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Die Romischen Katasterplane von Orange sind die einzigen Zeugnisse des amtlichen Vermessungswesens aus der romischen Antike Sie sind nur in Fragmenten erhalten und wurden nach ihrem Fund und Aufbewahrungsort der Stadt Orange in Frankreich benannt Orange in der Antike Arausio genannt war seit ca 35 v Chr eine romische Kolonie in der Provinz Gallia Narbonensis Inhaltsverzeichnis 1 Funde und Datierung 2 Aufbau der Katasterplane 3 Dargestelltes Gebiet 4 Bedeutung 5 Weblinks 6 Literatur 7 AnmerkungenFunde und Datierung Bearbeiten nbsp Fragment des Katasterplans B von Orange die Centurie links im Bild liegt an 21 Stelle rechts nordlich des Decumanus und an 14 Stelle unterhalb ostlich des Kardo weitere Angaben betreffen den rechtlichen Status Benachbarte Centurien werden von einem Fluss durchschnitten Ein erstes Marmorfragment wurde 1856 zwei weitere in den Jahren 1927 und 1929 gefunden Im Zusammenhang mit Bauarbeiten fur eine Bank an der Rue de la Republique wurden zwischen 1949 und 1951 gut vierhundert weitere Fragmente entdeckt die wie sich bald herausstellte in drei Kategorien fallen Die grosste Kategorie bilden die Bruchstucke von drei Katasterplanen Diese wurden der Einfachheit halber Katasterplan A B und C genannt da sie keine Inschriften tragen die eine exakte Lokalisierung im Gelande ermoglichen Auch die Namen der Feldmesser Agrimensoren sind nicht uberliefert Der Katasterplan B ist der grosste er ist rund 5 9 Meter hoch und 7 6 Meter breit Zweitens wurde gleichzeitig mit den Fragmenten der Katasterplane eine Inschrift gefunden die ebenfalls nur in Bruchstucken erhalten ist und folgendermassen ubersetzt wird 1 Der Kaiser Vespasian hat im Jahr seiner achten tribunizischen Gewalt d h im Jahr 77 angeordnet die von Kaiser Augustus an Soldaten der Zweiten Gallischen Legion vergebenen und seither von Privatleuten besetzten Staatslandereien zwecks Ruckerstattung zu vermessen und aufzuzeichnen und zwar mit der Angabe des jahrlichen Pachtzinses pro Centurie Diese Arbeiten wurden unter Aufsicht von L Valerius Ummidius Bassus ausgefuhrt dem Prokonsul der Provinz Gallia Narbonensis Auf Grund dieser Inschrift werden die Katasterplane auf das letzte Viertel des 1 Jahrhunderts datiert Es ist jedoch unklar ob alle drei Katasterplane gleichzeitig entstanden sind da sie unterschiedliche Masse und Orientierungen aufweisen Die Katasterplane konnten langere Zeit in Gebrauch und offentlich ausgestellt gewesen sein Neben den Fragmenten der Katasterplane und der Inschrift kamen drittens einige beschriftete Steinplatten aus dem romischen Archiv dem sog tabularium zum Vorschein Eine langere Inschrift befasst sich zum Beispiel mit Steuerertragen die aus der Vermietung einer kommunalen Parzelle an einen Privatmann zu erheben waren Die Fragmente der Katasterplane wurden in muhsamer Arbeit entziffert wie ein Puzzle zusammengesetzt und in das Museum fur Kunst und Geschichte Musee d Art et d Histoire von Orange gebracht das sich unmittelbar gegenuber dem romischen Theater befindet In diesem Museum wurden 1962 beim Einsturz eines Bodens zahlreiche Fragmente beschadigt oder gar zerstort Die noch verwendbaren Fragmente wurden im grossten Raum des Museums Salle des cadastres an einer Wand neu montiert wo sie heute noch besichtigt werden konnen Aufbau der Katasterplane BearbeitenAlle drei Katasterplane von Orange sind prinzipiell gleichartig aufgebaut zeigen jedoch auch individuelle Eigenheiten Da der Katasterplan B am grossten ist und die meisten aussagekraftigen Fragmente aufweist bezieht sich die