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Die Lebenszyklushypothese auch Lebenszyklustheorie oder Lebenszeit Einkommenshypothese ist ein Begriff aus der Volkswirtschaftslehre und ist eine grundlegende Theorie fur individuelles und gesamtwirtschaftliches Sparen 1 Wichtigster Aspekt ist die Bedeutung von Ersparnis und Kreditaufnahme fur den Transfer von Ressourcen Einkommen uber die Lebenszeit eines Individuums 2 Von Franco Modigliani entwickelt setzt sich diese Konsumtheorie neben der relativen Einkommenshypothese von James Duesenberry und der permanenten Einkommenshypothese von Milton Friedman ebenfalls mit der langfristigen Konsumfunktion auseinander 3 Alle genannten Ansatze beziehen sich dabei auf empirische Untersuchungen zur kurz und langfristigen Konsumfunktion die insbesondere auf Simon Kuznets zuruckgehen 1 Kuznets bemerkte eine deutliche Abweichung des amerikanischen Konsum und Sparverhaltens im Vergleich zu den Prognosen von Keynes Grundgedanke des Sparverhaltens im Lebenszyklus nach Modigliani extrem vereinfachte Realitat in Anlehnung an Freess Tibitanzl Makrookonomie Munchen 1994 S 60 Lebenszyklus Konsumfunktion Konsum ist abhangig von Vermogen und Einkommen in Anlehnung an Mankiw Makrookonomik Stuttgart 2000 S 498 Verschiebung der Konsumfunktion durch Vermogensanderung hier Zunahme des Vermogens in Anlehnung an Mankiw Makrookonomik Stuttgart 2000 S 498 Konsum Einkommen und Vermogen wahrend des Lebenszyklusses in Anlehnung an Mankiw Makrookonomik Stuttgart 2000 S 499 Die Lebenszyklustheorie geht hervor aus der Annahme dass jedes Individuum versucht seinen Lebensstandard uber die gesamte Lebenszeit stabil zu halten 4 Somit bezieht ein Individuum sein Konsum und Sparverhalten nicht wie bei der Konsumfunktion angenommen jeweils auf eine Periode und das damit verfugbare Einkommen sondern es plant langfristig uber alle Perioden um den eigenen Konsum bestmoglich auf die gesamte Lebenszeit zu verteilen 5 Dabei wird unterstellt dass das Durchschnittseinkommen eines Konsumenten bei langfristiger Sicht nahezu konstant ist 6 Somit spielen kurzfristige Veranderungen der Einkommenshohe uber die Lebenszeit eines Individuums keine Rolle 3 Inhaltsverzeichnis 1 Theoriengeschichte 2 Darstellung und Abgrenzung 3 Herleitung 4 Mathematisches Beispiel 5 Einzelnachweise 6 LiteraturverzeichnisTheoriengeschichte BearbeitenIn den 1950er Jahren untersuchte Modigliani in Zusammenarbeit mit Richard Brumberg und Albert Ando die Konsumfunktion Sie entwickelten gemeinsam in mehreren grundlegenden Aufsatzen die heutige Lebenszyklushypothese des Sparens und Konsums 7 Basis der Untersuchungen bildete das Modell des Haushaltsverhaltens von Irving Fisher Ziel war es die Widerspruche aufzuklaren die sich bei der Verbindung der keynesianischen Konsumfunktion mit empirischen Daten zeigten Fishers Modell nahm an dass der Konsum eines Individuums von seinem Lebenszeiteinkommen abhangt Modigliani verfeinerte diese Aussage und betonte dass das Einkommen einer Person im Laufe ihres Lebens standigen Veranderungen unterliegt Allerdings kann die Ersparnis die durch Sparen in Zeiten hoheren Einkommens gewonnen wird in Lebensabschnitte niedrigeren Einkommens verschoben werden Diese Annahme bezuglich des Konsumverhaltens diente als Grundlage fur die Lebenszyklushypothese 8 Die moderne Konsumtheorie ist eine Verschmelzung der Lebenszyklustheorie von Franco Modigliani und der permanenten Einkommenstheorie von Milton Friedman da sich beide Grundtheorien sehr ahneln Diese kombinierte Theorie wird von Okonomen auch als Lebenszyklus Permanente Einkommenshypothese bezeichnet Modigliani vertritt dabei den keynesianischen Ansatz Friedman den modernen Monetarismus 5 1985 wurde Modigliani fur seine Arbeit an der Lebenszyklushypothese mit dem Nobelpreis fur Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet 9 Die Lebenszyklushypothese dient als Argument fur die private Altersvorsorge gegen ein Umlageverfahren 10 Das