www.wikidata.de-de.nina.az
Die Kinsey Skala ist eine vom Sexualforscher Alfred Charles Kinsey aufgestellte Bewertung uber die sexuelle Orientierung eines Menschen ein Versuch diese komplexe Materie mit einem einzelnen Zahlenwert zu erfassen Sie wurde in den Kinsey Reports 1948 und 1953 veroffentlicht Inhaltsverzeichnis 1 Aufbau 2 Entstehung Hintergrund Folgerungen 3 Graphische Darstellung mit Haufigkeitsverteilung 4 EinzelnachweiseAufbau BearbeitenDie Skala reicht von den Werten 0 bis 6 wobei 0 fur ausschliesslich heterosexuell und 6 fur ausschliesslich homosexuell steht Dazwischen liegen verschiedene Formen bisexueller Erfahrungen wobei 3 gleiche Anteile heterosexueller und homosexueller Erfahrungen bezeichnet Ausserdem gibt es neben der Skala eine Kategorie X fur Individuen die keine sexuellen Kontakte pflegen und keine offensichtlichen sexuellen Reaktionen im sozialen Kontext zeigen Diese Kategorie wird heute oftmals als Einordnung von Asexuellen verstanden nbsp Kinsey Skala Die Einteilung erfolgt nicht nur nach Anzahl der sexuellen Handlungen sondern auch nach psychischen Erfahrungen was Kinsey in seinen Erlauterungen ausdrucklich betont So wurde etwa ein Ehemann ohne wirkliche homosexuelle Kontakte der regelmassig seinen ehelichen Pflichten nachkam dabei aber hauptsachlich von mannlichen Partnern phantasierte nicht unter 0 platziert sondern unter 2 oder 3 je nachdem wie stark oder haufig seine homosexuellen Wunsche und Phantasien waren Umgekehrt konnte ein Strichjunge mit nur einer Freundin aber tausenden von homosexuellen Kontakten die gleiche Platzierung unter 2 oder 3 erhalten wenn seine eigentlichen sexuellen Wunsche auf diese Freundin gerichtet waren und er seine mannlichen Kunden nur des Geldes wegen bediente Erwin J Haeberle Bisexualitaten 1994 1 Die Skala erlangte in der Folgezeit einen gewissen internationalen Bekanntheitsgrad und wurde in vielen Lehrbuchern und Nachschlagewerken nachgedruckt Allerdings wurde sie auch oft falsch interpretiert und nur auf sexuelle Handlungen bezogen 1 Dies findet sich dann auch in einigen Arbeiten wieder wo nur nach quantitativen Kriterien sexueller Handlungen klassifiziert wird aber von Kinsey Skala gesprochen wird Dies kann beispielsweise dazu fuhren dass eine Person mit vor allem gleichgeschlechtlichen Phantasien und einem zufalligen gegengeschlechtlichen Sexualkontakt im letzten Jahr oder in den letzten funf Jahren als heterosexuell auf der Kinsey Skala klassifiziert wird oder umgekehrt Entstehung Hintergrund Folgerungen BearbeitenSchon 1941 bei einem Stand von 1600 Interviews zeigte Kinsey anhand von 30 ausgewahlten Fallen eine prozentual abgestufte Einteilung zwischen heterosexuellen und homosexuellen Verhalten Er war vor das bis heute sehr komplexe Problem gestellt dass man nicht einfach in heterosexuell und homosexuell sowie aktiven und passiven Homosexuellen einteilen kann und dies einfach endokrinologisch erklaren kann sondern dass es bei beiden unendlich viele Zwischenstufen von vorhandenem Verhalten gibt Manchmal andert sich auch das Verhalten in verschiedenen Lebensabschnitten und manchmal existieren homosexuelles und heterosexuelles Verhalten auch zeitgleich in ein und demselben Lebensabschnitt 1948 veroffentlichte er dann im Kinsey Report seine zweite vereinfachte Version Er stellt dort aber auch gleichzeitig klar dass es ihm nicht auf die Zahl der willkurlich bestimmten Untergruppen ankommt sondern darauf den fliessenden Ubergang darzustellen Manner stellen nicht zwei getrennte Populationen dar eine heterosexuelle und eine homosexuelle Man darf die Welt nicht in Bocke und Schafe einteilen Nicht alle Dinge sind entweder schwarz oder weiss Es ist ein Grundsatz der Taxonomie dass die Natur selten getrennte Kategorien aufweist Nur der menschliche Geist fuhrt Kategorien ein und versucht