www.wikidata.de-de.nina.az
Got gebe ir iemer guoten tac Gott gebe ihr immer guten Tag im Sinne etwa von Gott schenke ihr immerfort gute Zeit ist ein Lied von Walther von der Vogelweide Es wird in die literarische Gattung des erweiterten Wechsels eingeordnet 1 Ein Mann und eine Frau aussern monologisch den Wunsch mit dem anderen zusammen zu sein Aufgrund allgemeiner Freudlosigkeit in der Gesellschaft ist es ihnen jedoch nicht moglich das empfundene Gluck offen zu zeigen Dieses Lied wurde in vielerlei Hinsicht auf die richtige Strophenfolge und die korrekte Zuordnung von Manner und Frauenstrophen untersucht Nach wie vor gibt es jedoch keine allgemeingultige Meinung diesbezuglich Inhaltsverzeichnis 1 Inhaltsangabe 1 1 Strophe 1 L 119 17 C 422 E 125 1 2 Strophe 2 L 119 35 C 423 E 126 1 3 Strophe 3 L 119 26 C 424 E 127 1 4 Strophe 4 L 120 7 C 425 E 128 2 Uberlieferung 3 Analyse der Form 4 Die Interpretation aufgrund unterschiedlicher Strophenfolgen 4 1 Allgemein 4 2 Karl Lachmann 4 3 Wilhelm Wilmanns und Victor Michels 4 4 Hennig Brinkmann 4 5 Friedrich Maurer 4 6 Carl von Kraus 4 7 Hans Gunther Meyer 4 8 Horst Brunner 4 9 Jens Kohler 4 10 Gunther Schweikle 4 11 Sonja Kerth 4 12 Zusammenfassend 5 Stellung im Werk des Autors und der Gattung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseInhaltsangabe BearbeitenBei der Reihenfolge der Strophen und der Zuordnung als Manner oder Frauenstrophe wird hier die von Gunther Schweikle gewahlte Strophenfolge zugrunde gelegt Strophe 1 L 119 17 C 422 E 125 Bearbeiten In dieser Strophe aussert das mannliche Ich den Wunsch dass es der Frau die er liebe und nicht fur sich gewinnen konne immer gut geht Vv 1 3 Er beklagt es nicht genau zu wissen was die Frau fur ihn empfinde Wahrend er sie einerseits sagen hore wie zugetan sie ihm sei musse er andererseits Dinge vernehmen die ihm Kummer bereiten ander maere Vv 3 6 Seine Gefuhle bezeichnet er im Anschluss als sueze arebeit und senfte unsenftekeit V 6 f Strophe 2 L 119 35 C 423 E 126 Bearbeiten Hier aussert sich die Dame und berichtet daruber dass sie gern ofter froh ware dafur jedoch keinen Gefahrten habe V 1 f Sie verweist auf die allgemeine Freudlosigkeit in der Gesellschaft und erklart dass sie ihre Freude nicht entgegen dieser zeigen konne V 3 f Wurde sie nicht auf ihre Freude verzichten so musste sie ir vinger zeigen liden V 5 f Sie sichere sich aber die Gunst der Gesellschaft indem sie nur noch dort lache wo keiner sie sehe V 7 9 Strophe 3 L 119 26 C 424 E 127 Bearbeiten Auch hier handelt es sich um eine Frauenstrophe Das weibliche Ich macht deutlich dass sie mit sorgen minnen sol V 2 und erkennt dennoch dass Gott es gut mit ihr gemeint habe denn sie habe sich dessen angenommen uber den alle etwas Gutes sagen V 1 4 Sie erzahlt sie habe ihn in aller Eile gekusst und umarmt V 5 6 und dass sie sich ihm hingeben wurde sobald sie nur die Gelegenheit dazu hatte V 7 9 Strophe 4 L 120 7 C 425 E 128 Bearbeiten Er sagt dass es ihn innerlich schmerze wenn er daran zuruck denke wie die Leute sich fruher verhielten V 1 3 Er konne nicht vergessen wie froh die Leute damals gewesen seien V 4 f Damals habe ein glucklicher Mann sich auch so verhalten konnen V 6 Er betont dass wenn dies nie mehr geschehen sollte er traurig sei es je erlebt zu haben