Beschreibung in diesem Kapitel auf ihn sofern nicht ausdrucklich anders angegeben Das vermessene Gebiet wird von den beiden sich rechtwinklig schneidenden Hauptstrassen unterteilt dem kardo maximus und dem decumanus maximus Daran schmiegen sich quadratische Gebiete die sog centuriae Eine Standardcenturie weist eine Seitenlange von 2400 romischen Fuss auf Je nach angenommener Lange des romischen Fusses betragt die Seitenlange zwischen 707 und 711 Meter vgl auch die Tabelle der romischen Masseinheiten fur den Katasterplan B wird eine Seitenlange von knapp 710 Metern beziehungsweise eine Flache von 50 4 Hektar pro Centurie angenommen Abweichend davon zeigt der Katasterplan A rechteckige Centurien der doppelten Grosse Flusse und eventuell diesen entlang verlaufende Wege sind auf den ersten Blick erkennbar da sie das rechtwinklige Gefuge unregelmassig durchschneiden Der Massstab betragt ca 1 6000 und der Katasterplan ist westorientiert d h Westen ist oben Die Katasterplane A und C konnten in der Orientierung vom Katasterplan B abweichen was sich mangels genugend gut erhaltener Fragmente nicht eindeutig belegen lasst nbsp Schema von Decumanus und Kardo auf dem Katasterplan B von Orange Westen ist oben Jede Centurie tragt mindestens eine Nummer und weist teilweise zusatzliche Beschriftungen betreffend den rechtlichen Status auf Die Nummerierung beginnt bei den beiden Hauptachsen Zur Verdeutlichung geht jeder Nummer eine Buchstabenkombination voraus die anzeigt ob das Gebiet links oder rechts des Decumanus und ober oder unterhalb des Kardo liegt SD sinistra decumani links hier sudlich DD dextra decumani rechts hier nordlich VK ultra kardinem oberhalb hier westlich CK oder KK citra kardinem unterhalb hier ostlich So liegt beispielsweise die Centurie mit der Nummerierung DD IX KK XV an 9 Stelle rechts des Decumanus und an 15 Stelle unterhalb des Kardo Die Anzahl der dargestellten Centurien und damit die Ausdehnung des Katasterplanes ist beachtlich In der Hohe sind mindestens 27 Centurien und in der Breite mindestens 63 Centurien erkennbar was einer Ausdehnung im Gelande von ca 19 2 auf 44 7 Kilometer entspricht Der rechtliche Status der Centurie und der Pachtzins werden sofern uberhaupt Anteile an Siedler vergeben worden sind durch weitere Hinweise in abgekurzter Form angegeben Auf dem Katasterplan B weisen ungefahr 245 Centurien derartige Inschriften auf Auf eine Centurie entfallen 200 iugeri oder Standardparzellen Freilich reichte ein iugerum pro Siedler oft nicht aus so dass mehrere Parzellen oder Anteile gepachtet werden mussten Von den 200 iugeri pro Centurie wurden jedoch nicht unbedingt alle vergeben so dass gemass Katasterplanen noch reichlich unverteiltes Land in Staatsbesitz ubrig blieb Folgende rechtliche Kategorien konnten entziffert werden EXTR neuen Siedlern zugewiesene Parzelle REL COL verpachtete Parzelle mit Angabe des jahrlichen Pachtzinses und des Namens des Pachters meist romischen Ursprungs es kommen aber auch keltische und griechische Namen vor RP offentliches nicht verpachtetes Land SUB am Rande liegendes Land fur spatere Verteilung vorgesehen TRIC RED dem einheimischen Stamm der Trikastiner zuruckgegebene ParzelleDargestelltes Gebiet BearbeitenUber die exakte Lage der drei Katasterplane gibt es verschiedene Theorien Durch die Veranderung des Flusslaufes der Rhone und durch die Eingriffe des Menschen in die Landschaft sind heute keine zuverlassigen Ruckschlusse auf das dargestellte Gebiet mehr moglich Eine Losung wird zusatzlich durch das vollige Fehlen von Toponymen auf den drei Katasterplanen erschwert Am