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Das Steinkind von Sens war ein Lithopadion das 28 Jahre nach dem naturlichen Geburtstermin aus dem Leib seiner Mutter geholt wurde Ambroise Pares Zeichnung Inhaltsverzeichnis 1 Befund 2 Erste Untersuchungen 3 Die Odyssee des Steinkindes 4 Bedeutung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseBefund BearbeitenMadame Colombe Chatri aus Sens Burgund die Gattin des Schneiders Loys Carita zeigte im Jahr 1554 im Alter von 40 Jahren alle Anzeichen einer normalen Schwangerschaft Diese endete ordnungsgemass mit dem Durchbruch des Fruchtwassers und Wehen doch das Kind wurde nicht geboren Colombe Chatri uberlebte dieses Vorkommnis war aber die nachsten drei Jahre bettlagerig und litt auch spater unter Schmerzen Obwohl sie das ungeborene Kind als harte Schwellung in ihrem Leib fuhlte erreichte sie ein Alter von 68 Jahren Nach ihrem Tod im Jahr 1582 liess der Witwer sie von Claude le Noir und Iehan Coutas sezieren Sie fanden im Leib der Mutter ein grosses eiartiges Gebilde vor das sie nur mit Gewalt aufbrechen konnten Nachdem sie festgestellt hatten dass sich im Inneren der Schale ein voll ausgetragenes aber versteinertes Baby befand zogen sie etliche Arzte zur Untersuchung heran darunter auch Jean d Ailleboust Zugleich zog der Fall zahlreiche Neugierige an und in dem Verlangen das Kind aus seiner Schale zu befreien und naher studieren zu konnen zerstorten die Beteiligten die harte Umhullung ehe diese genauer untersucht werden konnte Auch wurde dabei die rechte Hand des Kindes abgebrochen Das Kind ein Madchen war in hockender Stellung mit leicht nach rechts geneigtem Kopf fixiert Die Fontanellen waren offen und das Baby hatte einen einzigen Zahn Erste Untersuchungen Bearbeiten nbsp Eine der fruhesten DarstellungenDie Entdeckung dieses Lithopadions loste eine Sensation aus D Ailleboust verfasste eine Beschreibung des Kindes und der Autopsie die noch 1582 von Jean Sauvine in Sens gedruckt wurde und sich bestens verkaufte Sie trug den Titel Portentosum Lithopaedion sive Embryum Petrificatum Urbis Senonensis Bald darauf erschien auch eine Ubersetzung dieses Werks ins Franzosische die der Arzt Simeon de Provancheres besorgt hatte Le prodigieux enfant petrifie de la ville de Sens D Aillebousts Theorie uber die Entstehung des Steinkindes das Blut der Mutter sei zu trocken gewesen fand bald ihre Kritiker Schon de Provancheres fugte seiner Ubersetzung eine Erganzung bei in der er die Ansicht verfocht der Embryo sei mangels ausreichender Temperatur im Mutterleib ausgetrocknet Francois de Bosset ein Zeitgenosse dieser beiden Arzte befasste sich hingegen mehr mit der Substanz in der das Kind eingeschlossen war De Bosset nahm an dass es zu fest mit der Mutter verbunden gewesen und dadurch die Geburt unmoglich gewesen sei Schon seit der ersten Publikation wurden auch Abbildungen des Steinkindes von Sens veroffentlicht D Ailleboust hatte seiner Abhandlung ein Bild beigefugt das Colombe Chatri in halb sitzender Haltung nackt auf einem Bett zeigte ihr Bauch war aufgeschnitten und das Kind daneben liegend dargestellt Jan Bondeson vermutet dass eine zeitgenossische erotische Zeichnung als Vorbild fur diese Darstellung gedient hat in die das Steinkind nur eingefugt wurde D Ailleboust selbst machte keine genauen Angaben uber die Herkunft des Bildes sondern behauptete nur es sei nach Statuen des Phidias gezeichnet worden Naher an der Wirklichkeit durfte jedenfalls die Abbildung sein die Ambroise Pare seiner Publikation Des monstres et prodiges beifugte Pare war ein Zeitgenosse d Aillebousts und hatte Gelegenheit das Steinkind von Sens genau zu untersuchen Eine Veroffentlichung mit dem Titel Gyneciorum von Israel Spach die falschlicherweise oft auf 1557 datiert wird stammt in Wirklichkeit aus dem Jahr 1597 und bedient sich der Angaben d Aillebousts 1 Die Odyssee des Steinkindes BearbeitenVon Anfang an hatten sich nicht nur Mediziner fur den Fall interessiert In den 1590er Jahren erwarb der reiche Kaufmann Prestesiegle das Steinkind von Sens und brachte es in seinem privaten Museum in Paris unter Dort hatte auch Louyse Bourgeois Gelegenheit das Lithopadion zu untersuchen