Transparadiso wurde 1999 von Barbara Holub (Künstlerin, Architektin) und Paul Rajakovics (Architekt und Urbanist) in Wien als transdisziplinäre urbane Praxis zwischen Architektur, Urbanismus und Kunst, zwischen Theorie und Praxis, gegründet.
Geschichte Bearbeiten
Paul Rajakovics gründete 1996 transbanana architects (mit Margarethe Müller und Bernd Vlay). Als 1998 „occupying architecture“ (hrsg. Jonathan Hill) erschien, schien es ein kurzer Weg zu sein, bis innovative Planungsansätze Eingang in konventionelle Planungspraxis finden würden. Seit Barbara Holub und Paul Rajakovics 1999 transparadiso gründeten, wollten sie eine Veränderung in der Planungspraxis erreichen. Ihre Arbeit nimmt vor allem Bezug auf Henri Lefebvre, die Situationisten, sowie auf „Die Kunst des Handelns“ von Michel de Certeau. Von 2010 bis 2013 führte Barbara Holub das künstlerische Forschungsprojekt „Planning Unplanned - Towards a New Positioning of Art in the Context of Urban Development“ an der TU Wien durch.
Ansatz Bearbeiten
Die Praxis und Forschung von transparadiso ist geprägt von sozialem und gesellschaftspolitischem Engagement. transparadiso arbeitet dafür insbesondere an einer neuen Methode – dem direkten Urbanismus. Direkter Urbanismus involviert Kunst und künstlerisch-urbanistische Strategien langfristig in prozessorientierte Stadtplanung und Stadtentwicklung, um auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen in ihrer Komplexität reagieren zu können. Diese innovativen Strategien und transdisziplinären Expertisen sollen dabei gleichwertig zu herkömmlichen Planungsmethoden jenseits der Dichotomie von „bottom up“ und „top down“ etabliert werden und die Aneignung des öffentlich-urbanen Raums durch die Bewohner bzw. Nutzer fördern.
transparadisos urbane Strategien und Taktiken streben danach, existierende Bedingungen und Aufgabenstellungen durch Aktivierung des „kulturellen Kapitals“ im Sinne von Pierre Bourdieu neu zu formulieren. Dies ermöglicht eine Umwertung der Verteilung und Aneignung von Ressourcen. Strategien, die sich kritisch gegenüber bestehenden sozio-kulturellen Mustern verhalten, können die Erwartungshaltungen der Autoritäten unterwandern – sie arbeiten auf einer Parallelebene, ähnlich dem Phänomen, das Michel de Certeau als „Perücke“ bezeichnet.
transparadiso entwickelt für den jeweiligen Kontext spezifische Tools, um spezielle urbanistische Programme (z. B. für „Wunschproduktion“) zu produzieren, die mit herkömmlichen stadtplanerischen Methoden nicht erzeugt werden können. Diese Tools ermöglichen partizipatorische Prozesse, die genau differenzieren, welche Bevölkerungsgruppen oder Teilnehmer aus gemischten sozialen Hintergründen in welchem Stadium des Planungsprozesses für welche Ziele involviert werden. transparadiso schafft dafür „Situationen“ (siehe Situationisten), in denen die Verantwortung an die Bevölkerung und die beteiligten Verantwortlichen zurückgespiegelt wird. Speziell entwickelte Spiele, die meist auf bekannten Gesellschaftsspielen basieren, sind ein wichtiges Mittel für die Wunschproduktion bzw. für die Entwicklung von Inhalt, da das Spiel eine entspannte Situation herstellt, die unabhängig von Fachwissen ist (siehe Johan Huizinga „Homo ludens“).
Weitere Strategien für direkten Urbanismus sind u. a.: kontextuelles Handeln, antizipatorische Fiktion, Makro-Utopie, Erweiterung des Kontexts, Rollenwechsel, Verlernen und Umwertung.
Werkverzeichnis (Auswahl) Bearbeiten
- Wimhölzel Hinterland, Linz (A), Quartier Bienvenue, Wien (A); WoGen Genossenschaftshaus, Wien; Paradise Enterprise (Projekt für direkten Urbanismus), Judenburg (A), 2012–2014
- StadtwerkLehen, Salzburg (A) (mit Bernd Vlay), 2009–2013; Galerie Fotohof, Salzburg (A), 2009–2012
- „Aufforderung zur ungeforderten freiwilligen Intersprachlichkeit“, Platzgestaltung, Pottenhofen, (A), 2016
- „Das Lachen, das einem im Halse stecken bleibt“, Vienna Biennale, Wien (A), 2015
- „Je suis arabe“, Operation Goldhaube, Salzburg Museum, Salzburg (A), 2014
- „Part of the Game“, nGbK, Berlin (D), urbane Intervention, 2014
- „Bye,bye, bakchich système“, Sousse (TUN), urbane Intervention, 2014
- ”Uitzicht Op!”, Blue House (Jeanne van Heeswijk), Amsterdam/ Ijburg (NL), 2009
Auszeichnungen (Auswahl) Bearbeiten
- 2004: Schindler-Stipendium, MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles
- 2007: Otto-Wagner-Städtebaupreis
- 2018: Österreichischer Kunstpreis für bildende Kunst
Publikationen (Auswahl) Bearbeiten
- Barbara Holub: Stiller Aktivismus. De Gruyter, 2023
- Barbara Holub, Christine Hohenbüchler (hrsg.). Planning Unplanned_Darf Kunst eine Funktion haben? Towards a New Function of Art in Society. Verlag für moderne Kunst, 2015
- Holub, Barbara; Social Design Arts as Urban Innovation (hrsg.): Das Bienvenue: Ein Recht auf Raum für alle. 2016
- Rajakovics, Paul, Irene Ott-Reinisch, Anita Aigner (hrsg.): Anders günstig. Wohnbau sozialintegrativ. Verlag Bibliothek der Provinz, 2017
- Abteilung für Wohnbau und Entwerfen/ TU Wien (hrsg.),: re-searching utopia: when imagination challenges reality. Niggli, 201
- Barbara Holub: found, set, appropriated. Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 176 S., dt./engl., 2010
- Barbara Holub und Paul Rajakovics (Hrsg.): Urbane Wunder. Bucher Verlag, 32 S., 2010
- Barbara Holub: Initiative Island. Eastside Projects Birmingham, 2009
- Rajakovics, Paul und Bernd Vlay, Marko Studen (hrsg.): Uropean Urbanities. Springer Verlag, 2006
- Barbara Holub: Musterbuch: Ideal Living. Triton Verlag, Wien, 176 S., 2003
- Barbara Holub: common ground, shared place. Galerija Marino Cettina, Umag, 2001
Weblinks Bearbeiten
Einzelnachweise Bearbeiten
- Otto Wagner Städtebaupreis 2007. Der Standard, 9. Juli 2008, abgerufen am 18. Oktober 2023.
- Österreichischer Kunstpreis 2018, Bundesministerium Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, abgerufen am 18. Oktober 2023