Umlageverfahren belaste einen Haushalt gleichmassig gemass Einkommen uber das Arbeitsleben hinweg und stehe im Widerspruch zum naturlichen Sparverlauf also geringe Ersparnisbildung in der fruhen Erwerbszeit dann hohe Ersparnisbildung im fortgeschrittenen Erwerbsleben schliesslich im Alter geringe Ersparnis oder Entsparnis Dagegen wird die Lebenszyklushypothese kritisiert wegen mangelnder Berucksichtigung ungleicher Einkommen und anderer Sparmotive neben der Altersvorsorge als da waren Vorsichtssparen Sparen fur Kinderausbildung Gewinnung von Unabhangigkeit vom laufenden Einkommen u a 11 Darstellung und Abgrenzung BearbeitenDie Lebenszyklustheorie betrachtet wie ein Konsument seinen Lebensstandard wahrend seiner gesamten Lebenszeit stabil halt auch wenn sich sein Einkommen andert 12 Es wird impliziert dass ein typisches Individuum in der ersten Lebensphase Kindheit Jugend ein sehr geringes Einkommen hat und auch wahrend der Ausbildung auf Kredite zuruckgreifen muss Entsparen um den gewunschten Lebensstil zu erreichen Im anschliessenden aktiven Erwerbsleben steigt das Einkommen immer mehr an und wird dann zur Vermogensbildung Sparen sowie Ruckzahlung der Kredite verwendet In der Ruhestandsphase ist das Einkommen wieder geringer Rentenbezug und es wird auf das gesparte Vermogen zuruckgegriffen Entsparen 1 13 Am Lebensende zum optimalen Zeitpunkt des Todes ist das zur Lebenszeit angefallene Vermogen vollstandig aufgebraucht das heisst Sparen und Entsparen heben sich auf 14 Dieses stark vereinfachte Modell nimmt an dass das Individuum wahrend seiner Lebzeiten keine Erbschaften sowie Schenkungen erhalten und weder Schulden noch Vermogen angehauft hat 13 Die permanente Einkommenstheorie prognostiziert hingegen welches Einkommen dem Konsumenten uber seine Lebenszeit zur Verfugung steht 12 Die empirische Relevanz der Lebenszyklustheorie ist sehr umstritten Einige Autoren bezeichnen sie als extrem realitatsfern 6 wahrend die weitgehend gangige Praxis der Senioritatsentlohnung steigende Bezahlung nach Berufs oder Lebensalter die Hypothese stutzt Herleitung BearbeitenIn Bezug auf einen Konsumenten wird Folgendes angenommen er lebt insgesamt T Jahre sein Vermogen belauft sich auf die Hohe W er erwartet bis zum Lebensende noch ein Einkommen Y er arbeitet noch R Jahre und scheidet dann aus dem Erwerbsleben ausZur Vereinfachung wird weiterhin angenommen dass der Zinssatz und somit Zinsertrage aus Ersparnissen gleich Null ist Der Betrag welcher dem Konsumenten nun zur Verfugung steht ergibt sich aus seinem Vermogen W und seinem Lebenszeiteinkommen R Y Diesen Betrag kann der Konsument auf seine verbleibenden Lebensjahre T verteilen Die Lebenszyklushypothese impliziert nun dass der Konsument seinen Konsum uber diesen Zeitraum T glattet also den verfugbaren Betrag zu gleichen Teilen aufteilt C W R Y T displaystyle C W RY T nbsp Formt man diese Gleichung um erhalt man folgende Konsumfunktion fur den Konsumenten C 1 T W R T Y displaystyle C 1 T W R T Y nbsp Die aggregierte makrookonomische Konsumfunktion lautet dann C a W b Y displaystyle C alpha W beta Y nbsp mit der marginalen Konsumneigung aus Vermogen a und der marginalen Konsumneigung aus Einkommen b 15 Mathematisches Beispiel BearbeitenDie Lebenszyklushypothese ist ein dynamisches mikrookonomisches Partialmodell mit einem endlichen Zeithorizont T In ihm maximiert ein einzelnes Individuum seinen Nutzen Die Nutzenfunktion hat die ublichen neoklassischen Annahmen Sie enthalt kein Erbschaftsmotiv Vereinfacht wird der Nutzen kunftiger Perioden gleich zum Nutzen der heutigen Periode wertgeschatzt kein subjektiver Zeitdiskont Das Individuum hat sein Leben lang ein konstantes Arbeitseinkommen e ein Ruhestand wird vereinfacht nicht unterstellt Das Vermogen V erwirtschaftet den Zinssatz r Das Kalkul lautet dann Maximiere die Nutzenfunktion 1 T u c t d t displaystyle int limits 1 T mathrm u c t mathrm d t nbsp speziell t 1 T ln c t displaystyle sum t 1 T ln c