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Singh Sabha Bewegung ist der allgemeine Begriff der fur verschiedene Netzwerke von sozio religiosen Reformbewegungen unter den Sikhs des Panjab ab dem spaten 19 Jahrhundert gebraucht wird Die erste derartige Singh Sabha wurde 1873 von konservativen sikhistischen Eliten Grossgrundbesitzer Regionalfursten Vorsteher von Gurdwaras d i sikhistische Kultstatten in Amritsar gegrundet Ihr Ansatz eher ausgerichtet auf die Bewahrung des gegenwartigen status quo in der sikhistischen Religionsgemeinschaft gegenuber ausseren Einflussen u a durch christliche Missionare konnte sich mittelfristig nicht durchsetzen gegenuber einer anderen Stromung von Singh Sabhas unter der Fuhrung der Lahore Singh Sabha die 1879 gegrundet wurde Diese war besser organisiert und an die modernen medialen und administrativen Strukturen zum Beispiel Pressewesen Geldmitteleinwerbung Lobbyarbeit und Kommunikation mit den Kolonialbehorden angepasst und bestimmte zunehmend das Auftreten der sikhistischen Gemeinschaft in der Offentlichkeit besonders gegenuber den kolonialen Machthabern und unter den stadtischen Eliten Heutzutage wird der Begriff Singh Sabha Bewegung meist einseitig auf den von Lahore ausgehenden Zweig bezogen Inhaltsverzeichnis 1 Die Arbeit der Singh Sabhas in der Umgestaltung der sikhistischen Tradition 2 Motivationen 3 Sozio politische Hintergrunde 4 Sozio religiose Wirkungsmacht in der Ruckschau 5 Literatur 5 1 Zitatnachweise 5 2 WeblinksDie Arbeit der Singh Sabhas in der Umgestaltung der sikhistischen Tradition BearbeitenDie Singh Sabhas breiteten sich schnell in andere stadtische Zentren des Panjab aus und grundeten regionale Zweigstellen Gezielt wurde auch in den landlichen Raum vorgedrungen um den dort lebenden Sikhs eine nach stadtischen Massstaben entwickelte an westlichen Werten von Religiositat orientierte Form religioser Praxis zu vermitteln So sollte deren Selbstverstandnis als Sikhs in Abgrenzung von anderen religiosen Gemeinschaften wie Hindus und Muslimen gescharft werden Vormals war dies gerade in landlichen Gebieten Nordwest Indiens kaum ausgepragt und alle drei Gruppen hatten oft gemeinsame Kultstatten 1 Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Elemente des lokalen Volksglaubens Heiligen oder Naturverehrung Anbetung von Gotterbildern Pilgerschaft zu bestimmten Wallfahrtsorten kritisiert und der Versuch unternommen eine einheitliche Form der religiosen Praxis zu verbreiten Aus den vorhandenen heiligen Schriften wurde eine der Adi Granth als allein autoritativ ausgewahlt und die Verehrung charismatischer religioser Fuhrer auf eine Gruppe von 10 historischen Gurus beginnend mit dem Grunder Guru Nanak beschrankt dies fuhrte im Nachgang zu Spannungen mit anderen charismatischen Fuhrern die diese Beschrankung nicht akzeptierten und fur sich in Anspruch nahmen in der Nachfolge der Gurus zu stehen 2 Der religiose Raum wurde auf die Gurdwaras als einzig legitime Kultstatten eingegrenzt gegenuber verschiedenen Naturheiligtumern Grabmalern wundertatiger Personlichkeiten u a Ausserdem wurden eigene Formen von religiosen Ubergangsriten Geburt Tod geschaffen bzw vorhandene Rituale als allgemein bindend erklart und vereinheitlicht Initiation Hochzeit 3 Oft unterschieden sich Sikhs auch auf diesem Gebiet zuvor kaum von anderen sie umgebenden religiosen Gruppen 4 Zuletzt und bis in die Gegenwart zentral verallgemeinerten die Singh Sabhas die verschiedenen religios fundierten Erkennungszeichen des Sikhismus auf die heute gultigen 5 Ks Dolch Panjabi Kirpan ungeschnittenes Haar Kes inklusive des Turbans als Kopfbedeckung Kamm Kanga Stahlarmreif Kara spezifisches Beinkleid Kachha Zuvor existierten ganz verschiedene Vorstellungen uber die ausseren Erkennungszeichen von Sikhs wenn sie uberhaupt existierten waren es oft 5 an der Zahl und diese wurden nur von einer kleinen Elite der Khalsa Sikhs getragen Der Khalsa ist eine ordensahnliche Organisation innerhalb des Sikhismus mit dem mythischen Grundungsdatum am 30 Marz 1699 der seinen Mitgliedern besonders strenge Verhaltensregeln auferlegt Durch die Agitation der Singh Sabhas wurde die Rolle des Khalsa fur die sikhistische Gemeinde stark idealisiert und nach und nach wurde eine sikhistische Glaubenspraxis ausserhalb des Khalsa und ohne dessen Erkennungszeichen als ungenugend stigmatisiert und abgewertet 5 Derartige Wertungen gelten bis heute gerade im Westen glaubt man Sikhs zuverlassig an ihrem Turban erkennen zu konnen Die Zahl der nicht in den Khalsa initiierten Sikhs in der Diaspora d h ausserhalb Indiens geht mittlerweile wahrscheinlich gegen null die derjenigen im Inland ist nicht bekannt da keine Statistiken zu dieser Frage angefertigt werden Indien betrachtet sich als sakulares Land ohne Interesse an solchen Sachverhalten und auch die sikhistische Orthodoxie hat keine Motivation zur Verbreitung derartiger