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Das Lager im Rehburger Forst war ein Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht fur sowjetische Kriegsgefangene im Waldgebiet Buchholz bei Rehburg im heutigen Niedersachsen Im damaligen Sprachjargon hiess es Russenlager 1 und bestand vom November 1941 bis vermutlich in den April 1945 Die Gefangenen wurden unter der Bezeichnung Arbeitskommando 5790 zur Zwangsarbeit in dem Waldgebiet und im Rehburger Moor eingesetzt Freigelegte Fundamente eines Steingebaudes innerhalb des Lagers 2022 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Lage und Beschreibung 3 Belegung 4 Lebensumstande 5 Bestattungen 6 Endphase 7 Forschungen 7 1 Grabungsergebnisse 7 2 Fundstucke 8 Prasentation 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenIn der heutigen Gemeinde Rehburg Loccum mit funf Ortsteilen sind neun fruhere Arbeitslager fur Kriegsgefangene aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs bekannt 1 Der Grund fur die Errichtung des Lagers im Rehburger Forst waren Aufraum und Wiederaufforstungsarbeiten in dem Waldgebiet und im benachbarten Moor 1938 kam es in dem Wald zu einem Waldbrand und das Rehburger Moor war von einem Moorbrand betroffen Im Jahr 1940 vernichtete ein Sturm einen Teil des Baumbestandes im Waldgebiet Fur die Ausfuhrung der erforderlichen Arbeiten forderte das Forstamt Rehburg Kriegsgefangene an 2 Lage und Beschreibung Bearbeiten nbsp Der Waldweg an dem sich das Lager befandDas Lager befand sich nordlich von Rehburg im Waldgebiet Buchholz das damals als Staatsforst Rehburg im Besitz der Klosterkammer Hannover stand Heute gehort es zu den Niedersachsischen Landesforsten 2 Das Gefangenenlager hatte die Ausmasse von etwa 100 40 Meter 3 Auf dem Areal standen in U Form um einen Innenhof drei Baracken von 20 bis 40 Metern Lange 4 Die Baracken waren aus Holz und hatten ein flaches mit Teerpappe gedecktes Dach 2 An die Baracken schloss sich in der Sudwestecke ein kleines Steingebaude an vermutlich die Lagerkuche Die gesamte Anlage war mit Stacheldraht eingezaunt 4 Zu dem Lager fuhrten Waldwege und eine Stromleitung zur Wasserversorgung diente vermutlich ein Brunnen Auf dem Lagergelande gab es einen Vorratskeller und einen unterirdischen mit Holzstammen abgestutzten Bunker 2 Knapp ausserhalb des Lagers stand ein scheunenartiges Gebaude vermutlich die Unterkunft der Wachmannschaften Zur Bewachung waren Angehorige des Landesschutzenbataillons 680 der Wehrmacht eingesetzt Neben dem Gelande stand ein Turm 2 Belegung BearbeitenDas Lager wurde am 3 November 1941 erstmalig mit 48 Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion belegt die das Arbeitskommando 5790 bildeten Sie kamen aus dem Stammlager X C in Nienburg Da zu dem Zeitpunkt noch keine Baracken vorhanden waren lebten die Gefangenen laut den Schilderungen eines Zeitzeugen anfangs im Freien unter Zeltplanen in selbst gegrabenen Erdhohlen 2 Durch Verlegungen von Kriegsgefangenen aus den Arbeitskommandos 109 aus Riesloh 6009 aus Linsburg und 6002 aus Husum 2 nahm im Laufe des Winters 1941 42 die Belegung des Lagers auf 114 Personen zu Aus Lagerlisten wurden zunachst die Namen von etwa 250 Kriegsgefangenen bekannt die das Lager im Rehburger Forst wahrend seines dreieinhalbjahrigen Bestehens durchlaufen haben 2 Im Zuge der weiteren Recherchen des Arbeitskreises erhohte sich diese Zahl auf etwa 330 Kriegsgefangene Lebensumstande BearbeitenWie bei anderen sowjetischen Arbeitskommandos in Deutschland litten die Kriegsgefangenen im Rehburger Forst unter schlechten Lebensbedingungen mit unzureichender Ernahrung bei Schwerstarbeit Hunger Kalte Krankheiten und volkerrechtswidriger Behandlung durch die Wehrmacht Gefangene wurden von den Wachposten auch geschlagen Die