Uberlieferung BearbeitenDas Lied ist in identischer Strophenfolge und fast gleichem Wortlaut in der Grossen Heidelberger Liederhandschrift Codex Manesse Handschrift C und der Wurzburger Liederhandschrift Handschrift E uberliefert Die Reihenfolge lautete C 422 425 sowie E 125 128 Eine Kennzeichnung von Frauen und Mannerstrophen ist in den Handschriften nicht gegeben Die Strophenfolge wurde jedoch vielfach diskutiert so dass nicht zweifelsfrei gesagt werden kann inwiefern die uberlieferte Reihenfolge korrekt ist 2 Analyse der Form BearbeitenVier neunzeilige Stollenstrophen aus relativ freien Vieraktern und freier Auftaktgestaltung 3 machen die Form dieses Liedes aus Zwischen den jeweils 7 Versen einer Strophe ist ein Kornreim sit nit lit zit vorhanden Zusatzlich finden sich Reimresponsionen in Strophe 1 und 4 gesehen jehen und geschehen gesehen sowie tac mac und pflac mac und Strophe 2 und 3 han lan und getan han Weiterhin gibt es Wortwiederholungen in den Strophen 1 und 3 die beide mit got beginnen und Strophen 1 3 und 4 die an metrisch gleicher Stelle in der drittletzten Zeile das Wort herze 4 aufweisen Alle vier Strophen stellen Monologe voneinander unabhangige Ausserungen uber die Liebe zu dem Partner und den Gesellschaftszustand dar Das Lied kann dementsprechend als traditioneller Wechsel in dem die Liebenden getrennt voneinander ihre Gefuhle offenbaren bezeichnet werden 5 Die Interpretation aufgrund unterschiedlicher Strophenfolgen BearbeitenAllgemein Bearbeiten Bezuglich des Inhalts gibt es viele Ansatze der Deutung Dies hangt uberwiegend davon ab welche Strophenreihenfolge als richtig angesehen wird Wahrend beide Handschriften die gleiche Strophenfolge uberliefern hat bereits Karl Lachmann 1853 die Richtigkeit dieser Strophenfolge angezweifelt Ihm folgten weitere Forscher wie Wilhelm Wilmanns und Victor Michels Hennig Brinkmann Friedrich Maurer Carl von Kraus Hans Gunther Meyer Horst Brunner und Jens Kohler die sich mit der Strophenfolge dieses Wechsels beschaftigt haben Auch die Zuordnung der Strophen als Manner oder Frauenstrophe sowie das Verstandnis der vier Strophen als ein oder zwei Lieder wurden haufig diskutiert Im Folgenden werden die einzelnen Interpretationsansatze in chronologischer Reihenfolge dargestellt Um eine Verbindung zwischen den einzelnen Positionen zu schaffen wird insbesondere der Inhalt des ander maere der bei nahezu allen Forschern variiert wiedergegeben Karl Lachmann Bearbeiten Karl Lachmann nahm 1853 eine Anderung an der uberlieferten Strophenfolge vor indem er die beiden mittleren Strophen vertauschte Seine Reihenfolge lautete demnach C422 C424 und C423 C425 Damit fasste er gleichzeitig die beiden Gesellschafts und Liebesstrophen zu zwei selbstandigen Liedern zusammen 6 Lachmann geht nicht explizit darauf ein was er als Inhalt des ander maere versteht da jedoch die Lieder getrennt sind ist zu vermuten dass der Inhalt des Kummers des Mannes von der zweiten Strophe dargestellt wird und somit darin besteht dass sie ihn liebt jedoch keine Gelegenheit hat sich ihm hinzugeben Gegen eine solche Trennung der Strophen ausserte sich jedoch Horst Brunner indem er darlegte dass da alle Strophen die gleiche Form hatten sie vermutlich auch auf die gleiche Melodie gesungen wurden Weiterhin sei eine enge Verbundenheit