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Klassifikation nach ICD 10M35 7 Hypermobiltats SyndromICD 10 online WHO Version 2019 Das Hypermobilitats Syndrom HMS ist eine heterogene Gruppe von angeborenen Storungen im Bindegewebe welche hauptsachlich durch allgemeine Uberbeweglichkeit der Gelenke in Verbindung mit Beschwerden im Muskel Skelett System gekennzeichnet ist unter dem Ausschluss anderer ursachlicher Erkrankungen z B Rheuma Obwohl die pathologische Physiologie noch nicht ganz verstanden ist grenzt es sich gegen die isolierte Uberbeweglichkeit einzelner Gelenke und andere Erkrankungen des Bindegewebes mit generalisierter Uberbeweglichkeit ab wie Marfan Syndrom Ehlers Danlos Syndrom rheumatische Arthritis oder Osteogenesis imperfecta 1 Hyperextension ZeigefingerHyperextension Zeh Fingerschnecke Beighton Score Daumen erreicht UnterarmHyperextension Daumen Daumen erreicht den Unterarm von hintenEs besteht ein enger Zusammenhang zwischen HMS und neurologischen Entwicklungsstorungen wie ADHS Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitatsstorung und ASS Autismus Spektrum Storung 2 Andere Namen fur HMS Familiares Hypermobilitatssyndrom familial articular hypermobility syndrome hypermobility syndrome hypermobility spectrum disorder hypermobile joint syndrome gutartig benign hypermobile joint syndromeohne Erfassung als Syndrom Gelenk Hyperlaxitat bsd Schweiz Gelenkhypermobilitat articular or joint hypermobilityInhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Definition und Pravalenz 3 Diagnose 4 Prognose 5 Therapie 5 1 Orthopadische Probleme 5 2 Blutgefassveranderungen 5 3 Schmerzbehandlung 5 4 Verhaltenstraining 5 5 Arzte und Therapeuten 6 Literatur 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDer Name Hypermobilitats Syndrom geht auf die erste Veroffentlichung zuruck in der Kirk 1967 die Beschwerden von einer Gruppe ansonsten gesunden Menschen beschrieb die anscheinend nur durch ihre Hypermobilitat eine grosse Vielfalt an Beschwerden aufwiesen Davor sind einzelne Berichte von ahnlichen Symptomen durch verschiedene Arzte erfasst wurden ohne jedoch die Ursache in der Hypermobilitat allein zu definieren 3 1986 wurde HMS in die Internationale Nosologie der vererbbaren Funktionsstorungen des Bindegewebes aufgenommen 4 Definition und Pravalenz BearbeitenIst ein Gelenk aktiv und oder passiv uber die durch die Gelenkmorphologie und deren bindegewebige Fuhrung hinaus beweglich gilt es als hypermobil Die Abgrenzung zwischen normal und hypermobil ist fliessend Als Ursachen kommen traumatische destruktive oder habituelle Grunde in Frage Andererseits gibt es die polyartikulare uberwiegend symmetrische in Gelenkgruppen systematisierte oder ausgebreitete generalisierte artikulare Hypermobilitat 5 Die Hypermobilitat der Gelenke ist bei Kleinkindern physiologisch Mit der Pubertat wird die stabilisierende Reifung der Gelenke abgeschlossen und im Alter nimmt die Beweglichkeit im Allgemeinen ab Die generalisierte oder auch konstitutionelle Hypermobilitat variiert bei Erwachsenen je nach ethnischer Zugehorigkeit Von den Europaern erfullen ca 3 die Kriterien der Hypermobilitat Beighton Score 5 Frauen sind im Verhaltnis zu Mannern 3 1 bis 5 1 mehr betroffen 6 Beighton Score 7 Screening Test zur Feststellung der HypermobilitatHandflachen konnen bei gestreckten Knien auf den Boden aufgelegt werden 1 PunktUberstreckbarkeit der Ellbogen um 10 jeweils rechts und links je Seite 1 PunktDaumen beruhrt den Unterarm je Seite 1 PunktUberstreckung des Grundgelenkes des kleinen Fingers auf 90 je Seite 1 PunktUberstreckbarkeit der Kniegelenke um 10 je Seite 1 PunktBewertung 0 2 Punkte nicht hypermobil 3 4 Punkte moderat hypermobil 5 Punkte generalisierte HypermobilitatDie generalisierte Hypermobilitat erscheint zunachst ohne pathologischen Stellenwert Sie stellt als Vorzustand allerdings ein bedeutendes