Thomas Lutz (* 1957 in Darmstadt) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Leiter des Gedenkstättenreferats der Stiftung Topographie des Terrors.
Ausbildung
Lutz absolvierte das Abitur 1975 an der Paul-Gerhard Schule in Laubach (Oberhessen) und studierte anschließend in Marburg bis 1981 Geschichte, Politikwissenschaft und Sport. Das Zweite Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen legte er 1983 in Bensheim ab.
Gründer des Gedenkstättenreferats
An Stelle des Ersatzdienstes betreute er 1983 für die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. (ASF) Besuchergruppen in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Seit 1984 hat er vom Berliner Büro der ASF aus das „Gedenkstättenreferat“ aufgebaut, das mit Hilfe des GedenkstättenRundbriefs, regelmäßig durchgeführter Seminare, einer Homepage im Internet und individueller Beratungstätigkeiten die Arbeit von Gedenkstätten, mit Schwerpunkt derjenigen, die sich um eine Anerkennung und Dokumentation der NS-Opfer bemühen, koordiniert. Im Rahmen seiner Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit berät er auch Regierungen, Parlamente sowie Nichtregierungsorganisationen, seit 1993 auch im Auftrag der Stiftung Topographie des Terrors.
Akademiker
Seine Dissertation hat er über die Entwicklung der durch das Bundesgedenkstättenkonzept seit 2000 geförderten neuen Dauerausstellungen in Gedenkstätten für NS-Opfer geschrieben und dabei museologische Entwicklungen und die darauf aufbauende Bildungsarbeit untersucht (Hanns-Fred Rathenow, Technische Universität Berlin, Fakultät I und Volkhard Knigge, Friedrich-Schiller-Universität Jena). 2007 war er Fellow am Center for Advanced Holocaust Studies des U.S. Holocaust Memorial Museums in Washington DC.
Schwerpunkt seiner historischen Forschung ist die Geschichte des 20. Jahrhunderts in Deutschland, konzentriert auf die Entstehungsbedingungen und Geschichte des Nationalsozialismus (NS) und der in dieser Zeit auch im von Deutschland besetzten Europa begangenen Staatsverbrechen. Ausgehend davon haben die Rezeption des Nationalsozialismus, die Geschichte der Entschädigung der Opfer, die gesellschaftspolitische und museologische Entwicklung von Gedenkstätten seine berufliche Auseinandersetzung in den letzten 25 Jahren geprägt. Als Pädagoge hat er sich durch praktische Erfahrungen und in theoretischen Analysen mit der Gedenkstättenpädagogik im Vergleich zur Bildung in Schulen sowie Museum und der Menschenrechtspädagogik auseinandergesetzt. Zu seinem Verständnis der Geschichte des Nationalsozialismus zählen zumindest Grundkenntnisse in der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Zudem hat er zu Entstehungsbedingungen von demokratischen Gesellschaften nach dem Ende der Diktaturen in verschiedenen Ländern und der Rolle der Erinnerungskultur und Gedenkorte in diesem gesellschaftspolitischen Prozess gearbeitet, u. a. Argentinien, DDR/Neue Bundesländer, Ruanda, Südafrika, Südkorea.
Kurator
Thomas Lutz ist – gemeinsam mit Ingo Loose (wissenschaftliche Beratung) und Kurt Blank-Markard (Gestaltung) – Kurator der Wanderausstellung „Das Gesicht des Gettos. Bilder jüdischer Photographen aus dem Getto Litzmannstadt 1940 bis 1944“ der Topographie des Terrors und des Stadtarchivs Łódź. Die Ausstellung wurde u. a. anlässlich des Holocaust-Gedenktags im Spätwinter 2012 im UN-Hauptgebäude in New York ausgestellt.
Berater
Lutz ist Vorsitzender des internationalen Beirats der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in Deutschland. Vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung ist er in das Expertengremium zur Beratung bei der Mittelvergabe im Rahmen des Bundesgedenkstättenfonds berufen worden. Thomas Lutz ist Kuratoriumsmitglied der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.
Auf internationaler Ebene hat er den International Council for Memorial Museums for Victims of Public Crimes (IC MEMO) als internationales Komitee des Weltmuseumsrates (International Council of Museums) im Jahr 2001 in Barcelona mitgegründet und war sechs Jahre lang dessen Vizepräsident. Aktuell what er erneut als Vorstandsmitglied die Jahrestagungen in Cincinnati und Washington, die sich besonders mit der Geschichts der Sklaverei befasst hat, als Programmverantwortlicher mitgestaltet. Seit 2000 ist er einer der deutschen Delegierten in der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), in der z. Zt. 33 Staaten zusammenarbeiten. Er war Gründungsvorsitzender deren Memorials and Museums Working Group. Er berät das UNESCO-Projekt der Neugestaltung einer internationalen Ausstellung der Jugoslawien-Nachfolgestaaten in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Er ist in den letzten Jahren u. a. in Kroatien (Gedenkstätte Jasenovac), Griechenland (auf bitten das Auswärtigen Amtes) und in der aktuellen Auseinandersetzung mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Südosteuropa sowie mit den Orten der Massenerschießungen im Zweiten Weltkrieg von den baltischen Staaten bis in die Ukraine engagiert. Er berät den österreichischen Nationalfonds österreichische Innenministerium bei der Neugestaltung der österreichischen Länderausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz.