besten akzeptiert ist die Lokalisierung des grossen Katasterplanes B der nordlich von Orange gegen Montelimar das Rhonetal zeigen soll Durch seine respektable Breite deckt er aber auch angrenzendes Hugelland ab das jedoch nach allgemeiner Auffassung in der romischen Zeit nie in Parzellen aufgeteilt worden ist Da jedoch zahlreiche Centurien auf dem Katasterplan B zwar eingezeichnet aber nicht mit Angaben der Pachtzinsen oder von Besitzverhaltnissen versehen sind wird diese Lokalisierung nicht ernstlich in Zweifel gezogen Schwierig ist eine Lagezuordnung bei den Katasterplanen A und C die sehr viel kleiner und schlechter erhalten sind Ihre Lage wird wohl eher im Sudwesten und Sudosten von Orange zu suchen sein da der Norden durch den grossen Katasterplan B ausreichend abgedeckt ist Das ist aber auch schon alles was man mit einiger Sicherheit sagen kann Da das Lokalisieren der Katasterplane A und C einem riesigen Puzzle gleicht fuhlen sich nebst Wissenschaftlern auch Hobbyforscher berufen Losungsvorschlage zu erarbeiten Fur keine der uberaus zahlreichen Interpretationen liegen bisher allgemein anerkannte Argumente vor so dass samtliche diesbezuglichen Arbeiten mit grosser Vorsicht gelesen werden mussen Auch die Theorie wonach die drei Katasterplane in der Natur in bestimmtem Abstand und eindeutiger Orientierung zueinander stunden was durch Zirkel und Lineal konstruierbar sei entzieht sich eines endgultigen Beweises Eine ziemlich unwahrscheinliche Vermutung stellt die Katasterplane von Orange gar in den Zusammenhang mit einer eigentlichen grossraumigen Triangulation entlang der Rhone Zu einem solchen Unterfangen gibt es im ganzen Romischen Reich keine Hinweise Bedeutung BearbeitenDie romischen Katasterplane von Orange sind die einzigen offiziellen Plane ihrer Art die uberliefert sind Daneben gibt es einige erhaltene romische Stadtplane am bekanntesten die Forma Urbis Romae deren Massstab und Zweck jedoch ein anderer war Die Funde von Orange forderten das moderne Verstandnis des romischen Vermessungswesens und des galloromischen Steuersystems und erharteten zuvor nicht eindeutig belegbare Befunde Zusammen mit dem Corpus agrimensorum Romanorum einer Sammlung kurzer Texte uber das Vermessungswesen aus dem 4 Jahrhundert und einem in Pompeji ausgegrabenen Vermessungsinstrument groma kann man sich heute einigermassen vorstellen wie die Katastervermessung im Romischen Reich ausgesehen hat Weblinks BearbeitenLes Cadastres d Orange Deutungsvorschlag von Lionel R Decramer 2004 2005Literatur BearbeitenAndre Piganiol Les documents cadastraux de la colonie romaine d Orange Centre national de la recherche scientifique Paris 1962 Focke Tannen Hinrichs Die Geschichte der gromatischen Institutionen Untersuchungen zu Landverteilung Landvermessung Bodenverwaltung und Bodenrecht im romischen Reich Steiner Wiesbaden 1974 ISBN 3 515 01825 5 S 136 146 Ursula Heimberg Romische Landvermessung Limitatio Kleine Schriften zur Kenntnis der romischen Besetzungsgeschichte Sudwestdeutschlands Nr 17 Stuttgart 1977 S 51 55 Rolando Bussi Hrsg Misurare la terra centuriazione e coloni nel mondo romano Panini Modena 1983 S 240 249 O swald A W Dilke Roman large scale mapping in the early empire In J B Harley David Woodward Hrsg Cartography in the Prehistoric Ancient and Medieval Europe and the Mediterranean University of Chicago Press Chicago 1987 The History of Cartography Bd 1 ISBN 0 226 31633 5 S 212 233 spez S 220 225 Anmerkungen Bearbeiten AE 1963 197 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Romische Katasterplane von Orange amp oldid 227271717