Verpflegung fur die die Wehrmacht zustandig war wird als katastrophal beschrieben Das Freibankfleisch in den Arbeitskommandos hatte oft keine auch nur ausreichende Qualitat 2 Unmittelbar nach der Einrichtung des Lagers im November 1941 fuhrten die Lebensbedingungen dazu dass in den ersten drei Monaten 25 Gefangene starben Auf deren Personalkarten wurde nur kurz vermerkt dass sie wahrend der Quarantanezeit aus unbekannten Grunden gestorben seien 3 Erkrankte wurden erstmals im Februar 1942 in das Lazarett im Stammlager X D in Wietzendorf transportiert Dies betraf 23 Personen von denen 19 kurz danach in Wietzendorf starben In der Folgezeit verbesserten sich offenbar die Lebensbedingungen da die Anzahl der Todesfalle abnahm 2 Bestattungen BearbeitenDie im Lager verstorbenen Gefangenen wurden in einem Massengrab auf dem Rehburger Friedhof beigesetzt Das ergibt sich aus den Angaben der Stadtverwaltung Rehburg in der Nachkriegszeit Es wird vermutet dass die ersten Toten im Winter 1941 42 im Lagerbereich oder im naheren Umfeld beerdigt wurden Darauf deuten Funde von menschlichen Knochen hin die ein Forstbediensteter wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bei Waldarbeiten sudlich des Lagers machte Nach Aussage eines Zeitzeugen sollen verstorbene Gefangene auch auf dem Judischen Friedhof Rehburg beigesetzt worden sein In einem Fall ist dies durch die Personalkarte eines am 10 April 1942 verstorbenen Gefangenen belegt Spater seien die Graber ausgebettet worden 2 Endphase BearbeitenWann das Lager aufgelost wurde ist nicht bekannt Das letzte Dokument des Arbeitskommandos 5790 datiert auf den 26 Marz 1945 Moglich ist dass britische Truppen das Lager befreiten die Rehburg am 8 April 1945 erreichten Auch konnten die Wachmannschaften bereits vorher geflohen sein und die Gefangenen sich dann selbst befreit haben Nach der Befreiung plunderte die ortliche Bevolkerung das Lager Dabei wurden die Gebaude ganzlich abgetragen um ihr Baumaterial zu verwerten 2 Forschungen Bearbeiten nbsp Ausgrabung im Lagerbereich 2021Der Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg Loccum der Stolpersteine in Rehburg Loccum hat verlegen lassen begann im Jahr 2021 mit der Aufarbeitung der Geschichte des Lagers Es handelt sich um ein Citizen Science Projekt 5 in dessen Rahmen Angehorige des Arbeitskreises Befragungen von Zeitzeugen vornahmen und Recherchen in verschiedenen Archiven in Niedersachsen sowie in den Arolsen Archives durchfuhrten 2 Zum Lagergelande selbst fanden sich keine Unterlagen die wichtigste uberlieferte Quelle zur Existenz der Anlage ist ein von der Royal Air Force aufgenommenes Luftbild von 1944 4 Um nahere Erkenntnisse uber die Beschaffenheit des Lagers zu erlangen nahm der Arbeitskreis 2021 in zwei Ausgrabungskampagnen archaologische Untersuchungen auf dem Lagergelande vor Da es knapp 80 Jahre alte materielle kulturelle Hinterlassenschaften waren handelte es sich um Neuzeitarchaologie Die von Angehorigen des Arbeitskreises durchgefuhrten Ausgrabungen wurden von Daniel Lau als zustandigem Kommunalarchaologen der Schaumburger Landschaft und von Ronald Reimann als ehrenamtlich Beauftragtem fur die archaologische Denkmalpflege fachlich begleitet 5 Das ehemalige Lagergelande ist ein Bodendenkmal auf dem nach dem Niedersachsischen Denkmalschutzgesetz Grabungen und die Suche mit einem Metalldetektor untersagt sind 3 Zufallsfunde sind unverzuglich der Kommunalarchaologie oder einem Beauftragten fur die archaologische Denkmalpflege zu melden Grabungsergebnisse Bearbeiten nbsp Ein Kaminfundament des Steingebaudes nbsp Vier Fundamentblocke eines fruheren Turms neben dem LagerBei den Grabungen wurde der Grundriss eines 7 4 Meter grossen Gebaudes freigelegt in dem sich im Bodenbereich Fundamente