der Strophen vorhanden sowohl durch die Kornreime im drittletzten Vers jeder Strophe als auch durch die Wortwiederholungen in Strophe 1 und 2 got sowie 1 2 und 4 herze und durch die Reimresponsionen in Strophe 1 und 4 sowie 2 und 3 Wilhelm Wilmanns und Victor Michels Bearbeiten Auch Wilmanns Michels sind von der Einheit der Strophen uberzeugt Sie schreiben Obgleich die vier Strophen durch ihren Inhalt nicht zusammenhangen so zeigen doch die Korner und wohl auch die Responsionsreime dass die fur den fortlaufenden Vortrag bestimmt waren 7 Sie legen die Reihenfolge C422 C424 C423 C425 zugrunde und begrunden dies damit dass es Walthers Dichtung als Gesellschaftspoesie entsprache dass er sich erst einmal mit der Minnesituation der Liebenden auseinandersetze und dann zur Betrachtung der Lebensstellung ubergeh e 8 Setzt man diese Strophenfolge voraus so wird es moglich das Lied wie Wilmanns Michels zu interpretieren Sie gehen davon aus dass in der ersten Strophe dem Manne eine offene Liebeserklarung zuteil geworden sei zugleich aber eine Kunde die ihn bekummert 9 diese Kunde das ander maere sei laut Wilmanns Michels dass sie ihn liebe jedoch nicht gewahren konne In der zweiten Strophe bestatigt die Frau laut Wilmanns Michels ebendies dass sie sich ihm widerstandslos hingeben wurde und nur aussere Hindernisse sie davon abhielten Hennig Brinkmann Bearbeiten Auch Hennig Brinkmann veranderte die uberlieferte Reihenfolge der Strophen dieses von ihm unter dem Namen Minne im Wandel der Zeit veroffentlichten Minneliedes und wahlte die Reihenfolge C424 C422 C423 C425 Damit ist er der Einzige der mit der Liebesstrophe der Frau einsetzt Weiterhin wechseln sich Mannes und Frauenstrophen regelmassig ab und die beiden Liebes und Gesellschaftsstrophen werden zusammengefasst Brinkmann erklart jedoch nicht welche Interpretation ihn dazu bewog diese Strophenfolge zu wahlen 10 Friedrich Maurer Bearbeiten Ahnlich verhalt sich dies bei Friedrich Maurer der das Lied unter der Uberschrift Klage und Trost in der Reihenfolge C422 C423 C425 C424 veroffentlichte 11 Brunner ist der Meinung dass fur Maurer der Inhalt des ander maere die Klage der Dame sie durfe ihre Freude nicht zeigen sein musse und dementsprechend die Reihung der Strophen zu der von ihm gewahlten Uberschrift passend sei 12 Carl von Kraus Bearbeiten Auch Carl von Kraus ging von der gleichen Strophenfolge wie Willmanns Michels aus In seiner Fassung versuchte er jedoch die Einheit des Liedes zu beweisen indem er sich damit auseinandersetzte was der Inhalt des andern maeres sein konnte Seiner Ansicht nach konne dies nur deutlich werden wenn neben L 119 26 L 119 34 C 424 auch L 119 35 L 120 6 C 423 als Frauenstrophe verstanden wurden Den Inhalt dessen was der Mann die Frau horte jehen namlich wie holt si ihm entriuwen waere stelle die erste Frauenstrophe dar Diese mache also deutlich dass sie minne empfinde dass sie ihn bereits gekusst und umarmt habe und dass sie sich ihm ganz hingeben wurde hatte sie nur die Gelegenheit dazu Die zweite Frauenstrophe hingegen stellt den Inhalt des andern maeres dar wegen dessen sein herze inneclichen kumber lidet iemer sit sie ware zur froide gerne bereit aber sie hat keinen gesellen weil sie bei der allgemeinen Freudlosigkeit der Umgebung furchten musste