Publikationen
Neben der Redaktion des GedenkstättenRundbriefs, der vier Mal pro Jahr mit einem Umfang von 48–64 Seiten erscheint, und der Betreuung des Online-Gedenkstättenforums mit einer täglichen Presseschau hat er Bücher und Aufsätze veröffentlicht, u. a.:
- mit Monika Hölscher, Viola Krause (Hrsg.):
- mit Elke Gryglewski, Verena Haug, Gottfried Kößler, Christa Schikorra (Hrsg.): Gedenkstättenpädagogik. Kontext, Theorie und Praxis der Bildungsarbeit zu NS-Verbrechen, Berlin 2015, ISBN 978-3-86331-243-5.
- , IHRA-series, vol 1, Berlin 2015, ISBN 978-3-86331-233-6
- , IHRA-series, vol 2, Berlin 2016, ISBN 978-3-86331-287-9
- Zwischen Vermittlungsanspruch und emotionaler Wahrnehmung. Die Gestaltung neuer Dauerausstellungen in Gedenkstätten für NS-Opfer in Deutschland und deren Bildungsanspruch. Dissertation, Technische Universität Berlin, 2009 (Volltext).
- Stiftung Topographie des Terrors (Hrsg.), Thomas Lutz (Kurator): Das Gesicht des Gettos. Bilder jüdischer Photographen aus dem Getto Litzmannstadt 1940–1944. Ausstellungskatalog (deutsch/englisch), Berlin 2010, ISBN 978-3-941772-08-3.
- mit Verena Radkau, Eduard Fuchs(Hrsg.): Genozide und staatliche Gewaltverbrechen im 20. Jahrhundert Studien Verlag, Innsbruck u. a. 2004, ISBN 3-7065-4060-6.
- mit Dietmar Sedlaczek, Ulrike Puvogel, Ingrid Tomkowiak (Hrsg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Chronos Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0716-7.
Weblinks
- Online-Gedenkstättenforum
- Weltweite Übersicht von wichtigen Gedenkstätten für NS-Opfer; deutsch und englisch
- ([Baden-Württemberg Stiftung]) (PDF-Datei; 118 kB)
- (PDF-Datei; 118 kB)
- (PDF-Datei; 92 kB)
- rbb Kulturradio Gespräch zum Eichmann-Prozeß in Jerusalem am 24. Mai 2011
- https://gedenkstaettenforum.pageflow.io/gedenkstaetten-fuer-ns-opfer-in-deutschland
- https://www.youtube.com/watch?v=Yuj1yZPTzGo
- https://www.lichter-gegen-dunkelheit.de/ (auch: #LichterGegenDunkelheit)
Einzelnachweise
- (PDF) 2. April 2019, archiviert vom 2. April 2019; abgerufen am 2. April 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- (PDF) 6. März 2019, archiviert vom 6. März 2019; abgerufen am 6. März 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- (PDF) 2. April 2019, archiviert vom 2. April 2019; abgerufen am 2. April 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- (PDF) 2. April 2019, archiviert vom 2. April 2019; abgerufen am 2. April 2019: „Als Gründungs- und Vorstandsmitglied des IC MEMO bis 2007 hat der Autor zahlreiche Veranstaltungen hierzu – zumeist in Kooperation mit anderen Institutionen – durchgeführt, war zu Beratungen in verschiedene postdiktatorische Länder eingeladen und hat bei Besuchen von GedenkstättenmitarbeiterInnen viele ausführliche Diskussionen über die unterschiedlichen historischen Erfahrungen und Möglichkeiten der daran anknüpfenden Bildungsarbeit geführt.“ am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- 2. April 2019, archiviert vom 2. April 2019; abgerufen am 2. April 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- 6. Juni 2015, archiviert vom 6. Juni 2015; abgerufen am 2. April 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- 2. April 2019, archiviert vom 2. April 2019; abgerufen am 2. April 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Jan-Erik Schulte: 2. April 2019, archiviert vom 2. April 2019; abgerufen am 2. April 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Bettina Bouresh, Wullf E. Brebeck und Thomas Lutz: 2. April 2019, archiviert vom 2. April 2019; abgerufen am 2. April 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- (PDF) 2. April 2019, archiviert vom 2. April 2019; abgerufen am 2. April 2019. am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
Personendaten | |
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NAME | Lutz, Thomas |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politikwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 1957 |
GEBURTSORT | Darmstadt |