Zahlen Motivationen BearbeitenDie Interessen der stadtischen Eliten bei der Verbreitung einer solch einheitlichen religiosen Form des Sikhismus der damit in seiner religiosen Reprasentation und Alltagspraxis wenn nicht neu erfunden so doch massiv umgestaltet wurde lagen in einer verbesserten Wahrnehmbarkeit gegenuber der Kolonialverwaltung begrundet Diese verteilte Arbeitsstellen in lokalen Verwaltungsinstitutionen und Platze an staatlichen Bildungseinrichtungen zunehmend auf der Grundlage von religios fundierten Quotenregelungen Daher konnten viele gebildete Sikhs in den Stadten nur durch eine Wahrnehmbarkeit als eigene religiose Gruppe hoffen an den gesellschaftlichen Ressourcen von Macht Wohlstand und Prestige teilhaben zu konnen Daruber hinaus wurde die traditionelle Religiositat der Sikhs den Anforderungen der modernen Lebenswelt in der viele stadtische Mitglieder der Religionsgemeinschaft lebten zunehmend nicht mehr gerecht Westliche Bildung und die intellektuellen Einflusse christlicher Missionare die bereits seit 1835 im Panjab aktiv waren 6 hatten die religiosen Wertmassstabe der urbanen Eliten verschoben und die Anspruche an die eigene Religiositat wandelten sich So ist zu verstehen warum sich ein grosser Teil des religiosen Homogenisierungsprogramms der Singh Sabhas mit der missionarischen Kritik am einheimischen Heidentum Gotzenverehrung wucherndes Ritualwesen wirre Vorstellungen des Gottlichen in Zusammenhang stand und darauf reagierte Harjot Singh Oberoi schreibt dazu in seinem Buch The Construction of Religious Boundaries Die Eliten versuchten in ihrem Bestreben ihre eigenen politischen und beruflichen Ambitionen zu verallgemeinern den Rest der sikhistischen Tradition in ein Spiegelbild ihrer selbst zu verwandeln 7 Sozio politische Hintergrunde BearbeitenEin weiterer Faktor der die religiose Bewusstseinsbildung und ihre Umsetzung in eine standardisierte Religiositat forderte war das zeitlich parallele Auftreten anderer sozio religioser Reformbewegungen wie des hinduistischen Arya Samaj ab 1877 und der muslimischen Ahmadiyya Bewegung ab 1889 zu denen die Singh Sabhas bald in Konkurrenz um Mitglieder und sozio politischen Einfluss traten In diesem Rahmen wurde die Notwendigkeit einer ausseren Erkennbarkeit der eigenen Gruppe und daher die Abgrenzung von den andern immer bedeutender und entlud sich im Rahmen verschiedener auch gewalttatiger Spannungen besonders im Zusammenhang mit den Konversionsritualen des Arya Samaj Shuddhi gegenuber Sikhs Wie auch zwischen den verschiedenen Flugeln der Singh Sabha Bewegung kam es hier zu einem regelrechten Pressekrieg einer publizistischen Schlammschlacht zwischen den Vertretern der verschiedenen Lager in Buchern Zeitschriftenartikeln Flugblattern u a die oft auch auf juristischem Wege weitergefochten wurden Sozio religiose Wirkungsmacht in der Ruckschau BearbeitenVor diesem Hintergrund gelang es der Singh Sabha Bewegung nach und nach ihre Forderungen bezuglich der religiosen Praxis des Sikhismus und deren ideologischem Fundament weitgehend durchzusetzen und den Einfluss der traditionellen Eliten zuruckzudrangen Obwohl die Singh Sabhas als Institutionen ab 1919 wegen ihrer Nahe zur Kolonialverwaltung und deren Unterstutzung in den allgemeinen politischen Dynamiken der anti kolonialistischen Bewegung unter Fuhrung der Kongresspartei und Mohandas Gandhis als Institutionen ins Abseits gedrangt wurden hatte ihr sozio religioses Reformwerk weiter Bestand 1950 nach langen Diskussionen um Detailfragen und Formulierungen wurde vom 1925 gegrundeten bis heute dominanten und als sikhistische Orthodoxie anerkannten Shiromani Gurdwara Parbandhak Committee SGPC das Sikh Reht Maryada publiziert eine Art sikhistischer Katechismus mit autoritativen Informationen zu allen dogmatischen Fragen rund um den Sikhismus von der Alltagspraxis bis hin zu den abstraktesten Lehrinhalten Dies kann zu grossen Teilen als spates Vermachtnis der Arbeit der Singh Sabhas angesehen werden Literatur BearbeitenHarjot Oberoi The Construction of Religious Boundaries Culture Identity and Diversity in the Sikh Tradition New Delhi 1994 Die einzige brauchbare aber sehr gute und ausfuhrliche Arbeit zum Thema der Singh Sabhas ihrem gesellschaftlichen Umfeld und ihrer Wirkung innerhalb der sikhistischen Tradition Zitatnachweise Bearbeiten vgl Oberoi 1994 S 147 169 vgl Oberoi 1994 S 316 317 vgl Oberoi 1994 S 334 344 vgl Oberoi 1994 S 182 190 vgl Oberoi 1994 S 328 334 vgl Oberoi 1994 S 220 The elites in seeking to universalize their own aspirations sought to turn the rest of Sikh tradition into a mirror image of themselves S 304 Weblinks Bearbeiten Shiromani Gurdwara Parbandhak Committee Sikh Reht Maryada The Singh Sabha Movement Website des SGPC der heute massgeblichen Vertreterin der sikhistischen Orthodoxie Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Singh Sabha Bewegung amp oldid 193637661