deren hulde zu verlieren und verspottet zu werden 13 Der Inhalt des anderen maeres ist somit nach v Kraus die Angst der Frau vor gesellschaftlichem Ausschluss oder Spott wenn sie ihre Freude preisgebe oder mit jemandem teile Deswegen so v Kraus konne sie ihn nicht sehen und ihre Freude auch mit ihm nicht teilen Das sieht v Kraus als Grund dafur weshalb er in der ersten Strophe sage Got laze mich si noch gesehen die ich minne und nicht erwerben mac und sie in ihrer ersten Strophe sit ich mit sorgen minnen sol und in ihrer zweiten Strophe daz ich niht gesellen han erwahne Im Gegensatz zu Lachmann und Willmanns Michels versteht er die dritte und nicht die zweite Strophe als Inhalt des andern maeres In der vierten Strophe ergreift laut v Kraus Walther selbst den v Kraus mit dem mannlichen Sprecher gleichsetzt das Wort und stellt die freudlose Gegenwart der frohen Vergangenheit gegenuber 14 So knupfe diese Strophe laut v Kraus deutlich an die erste an indem das inneclichen kumber liden aus dem Ende der ersten Strophe mit dem Ez tout mir inneclichen we in der vierten Strophe wieder aufgegriffen werde Auch erkennt v Kraus eine Verbindung zwischen seinen und ihren Strophen da beide Sprecher mit got einsetzen Weiterhin sind auch fur v Kraus die Kornreime sowie die Responsionsreime ein eindeutiges Zeichen dafur dass die vier Strophen zusammengehoren und ein Lied darstellen In Bezug auf Lachmann verlangt v Kraus also eine Kennzeichnung der 3 Strophe als Frauenstrophe und die Verbindung aller vier Strophen zu einem Ganzen 15 Brunner hingegen unterstellt v Kraus dass der Inhalt den er dem andern maere zuweist namlich dass sie ihn aufgrund der allgemeinen Freudlosigkeit in der Umgebung nicht erhoren kann ja nicht einmal sehen darf 16 auf einer zweifelhaften Ubersetzung beruhe Wahrend v Kraus den Anfang der ersten Strophe mit Gott lasse sie mich noch einmal wenigstens sehen die ich nicht in der Lage bin aufgrund ausserer Umstande zu gewinnen wiedergibt 17 bevorzugt Brunner die Ubersetzung dieser Textstelle mit Gott schenke ihr stets gute Tage und lasse sie mich noch oft oder auch noch heute sehen 18 Dementsprechend verweist Brunner darauf dass aus dem Text nicht zwingend hervorgehe dass der Mann die Dame nicht sehen konne sondern dass er sich lediglich wunsche sie zu sehen Auch die nachste Textstelle sit ich mit sorgen minnen sol die v Kraus als Beleg dafur anfuhrte dass die Dame sich uber ihre Situation beklagt bezeichnet Brunner lediglich als eine Feststellung der Dame daruber dass sie nun einmal heimlich Liebe treibe und froh sei dass Gott ihr einen allgemein angesehenen Liebhaber gegeben habe Und auch die dritte Textstelle die v Kraus anfuhrte namlich daz ich niht gesellen han ubersetzt Brunner nicht mit Ich ware gerne frohlich aber ich habe keinen Freund sondern mit Ich ware gern oft frohlich leider habe ich in meiner Umgebung niemanden der mithalt 19 Somit kritisiert Brunner dass laut v Kraus der Inhalt des ander maere die allgemeine Freudlosigkeit in der Umgebung sein soll und daraus resultierend eine Situation konstruiert wird in der die beiden nicht zusammenkommen konnten Dies ist laut Brunner nicht der Fall da die Dame eindeutig sage dass sie sich dem Manne hingeben mochte ihnen jedoch die Statte der Ort die Gelegenheit dafur