Krankheitspotential dar Dieses manifestiert sich mit schmerzhaften synovialen kapsularen periartikular enthesiopathischen und muskularen Reaktionen infolge funktioneller und morphologischer Uberbeanspruchung durch Instabilitat Dislokationen und traumatischer Vulnerabilitat Erst mit muskulo skelettalen Beschwerden wie Arthralgien und Banderschmerz wird die artikulare Abnormalitat zum Krankheitsbild des Hypermobilitatssyndroms 8 Es ist nicht bekannt wie viele Menschen unter dem Hypermobilitatssyndrom leiden Diagnose BearbeitenDifferentialdiagnosen Ehlers Danlos Syndrom Q79 6 Marfan Syndrom Q87 4 Rheumatoide Arthritis M06 Fibromyalgie M79 7 WachstumsschmerzenDie Mehrheit der erwachsenen Bevolkerung erreicht einen Beighton Score von 0 1 oder 2 Aber selbst eine hohere Punktzahl berucksichtigt nicht die klinische Situation Deshalb wurden im Jahr 2000 die Brighton Kriterien zur Feststellung eines Hypermobilitatssyndroms bei Erwachsenen vorgeschlagen Die Sensitivitat Richtig Positiv Rate und Spezifitat Richtig Negativ Rate des Tests liegt mit 93 Prozent sehr hoch vgl Grahame R Hauptkriterien Beighton Score 4 aktuell oder historisch Arthralgien langer als 3 Monate in 4 oder mehr GelenkenNebenkriterien Beighton Score 1 2 oder 3 9 0 1 2 oder 3 9 bei gt 50 Jahre Arthralgien langer als 3 Monate in 1 bis 3 Gelenken oder Ruckenschmerzen Spondylolisthesis Spondylarthrose Sub Luxationen in mehr als einem Gelenk oder mehrmals in einem Gelenk bei verschiedenen Anlassen Weichteilrheuma an mehr als 3 Stellen z B Tennisellenbogen Sehnenscheidenentzundung Schleimbeutelentzundung Marfanoider Habitus gross schlank Verhaltnis Armspanne zu Korpergrosse gt 1 03 Unterkorperverhaltnis lt 0 89 Spinnenfingrigkeit Anormale Haut Dehnungsstreifen dunne abziehbare Haut Zigarettenpapiernarben Augenanzeichen hangende Lider antimongoloide Augenachse Krampfadern Hernien Gebarmutter oder MastdarmvorfallDie Diagnosestellung Hypermobilitatssyndrom erfolgt bei der Prasenz von 2 Hauptkriterien oder 1 Hauptkriterium und 2 Nebenkriterien oder 4 Nebenkriterien oder 2 Nebenkriterien und positiver Familienhistorie im ersten GradHypermobilitatssyndrom vs EDS hypermobiler Typ EDS III Derzeit sind die klinischen Kriterien welche fur das Hypermobilitatssyndrom und fur die hypermobile Variante von EDS gelten unspezifisch und fur beide Seiten nicht exklusiv 9 Deshalb vertreten einige Arzte und Wissenschaftler die Auffassung dass das Hypermobilitatssyndrom eine milde Variante des hypermobiler Typs von EDS darstellt 10 Prognose BearbeitenDer Beginn der Beschwerden beim Hypermobilitatssyndrom variiert bei den Betroffenen und ist ebenso vielfaltig wie die Symptome Fruheste Erscheinungsform ist bei Kleinkindern mit Schwierigkeiten beim Laufenlernen Eine zweite Gruppe erlebt die ersten Probleme wahrend der Pubertat bzw der spaten Wachstumsphase Das spateste Auftreten wird meist in den dreissiger Jahren der Betroffenen verzeichnet wenn nach einer Veranderung der Lebensumstande oder nach einem Unfall erste ernsthafte Symptome auftreten Fur alle gilt aber dass die Krankheit meist einen progressiven fortschreitenden Verlauf nimmt und nicht selten als eine Abwartsspirale wahrgenommen wird Zwar ist allgemein bekannt dass Hypermobilitat mit zunehmendem Alter nachlasst Fur die Beschwerden beim Hypermobilitatssyndrom muss das allerdings nicht gelten Die Lebenserwartung ist normal wenn man von den wenigen Fallen mit starker Gefassbeteiligung absieht Die Lebensqualitat ist durch die auftretenden Schmerzen und Funktionseinschrankungen aber deutlich eingeschrankt Es gibt zurzeit weder in der Ursache noch in den Symptomen eine Behandlung der Erkrankung Forschungsprojekte untersuchen die Muskelfunktionen bei hypermobilen Personen Andere befassen sich mit den Unterschieden Gemeinsamkeiten des Hypermobilitatssyndrom und EDS hypermobile Variante In naherer Zukunft sind allerdings keine Durchbruche