BearbeitenPolitik der ersten Person FrauenbewegungLiteratur BearbeitenAktionsrat fur die Befreiung der Frau Flugblatt 1967 68 Hille Jan Breiteneicher Rolf Mauff Manfred Triebe und Autorenkollektiv Lankwitz Kinderladen Revolution der Erziehung oder Erziehung zur Revolution Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek bei Hamburg April 1971 ISBN 3 499 11340 6 Ulrike Meinhof 1968 Die Frauen im SDS oder In eigener Sache in Ulrike Meinhof Die Wurde des Menschen ist antastbar Aufsatze und Polemiken Mit einem Nachwort von Klaus Wagenbach Klaus Wagenbach Berlin Marz 2004 ISBN 3 8031 2491 3 S 149 153 Kristina Schulz Der lange Atem der Provokation Die Frauenbewegung in der Bundesrepublik und in Frankreich 1968 1976 Geschichte und Geschlechter Band 40 Campus Frankfurt am Main New York NY 2002 ISBN 3 593 37110 3 Dissertation Universitat Bielefeld und Universitat VII Paris 2002 273 Seiten Helke Sander Aktionsrat zur Befreiung der Frauen 13 September 1968 In Ilse Lenz Hrsg Die Neue Frauenbewegung in Deutschland Abschied vom kleinen Unterschied Ausgewahlte Quellen 2 aktualisierte Auflage VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2010 ISBN 978 3 531 17436 5 S 57 61 Selbstverstandnis des Aktionsrats zur Befreiung der Frauen 1968 In Ilse Lenz Hrsg Die Neue Frauenbewegung in Deutschland Abschied vom kleinen Unterschied Ausgewahlte Quellen 2 aktualisierte Auflage VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2010 ISBN 978 3 531 17436 5 S 63 64 Ute Katzel Hrsg Die 68erinnen Portrat einer rebellischen Frauengeneration Ulrike Helmer Verlag Konigstein Taunus 2008 ISBN 978 3 89741 274 3 enthalt u a auch Erinnerungen von Beteiligten an den Aktionsrat Weblinks BearbeitenHelke Sander Rede des Aktionsrates zur Befreiung der Frauen auf der 23 Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS im September 1968 in Frankfurt Jutta Roitsch Das Geheimnis der Chiffre 68 zwischen Bildungsrat und Aktionsrat zur Befreiung der FrauEinzelnachweise Bearbeiten Helke Sander in Ute Katzel Hrsg Die 68erinnen Portrat einer rebellischen Frauengeneration Ulrike Helmer Verlag Konigstein Taunus 2008 ISBN 978 3 89741 274 3 S 166 a b Kinderladen Entstehungsgeschichte Memento vom 28 Juni 2007 im Internet Archive a b c d e Rede von Helke Sander Aktionsrat zur Befreiung der Frauen auf der 23 Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS im September 1968 in Frankfurt Main a b Diskussion Antiautoritarer Anspruch und Frauenemanzipation Die Revolte in der Revolte Teilnehmer Sylvia Bovenschen Sigrid Damm Ruger und Sybille Plogstedt Diskussionsleitung Halina Bendkowski Gabriela Hauch Wir die wir viele Geschichten haben Zur Genese der historischen Frauenforschung im gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Kontext S 22 Memento vom 1 Juli 2007 im Internet Archive PDF 536 kB Ulrike Meinhof Die Frauen im SDS oder In eigener Sache Konkret Nr 12 1968 Rechenschaftsbericht linke Seite Memento vom 4 August 2012 im Webarchiv archive today a b Ute Katzel Hrsg Die 68erinnen Portrat einer rebellischen Frauengeneration Ulrike Helmer Verlag Konigstein Taunus 2008 ISBN 978 3 89741 274 3 S 310 311 Glossar Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aktionsrat zur Befreiung der Frauen amp oldid 230990898