Sie veroffentlichte d Aillebousts bildliche Darstellung des Kindes erneut Das Steinkind ging spater in den Besitz des Pariser Goldschmiedes Estienne Carteron uber der es seinerseits am 12 Februar 1628 nach Venedig verkaufte Der neue Besitzer hiess Gillebert Bodey und war Juwelenhandler In Venedig bekam in den 1640er Jahren der danische Anatom Thomas Bartholin das Steinkind von Sens zu Gesicht Wahrscheinlich informierte dieser den danischen Konig Friedrich III uber das Kuriosum Friedrich III baute ab den 1650er Jahren eine umfangreiche Kuriositatensammlung in Kopenhagen auf der er unter anderem auch die komplette Sammlung von Ole Worm einverleibte 1653 kaufte er das Steinkind von Sens samt dem Kaufvertrag von 1628 und einer handschriftlichen Kopie des Autopsieberichts von d Ailleboust samt Illustration Diese Dokumente sind bis heute in der Koniglichen Bibliothek Kopenhagen erhalten geblieben Uber den Kaufpreis den der Konig aufbringen musste gibt es unterschiedliche Angaben sicher ist nur dass er hoch gewesen sein muss Bartholin verfasste eine genauere Beschreibung des Steinkindes als es in Danemark war Sie wurde in seinem 1654 in Amsterdam gedruckten Werk Historiarum Anatomicarum Rariorum Centuria I II veroffentlicht Zu diesem Zeitpunkt hatte das Lithopadion schon sehr gelitten Beide Arme waren abgebrochen und an einigen Stellen war das Skelett unter der zerstorten Haut und den beschadigten Muskeln sichtbar Ein Katalog des koniglichen Museums den Bartholins Verwandter Holger Jacobsen 1696 anfertigte zeigt den Zustand des Praparats zu dieser Zeit Der Katalog von 1710 erwahnte weitere Schaden was von der Haut des Kindes noch sichtbar war hatte sich jetzt grosstenteils schwarz verfarbt Im Jahr 1737 befand sich das Steinkind von Sens immer noch in der koniglichen Sammlung der Katalog aus diesem Jahr vermerkt ohne Abbildung dass die Uberreste nun in einem Glaskasten aufbewahrt wurden In den 1820er Jahren wurde die konigliche Sammlung aufgelost Ein Teil der Bestande wurde versteigert ein anderer weggeworfen und ein dritter ging in andere Sammlungen uber Das Steinkind von Sens gelangte 1826 ins Danische Museum fur Naturgeschichte Im spaten 19 Jahrhundert wurden die Bestande dieses Museums vom Zoologischen Museum Kopenhagen ubernommen Das Steinkind von Sens war aber nicht mehr unter den Exponaten die diesen Ortswechsel mitmachten Spatere Nachforschungen nach dem Verbleib blieben erfolglos nbsp Thomas Bartholins Zeichnung nbsp Holger Jacobsens ZeichnungBedeutung BearbeitenDas Steinkind von Sens war das erste dokumentierte Lithopadion 2 Bis 1880 waren laut einer Zusammenstellung von Friedrich Kuchenmeister 47 Falle bekannt bis Januar 2010 sind etwa 300 Falle beschrieben worden Seit Kuchenmeister werden Lithopadia in drei Untergruppen eingeteilt Beim Lithokelyphos sind nur die Membranen nicht aber der Fotus selbst verhartet beim eigentlichen Lithopadion oder Lithoteknon ist das Kind selbst durch Kalkeinlagerungen konserviert worden und beim Lithokelyphopaedion sind sowohl das Kind als auch die umgebende Membran verhartet Das Steinkind von Sens gehorte diesem letzten Typus an Die Mehrzahl aller Falle trat bei Bauchhohlenschwangerschaften auf Berichte uber innerhalb der Gebarmutter liegende Steinkinder gibt es aus jungerer Zeit nicht Wenn das Steinkind von Sens wie es der Bericht von d Ailleboust glauben macht tatsachlich in einem intakten Uterus gelegen hat stellt dies eine Besonderheit dar Bondeson vertritt allerdings die Theorie dass Colombe Chatri eine Uterusruptur erlitt und das Kind dann in ihre Bauchhohle geriet wo es zum Lithopadion umgebildet wurde Literatur BearbeitenJan Bondeson The Two Headed Boy and Other Medical Marvels Cornell University Press Ithaca und London 2004 ISBN 080148958X S 39 50Einzelnachweise Bearbeiten Helen King Midwifery Obstetrics and the Rise of Gynecology Ashgate Publishing Limited 2007 ISBN 978 0754653967 S 120 J Bondeson The earliest known case of a lithopaedion In Journal of the Royal Society of Medicine 89 Jahrgang Nr 1 Januar 1996 S 13 18 PMID 8709075 PMC 1295635 freier Volltext Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Steinkind von Sens amp oldid 224846707