zu erwarten Therapie BearbeitenEine kausale Therapie fur das Hypermobiltatssyndrom steht nicht zur Verfugung Es zeigen sich jedoch bei den vier Beschwerdegruppen orthopadische Probleme Auswirkungen auf das Nervensystem Blutgefassveranderungen und Schmerzbehandlung signifikante Besonderheiten gegenuber den klassischen therapeutischen Herangehensweisen Orthopadische Probleme Bearbeiten Das besondere Merkmal ist die Haufigkeit und die Schwere von orthopadischen Problemen beim Hypermobilitatssyndrom die orthopadische Korrekturen Hilfsmittelversorgung und weiterfuhrende Behandlungen ofter notwendig werden lassen Bei der operativen Versorgung ist eine generelle Zuruckhaltung angeraten da einerseits besonders Banderraffungen o a haufig nicht den gewunschten langfristigen Erfolg versprechen und andererseits die Narbenbildung im Gewebe und der Haut gestort sein kann In der Physiotherapie steht der Aufbau bzw die Sicherung der Tiefenstabilitat im Vordergrund 11 Haltungskontrolle korrektur und training auch und insbesondere mit Wassertherapie nehmen einen grossen Stellenwert ein Ein Muskelaufbau im klassischen Sinne ist dagegen eher kontraproduktiv weil dadurch keine Stabilitat aufgebaut wird und sogar gegenteilige Wirkung erzielt werden konnte Tai Chi Pilates spezielle Atemubungen und andere sanfte Trainingsformen sind unter Vermeidung von Uberstreckungen zu bevorzugen Kontaktsportarten sind genauso zu meiden wie lang anhaltende ausdauernde oder sich oft wiederholende Tatigkeiten im Alltag Daruber hinaus sind Kenntnisse und Techniken zur Bewegung innerhalb der mittleren Bewegungsspanne notwendig Obwohl die Beeintrachtigung des Nervensystems nicht direkt im Vordergrund der Erkrankung steht gibt es doch haufig ernsthafte Komplikationen Es konnen Nervenabklemmungen durch Muskelverspannungen oder Wirbelgleiten genauso auftreten wie Nervendehnungen durch Uberbeweglichkeit mit einhergehenden Lahmungserscheinungen oder Gefuhlsstorungen Fur die Therapie ist zu berucksichtigen dass diese Erscheinungen bei hypermobilen Menschen ganz ohne Trauma auftreten konnen und bei wiederholtem Auftreten ebenfalls Strategien zur Verhinderung angewendet werden sollten z B Verwendung von Halskrause oder Nackenkissen o a Blutgefassveranderungen Bearbeiten Nicht nur beim EDS vaskularer Typ treten gehauft Schlaganfalle oder Durchblutungsstorungen im Gehirn auf sondern auch beim EDS hypermobiler Typ und dem Hypermobilitatssyndrom Insofern ist bei allen diesen Betroffenen eine erhohte Vorsicht und eine gesteigerte Sensibilitat bei der Erkennung von Fruhsymptomen angezeigt Schmerzbehandlung Bearbeiten Beim Hypermobiltatssyndrom sind Schmerzen neben den Funktionseinschrankungen das die Lebensqualitat am meisten einschrankende Phanomen Sie treten neben den direkten Schmerzen bei Verstauchungen Ausrenkungen etc auch ohne Trauma und trotz negativer Befunde bei bildgebenden Verfahren in Gelenken Sehnen und Muskeln auf Eine Theorie geht von einer Minderversorgung der Muskelzellen mit Sauerstoff aus die dann direkt mit Verspannungen auf die Muskelansatze und die Gelenke wirkt 12 Eine umfassende Schmerztherapie ist beim Auftreten von chronischen Schmerzen einer Selbstmedikation mit nichtopioiden Medikamenten wegen der langfristigen Nebenwirkungen vorzuziehen Es stehen dann neben den nichtmedikamentosen Mitteln Gesprachstherapie Entspannungstechniken auch schwache Opiate Tilidin Codein und Tramadol oder sogar starke Opiate sowie eine Kombination mit schmerzlindernden Antidepressiva zur Verfugung Verhaltenstraining Bearbeiten Das Wissen um die Krankheit deren Ursachen und um Strategien die Auswirkungen zu minimieren nimmt einen entscheidenden Platz in der Therapie ein Nur so konnen sich Betroffene bewusst bewegen Fehlhaltungen vermeiden Hilfsmittel gezielt unterstutzend einsetzen und vieles mehr Es ist ein lebenslanger Prozess der taglich Aufmerksamkeit