die Tatsachen in getrennte Facher einzuordnen Die lebendige Welt ist ein Kontinuum in allen ihren Aspekten Je eher wir uns dessen in Bezug auf menschliches Sexualverhalten bewusst werden umso eher werden wir zu einem wirklichen Verstandnis der Realitaten gelangen Alfred C Kinsey 1948 zitiert nach Haeberle 1 Er sah keine Veranlassung mehr von dem Homosexuellen zu sprechen wie er es sieben Jahre zuvor wenigstens noch ironisch tat Man wurde klareres Denken in diesen Dingen ermutigen wenn man Personen nicht als heterosexuell oder homosexuell bezeichnen wurde sondern als Individuen mit einem bestimmten Ausmass an heterosexueller Erfahrung und einem bestimmten Ausmass an homosexueller Erfahrung Anstatt diese Ausdrucke als Substantive oder selbst als Adjektive fur Personen zu gebrauchen sollte man sie besser zur Beschreibung von tatsachlich sexuellen Beziehungen oder von Stimuli verwenden auf die ein Individuum erotisch reagiert Alfred C Kinsey 1948 zitiert nach Haeberle 1 Folgte man der Erklarung so wurde auch klar dass die Frage nach der Anzahl von Homosexuellen in einer Population grundsatzlich nicht beantwortet werden konnte Es war nur moglich anzugeben wie viele Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt welchem Abschnitt der Kinsey Skala zuzuordnen waren Im Folgewerk ging er auf die Einteilung der Menschen ein Es ist eine Charakteristik des menschlichen Denkens dass er versucht Phanomene zu dichotomisieren Sexuelles Verhalten ist entweder normal oder abnormal sozial akzeptierbar oder unakzeptierbar heterosexuell oder homosexuell und viele Personen wollen nicht glauben dass es in diesen Angelegenheiten Abstufungen von einem Extrem zum anderen gibt Alfred Kinsey 1953 Einerseits war er mit seinen radikalen Ansichten seinen Zeitgenossen weit voraus und andererseits brauchte man fur den notigen Befreiungskampf in der modernen Schwulenbewegung homosexuelle Personen die sich dann als grosse sozialpolitische Minderheit organisieren liessen Bald stiess auch die lesbische Frau dazu und es wuchs eine neue gesellschaftliche Gruppe heran Dies speiste sich aus sozialpolitischen Zwangen und nicht aus wissenschaftlichen Einsichten Der Homosexuelle blieb eine nicht reale aus Idealen zusammengesetzte Figur Die homosexuelle Forschung wurde dann bald selbstkritischer und heute spricht man mehr von Diversitat von Offenheit von Flexibilitat 2 Graphische Darstellung mit Haufigkeitsverteilung Bearbeiten nbsp Skala der sexuellen Orientierung Auf Basis der Kinsey Skala wurde im Handbuch Engagierte Zartlichkeit die Skala mit sieben Stufen graphisch dargestellt und die jeweilige Verteilung in der Bevolkerung nach Kinsey abgebildet Im schwul lesbischen Handbuch Engagierte Zartlichkeit ist die Kinsey Skala nicht nur sprachlich operationalisiert sondern auch graphisch mit einer Haufigkeitsverteilung wie sie von Kinsey ebenso empirisch untersucht wurde aufbereitet 50 der Manner haben niemals Sex mit dem eigenen Geschlecht 13 der Manner haben vorwiegend sexuelle Erfahrungen mit dem eigenen Geschlecht und 37 der Manner haben auch sexuelle Erfahrungen mit dem gleichen Geschlecht 3 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Erwin J Haeberle Bisexualitaten Geschichte und Dimensionen eines modernen wissenschaftlichen Problems erschienen in E J Haeberle und R Gindorf Bisexualitaten Ideologie und Praxis des Sexualkontaktes mit beiden Geschlechtern Gustav Fischer Verlag Stuttgart 1994 S 1 39 Stephan Hilpold Interview mit dem Soziologen Rudiger Lautmann Nicht nur Sex Der Standard 30 Mai 2005 Andreas Frank Engagierte Zartlichkeit Das schwul lesbische Handbuch uber Coming Out gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Homosexualitat Nordersted 2020 ISBN 9783752610628 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kinsey Skala amp oldid 228277359