t nbsp unter den Nebenbedingungen c t s t e r V t 1 displaystyle c t s t e rV t 1 nbsp als Budgetgleichung undV t V t 1 s t displaystyle V t V t 1 s t nbsp als Bestandsgleichung des Vermogens sowieV o 0 displaystyle V o 0 nbsp und V T 0 displaystyle V T geq 0 nbsp als Anfangs und Endbedingung Nach Bildung des Lagrange Ansatzes der Anwendung der Kuhn Tucker Bedingungen und der partiellen Ableitung nach c t displaystyle c t nbsp und V T displaystyle V T nbsp erhalt man nach der Berechnung des Konsums jeder Periode als Ergebnis die nachstehende Sparfunktion s t 1 r t 1 e c 1 r e 1 r 1 r t displaystyle s t 1 r t 1 left lbrack e frac c 1 r e 1 r 1 rt right rbrack nbsp Normalisiert und diskontiert auf die erste Periode ist das s t e c 1 r e 1 r 1 r t displaystyle s t e frac c 1 r e 1 r 1 rt nbsp c 1 r e displaystyle c 1 r e nbsp steht fur den Konsum der ersten Periode und ist eine feste Zahl abhangig von Zinsen und Einkommen Diskontiert wird die Ersparnis im Laufe des Lebens immer geringer Der Konsum nimmt in diesem Modell mit der Rate des Kapitalmarktzinssatzes zu Da 1 r t displaystyle 1 rt nbsp stets grosser als 1 r displaystyle 1 r nbsp ist wird in der normalisierten Gleichung der Subtraktor im Zeitablauf immer grosser was die Ersparnis sinken lasst Fur grosse Zinssatze kann man im nicht diskontierten Modell anfangs eine Steigerung der Sparleistung erkennen Diskontiert man diese Werte aber auf den Beginn des Lebenszykluskalkuls herunter werden auch diese stets geringer Einzelnachweise Bearbeiten a b c Alisch Wirtschaftslexikon 16 Auflage Gabler Verlag Wiesbaden 2004 Mankiw Makrookonomik 4 Auflage Schaffer Poeschel Stuttgart 2000 S 497 a b Dieckheuer Makrookonomik Theorie und Politik 4 Auflage Springer Berlin 2001 S 407 408 Dornbusch Fischer Startz Makrookonomik 8 Auflage Oldenbourg Munchen Wien 2003 S 404 a b Dornbusch Fischer Startz Makrookonomik 8 Auflage Oldenbourg Munchen Wien 2003 S 403 404 a b Feess Tibitanzl Makrookonomie Band 2 Franz Vahlen Munchen 1994 S 60 Snowdon Vane An Encyclopedia of Macroeconomics 1 Auflage Elgar Cheltenham 2002 S 488 489 Mankiw Makrookonomik 4 Auflage Schaffer Poeschel Stuttgart 2000 S 496 Snowdon Vane An Encyclopedia of Macroeconomics 1 Auflage Elgar Cheltenham 2002 S 488 William A Jackson 1998 The Political Economy of Population Ageing Cheltenham UK Northampton MA USA S 51 Christian Christen 2011 Politische Okonomie der Alterssicherung Marburg S 288 a b Dornbusch Fischer Startz Makrookonomik 8 Auflage Oldenbourg Munchen Wien 2003 S 403 a b Feess Tibitanzl Makrookonomie Band 2 Franz Vahlen Munchen 1994 S 59 Flaschel Groh Proano Keynesianische Makrookonomie Unterbeschaftigung Inflation und Wachstum 2 Auflage Springer Heidelberg 2008 S 163 Mankiw Makrookonomik 4 Auflage Schaffer Poeschel Stuttgart 2000 S 497 Literaturverzeichnis BearbeitenGustav Dieckheuer Makrookonomik Theorie und Politik 4 Auflage Springer Berlin 2001 ISBN 3 540 41449 5 Rudiger Dornbusch Stanley Fischer Richard Startz Makrookonomik 8 Auflage Oldenbourg Munchen Wien 2003 ISBN 3 486 25713 7 Peter Flaschel Gangolf Groh Christian Proano Keynesianische Makrookonomie Unterbeschaftigung Inflation und Wachstum 2 Auflage Springer Heidelberg 2008 ISBN 978 3 540 74858 8 Eberhard Feess Frank Tibitanzl Makrookonomie Band 2 Franz Vahlen Munchen 1994 ISBN 3 8006 1772 2 Katrin Alisch Wirtschaftslexikon 16 Auflage Gabler Verlag Wiesbaden 2004 ISBN 3 409 10386 4 N Gregory Mankiw Makrookonomik 4 Auflage Schaffer Poeschel Stuttgart 2000 ISBN 3 7910 1615 6 Brian Snowdon Howard R Vane An Encyclopedia of Macroeconomics 1 Auflage Elgar Cheltenham 2002 ISBN 1 84542 180 9 Franz W Peren Einkommen Konsum und Ersparnis der privaten Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland seit 1970 Analyse unter Verwendung makrooekonomischer Konsumfunktionen Peter Lang Frankfurt am Main Bern New York 1986 ISBN 3 8204 9006 X Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lebenszyklushypothese amp oldid 232286011