erfordert So lautet der Rat fur den Alltag Traumata vermeiden und sich standig in der Mitte der Beweglichkeitsspanne aufhalten keine Endstellungen von Gelenken Dehnen so sehr es auch fur den Einzelnen erstrebenswert scheint sollte vermieden werden Daruber hinaus muss jeder Betroffene seine eigene Strategie entwickeln da die Beschwerden und Symptome unterschiedlich in Art und Auspragung sind und es keine allgemeingultigen Rezepte gibt Ein permanenter Ansprechpartner aus dem medizinischen Bereich ist fur die stetige Problembewaltigung sehr hilfreich Arzte und Therapeuten Bearbeiten Das Wissen um das Hypermobilitatssyndrom als Bindegewebskrankheit mit den verschiedenen Auswirkungen auf Patienten ist bei Arzten und Therapeuten wenig verbreitet Bisher wird nur in Ausnahmefallen schon in der Ausbildung darauf eingegangen und ist somit weitgehend unbekannt Dabei ist die Fruherkennung essentiell fur eine fruhzeitige Umstellung der Lebensweise der Betroffenen Literatur BearbeitenDt Ges f Orthopadie und orthopad Chirurgie BV d Arzte f Orthopadie Hrsg Leitlinien der Orthopadie 2 Auflage Dt Arzte Verlag Koln 2002 D Becker Capeller M H Weber Primary Generalized Fibromyalgia Syndrome In Rheumatology 33 1994 S 889 Beighton score C Hasler W Dick Spondylolyse und Spondylolisthese im Wachstumsalter Spondylolysis and Spondylolisthese during growth In Der Orthopade 2002 Vol 31 1 S 78 87 R Keer R Grahame Hypermobility Syndrome Recognition and Management for Physiotherapists 2003 J Sachse Die lokale pathologische Hypermobilitat Eine Ubersicht In Manuelle Medizin 2004 Vol 42 1 S 17 26 M Seidel Hypermobilitat In Musikphysiologie und Musikermedizin 2009 16 Jg Nr 3 S 163 ff L Virta T Ronnemaa The association of mild moderate isthmic lumbar Spondylolisthese and low back pain in middle aged patients is weak and it only occurs in women In Spine 1993 Vol 18 11 S 1496 1503 Einzelnachweise Bearbeiten Leslie N Russek Examination and Treatment of a Patient with Hypermobility Syndrome In Physical Therapy Journal of the American Therapy Association 80 2000 S 386 398 Erik Kindgren Antonia Quinones Perez Rajna Knez Prevalence of ADHD and Autism Spectrum Disorder in Children with Hypermobility Spectrum Disorders or Hypermobile Ehlers Danlos Syndrome A Retrospective Study In Neuropsychiatric Disease and Treatment 17 Jahrgang 10 Februar 2021 S 379 388 doi 10 2147 NDT S290494 PMID 33603376 PMC 7882457 freier Volltext englisch dovepress com J A Kirk Hrsg The hypermobility syndrome musculoskeletal complaints associated with generalized joint hypermobility In Ann Rheum Dis 26 1967 S 419 425 P Beighton Hrsg International Nosology of Heritable Disorders of Connective Tissue In American Journal of Medical Genetics 29 1988 S 581 594 F Schilling E Stofft Das Hypermobilitats Syndrom Ubersicht grossfamiliare Kasuistik und Pathologie der Kollagentextur In Osteol 12 2003 S 205 232 L Larsson Hrsg Benefits and Disadvantages of Joint Hypermobility among Musicians In N Engl J Med 329 1993 S 1079 1082 P Beighton Hrsg Articular mobility in an African population In Ann Rheuma Dis 32 1973 S 413 418 R Grahame The revised Beighton 1998 criteria for the diagnosis of benign joint hypermobility syndrome BJHS In The Journal of Rheumatology 27 2000 S 1777 1779 L Remvig D V Jensen R C Ward Are diagnostic criteria for general joint hypermobility and benign joint hypermobility syndrome based on reproducible and valid tests A review of the literature In J Rheumatol 34 2007 S 798 803 R Keer R Grahame Hypermobility Syndrom Recognition and Management for Physiotherapists ISBN 978 0 7506 5390 9 S 20 M Seidel Hypermobilitat In Musikphysiologie und Musikermedizin 16 Jg Nr 3 2009 S 172 ff J Dommerholt Treating the Trigger advancefor In Physical Therapists amp PT Assistance Vol 19 Issue 6 S 26 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hypermobilitatssyndrom amp oldid 226781882