fehlten 20 Damit zweifelt Brunner zwar die Interpretation v Kraus nicht jedoch die von ihm behauptete Einheit des Liedes an Hans Gunther Meyer Bearbeiten Auch Hans Gunther Meyer setzte sich mit der Strophenfolge dieses Wechsels auseinander und machte folgenden Vorschlag C423 C422 C424 C425 der von der Reihenfolge Lachmanns Willmanns Michels und v Kraus abweicht Dadurch ermoglicht sich ihm ein ganzlich anderer Interpretationsansatz als die bislang genannten In der ersten Strophe werde laut Meyer der Wille der Frau zur Freude den herrschenden truren der Gesellschaft gegenubergestellt Hier jedoch blieben sowohl der Grund dafur weshalb sie sich nur heimlich freuen konne als auch was die Ursache fur die Freude sei verborgen In der zweiten Strophe umschreibe der Mann die Sehnsucht nach der Geliebten Die Worte der Dame aus der ersten Strophe verstehe der Mann laut Meyer als heimliche Liebesbotschaft an ihn 21 Es tue ihm weh dass sie ihm ihre Gefuhle nur so zeigen konne was er als das Paradoxe seiner Liebessituation 22 empfinde weshalb er z B den Ausdruck senfte unsenftekeit gebrauche Die dritte Strophe gebe laut Meyer die Grunde fur das Glucksgefuhl aus der ersten Strophe preis Diese seien die Gedanken an den allgemein anerkannten Wert des Freundes die Erinnerung ihrer Gunstbeweise fur ihn und ihre wachsende Bereitschaft zu voller Liebesbegluckung 23 Die letzte Strophe erklare den Schmerz den der Mann in Strophe 2 ansprach also das ander maere Dieser resultiere namlich daraus dass fruher noch Freude in der Gesellschaft herrschte und personliches Gluck im Einklang mit dem Allgemeinen stand 24 Betrachtet man die Strophen im Ganzen so ergibt sich fur Meyer beispielsweise aufgrund aufeinander abgestimmter Anfangsverse eine deutliche Verbundenheit aller Teile Meyer spricht bei seiner Reihenfolge von einer Schichtenanlage bei der es eine aussere umschliessende Inhaltsschicht neben einer inneren umschlossenen 25 gebe Die Gesellschaftsstrophen umschliessen in Meyers Strophenfolge die Liebesstrophen Dies hatte laut Meyer insofern eine Sinnhaftigkeit als die Gesellschaft den ausseren Rahmen fur die Minne der beiden schaffe In diesen Strophen werde der unterschiedliche Umgang der beiden mit der allgemeinen gesellschaftlichen Freudlosigkeit deutlich Wahrend sie sich ausserlich den gesellschaftlichen Gegebenheiten anpasse und innerlich dennoch subjektive nur ihr bewusste Freude empfinden konne sei fur den Mann nur die objektive von der Gesellschaft anerkannte und in ihr realisierte Freude ausschlaggebend 26 Da diese in der Gegenwart jedoch nicht vorhanden sei sei er im Gegensatz zur Frau nicht in der Lage sich mit der erwiderten Liebe daruber hinwegzutrosten Meyer macht darauf aufmerksam dass in den Binnenstrophen die Gesellschaftsthematik ganzlich ausgespart bleibe und die beiden sich lediglich mit ihrer Beziehung auseinandersetzten Auch hier gingen die Liebenden mit Schwierigkeiten und Freude an der minne ahnlich um wie in den Rahmenstrophen Wahrend der Mann das Paradoxe ihrer Beziehung dass sie sich trotz gegenseitiger Minne nicht erlangen konnen betone schaue die Frau mit Vorfreude der Situation entgegen in der sich ihnen die Gelegenheit der Liebeserfullung bieten werde Laut Meyer bestehe somit im Rahmen und Binnenteil der gleiche Unterschied