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Der von Sigmund Freud 1924 in die psychoanalytische Theoriebildung eingefuhrte Begriff des moralischen Masochismus meint den nach innen gerichtete Destruktionstrieb der sich in einer Kombination von Schmerzlust und Schuldgefuhl manifestiert Im Unterschied zu den beiden anderen Formen des Masochismus dem erogenen Masochismus und dem femininen Masochismus stehen beim moralischen Masochismus nicht die Sexualitat sondern das Schuldgefuhl und die Selbstbeschadigungstendenz im Vordergrund 1 Zur Entstehung des moralischen Masochismus bei Freud BearbeitenIn der 1917 erschienenen Arbeit Trauer und Melancholie erklarte Freud die haufig auftretende Selbstmordneigung der Melancholiker heute wurde man sagen Depressive mit der Ruckwendung des Sadismus vom Objekt auf das eigene Ich und das Strafe erheischende Schuldgefuhl Diese Selbstbeschadigungstendenzen lassen sich so Freud auch als Masochismus bezeichnen 2 Ursprunglich glaubte Freud also dass der Masochismus aus der Umwandlung des Sadismus entsteht Erst nach seiner Aufstellung des Todestriebs hat Freud seine Auffassung vom Ursprung des Masochismus dahingehend geandert dass er einen primar erogenen Masochismus erkannte aus dem sich zwei spatere Formen des Masochismus entwickeln der feminine und der moralische Masochismus In seinem Aufsatz Das okonomische Problem des Masochismus 1924 fuhrte Freud die Beziehungen des Todestriebs zum Masochismus genauer aus Ein Teil des Destruktionstriebs oder Bemachtigungstriebs werde in den Dienst der Sexualfunktion gestellt Das sei der eigentliche Sadismus Ein anderer Teil mache diese Verlegung nach aussen nicht mit sondern werde im Organismus mithilfe der sexuellen Miterregung libidinos gebunden Im Falle des moralischen Masochismus richte sich der Destruktionstrieb gegen das eigene Selbst Der Mensch ist somit nach der Auffassung von Freud ein moralischer Masochist wenn sein Ich das Bedurfnis hat von seinem sadistischen Uber Ich d h den introjizierten Eltern bestraft zu werden Hierzu schreibt der Psychoanalytiker Edoardo Weiss Der moralische Masochist der sich durch sein sundhaftes Tun bestrafen lasst hat die Moral wieder sexualisiert den Odipuskomplex neu belebt 3 Narzissmus und moralischer Masochismus Lampl de Groot BearbeitenDie niederlandische Psychoanalytikerin Jeanne Lampl de Groot interpretiert den moralischen Masochismus als ein Versuch eine narzisstische Krankung zu verarbeiten d h deren seelischen Schmerz zu lindern indem die Krankung als Strafe fur eine unbewusste Schuld empfunden wird In ihrem Aufsatz Masochismus und Narzissmus aus dem Jahre 1937 beschreibt sie einen Fall eines jungen Mannes bei dem die Tatsache des Beschnittenseins als narzisstische Krankung verarbeitet wurde und eine Flucht in eine feminine Kastrationsphantasie zur Folge hatte 4 Lampl de Groot weist in diesem Kontext auch darauf hin dass es im Rahmen psychoanalytischer Therapien dazu kommen konne dass der moralische Masochismus zu der sogenannten negativen therapeutischen Reaktion fuhre Hierbei stehe der Patient unter der Herrschaft eines Strafbedurfnisses bzw unbewussten Schuldgefuhls was dazu fuhre dass jeder therapeutische Fortschritt gleich konterkariert und mit einem noch starkeren Leiden beantwortet werde Einzelnachweise Bearbeiten Sigmund Freud Das okonomische Problem des Masochismus In Sigmund Freud Studienausgabe Band III S Fischer Verlag GmbH Frankfurt am Main 1975 ISBN 3 10 822703 3 Sigmund Freud Trauer und Melancholie In Sigmund Freud Hrsg Gesammelte Werke Band 10 S Fischer Frankfurt am Main 1917 Edoardo Weiss Todestrieb und Masochismus In Sigmund Freud Hrsg Imago Band XXI Nr 4 Wien 1935 S 405 Jeanne Lamp de Groot Masochismus und Narzissmus In Sigmund Freud Hrsg Internationale Zeitschrift fur Psychoanalyse Band XXIII Nr 4 Internationaler Psychoanalytischer Verlag Wien 1937 S 484 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Moralischer Masochismus amp oldid 222279239