Mauerreste Kamine und Reste des Bodenbelags fanden Es war mit Dachziegeln gedeckt und das einzige gemauerte Gebaude des Lagers das als solches bislang nachgewiesen werden konnte Die Reste von drei gemauerten Schornsteinen lassen auf eine fruhere Funktion als Lagerkuche schliessen Im naheren Umfeld des Gebaudes fanden sich Reste einer Herdplatte und Loffel 4 Bei einem Grabungsschnitt im Bereich des fruheren Standortes einer Baracke wurden bis auf Glassplitter die vermutlich von deren Fenstern stammen keine Uberreste gefunden 5 Des Weiteren wurden knapp ausserhalb des Lagers vier bis in 1 7 Meter Tiefe reichende Fundamentblocke entdeckt Sie sind baugleich mit einem vom Reichsarbeitsdienst erbauten und etwa zwei Kilometer entfernten Feuerwachturm 2 Der Turm am Lager konnte ein Wachturm gewesen sein da die Fundamente den damaligen Bauvorschriften fur ein derartiges Bauwerk entsprechen Einer Theorie nach konnte es auch ein Beobachtungsturm gewesen sein um im Rahmen eines Meldesystems den Anflug feindlicher Flugzeuge zu beobachten Fundstucke Bearbeiten Bei den archaologischen Untersuchungen wurden nahezu 1000 Fundstucke geborgen Dazu zahlen unter anderem Fensterglasscherben Knopfe Nagel Schrauben und Stromisolatoren sowie eine Kopeke Die gefundenen Alltagsgegenstande wie eine Kaffeekanne eine Nivea Dose und eine Maggi Flasche stammen vermutlich von den Bewachern Es fanden sich grosse Mengen an Schuhresten deren Verwendungszweck bisher nicht bekannt ist 6 nbsp Fundbearbeitung beim Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg Loccum nbsp Gefundene Knopfe nbsp Gefundene Flaschen nbsp Gefundene SchuhteilePrasentation BearbeitenDer Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg Loccum beabsichtigte nach Abschluss der Forschungen die erlangten Erkenntnisse fur die Offentlichkeit zuganglich zu machen In Betracht gezogen wurden Publikationen eine Infotafel am Lager sowie Vortrage und Unterrichtskonzepte fur Schulen Ausserdem beabsichtigte der Arbeitskreis Angehorige der im Lager verstorbenen Kriegsgefangenen in der fruheren Sowjetunion ausfindig zu machen 3 Im Winter 2024 2025 ist eine Ausstellung zum Kriegsgefangenenlager in den historischen Kuranlagen Bad Rehburg geplant 7 Literatur BearbeitenRonald Reimann Lost Places Ein in Vergessenheit geratenes Kriegsgefangenenlager aus der Zeit des Nationalsozialismus In FAN Post des Freundeskreises fur Archaologie in Niedersachsen 2022 S 31 33 Online pdf 7 MB Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Lager im Rehburger Forst Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Beate Ney Janssen Denkmal Russenlager im Rehburger Forst wird erforscht In Kreiszeitung vom 20 Juni 2021 pdf Sie suchen nach den Resten des Todeslagers im Rehburger Forst In Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 21 Juni 2021Einzelnachweise Bearbeiten a b Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter beim Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg Loccum a b c d e f g h i j k l m n AK 5790 Todeslager im Rehburger Forst Ein pars pro toto beim Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg Loccum a b c d Kommando 5790 25 Tote im Winter 1941 42 beim Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg Loccum a b c d siehe Literatur Ronald Reimann Lost Places S 32 mit Luftbild der Royal Air Force von 1944 a b c siehe Literatur Ronald Reimann Lost Places S 33 Fuhrungen zum Russenlager beim Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg Loccum Beate Ney Janssen Vergessenes Kriegsgefangenenlager im Rehburger Forst Mitmachkunstaktion gedenkt sowjetischer Gefangener in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 22 Oktober 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lager im Rehburger Forst amp oldid 238419755