zwischen dem Verhalten beider Wahrend die Frau sich in die Gesellschaft einfugen und trotzdem Freude empfinden konne sei der Mann starker auf die Aussenwelt eingestellt 27 und mache deutlich dass er Widerstand gegen die Gesellschaft ausube Meyer ist der Meinung dass es Walther darum gehe gegen die von der hohen Minne gepragte Gesellschaft in der gegenseitige Liebe ganzlich aus dem Offentlichen ins Private abgedrangt wurde zu protestieren Er nutze diese Gegenuberstellung von Liebe und Gesellschaft und insbesondere die laudatio temporis acti Strophe 4 um Protest gegen den Umgang mit der Liebe in der hofischen Gesellschaft zu uben und auf bessere fruhere Zeiten zu verweisen 28 In Bezug auf Meyer sagt Brunner dass diese Strophenfolge und der vorgeschlagene Verlauf denkbar seien Jedoch spreche dagegen dass die beiden Gesellschaftsstrophen auseinandergerissen werden 29 Horst Brunner Bearbeiten Wie bereits dargestellt bezog Brunner sich auf die bislang vorgestellten Wissenschaftler und versuchte die von ihnen vorgeschlagene Strophenfolge und die daraus resultierende Interpretation zu analysieren Bei seiner eigenen Interpretation geht er von der Strophenfolge Lachmanns und v Kraus aus In der ersten Strophe verweist Brunner in erster Linie auf die Oxymora sueze arebeit und senfte unsenftekeit die auf den Schmerz des Mannes und die Bitterkeit der sussen Minne 30 verweisen In der zweiten Strophe formuliere laut Brunner die Dame dass sie den Wunsch zur Liebeserfullung habe sie jedoch keinen geeigneten Ort k eine Gelegenheit 31 dazu hatten In Bezug auf die erste Mannerstrophe und den Inhalt des ander maere sagt Brunner dass er darunter den Zwang zum Aufschub der Liebesgewahrung 32 verstehe Dieser fuhre dazu dass der Wartende kumber sueze arebeit und senfte unsenftekeit verspurt 33 Die dritte Strophe konne sowohl als Frauen als auch als Mannerstrophe interpretiert werden Wenn sie als Frauenstrophe interpretiert werde wurde der frohe Ton aus der ersten Frauenstrophe fortgesetzt Die Freude uber die eigene Liebe stehe dann der Freudlosigkeit der Gesellschaft gegenuber und das heimliche Lachen wirke dadurch besonders stark Fuhre man dies fort so greife der Mann das Thema in der vierten Strophe wieder auf und fuhre es weiter indem er auf schonere vergangene Zeiten verweise Es komme also der gluckliche Mann zu Wort der es schlecht findet dass er nichts uber sein Liebesgluck verlauten lassen darf dies wurde der allgemein herrschenden Trauerstimmung die wohl herbeigefuhrt ist durch die verbreitete Mode der Hohen Minne widersprechen 34 Brunner vertritt jedoch auch die Ansicht dass die dritte Strophe durchaus auch eine Mannerstrophe sein konnte Der Mann ware dann derjenige der Angst hatte seine Freude offentlich zu zeigen weil man auf ihn mit Fingern zeigen wurde was dazu fuhren wurde dass er sich heimlich freue Laut Brunner hatte es dann im Rahmen des Gedichtes eine Entwicklung die Liebeserfullung gegeben die bewirkt hatte dass der ungluckliche Mann aus Strophe eins in Strophe drei von einer Freude spreche die er vor der Gesellschaft verbergen musse Die Form des Wechsels ermogliche eine solche Entwicklung dadurch dass Manner und Frauenstrophen nicht direkt zusammenhangen 35 Auch Brunner ist der Auffassung dass Walther den Liedertyp des Wechsels nutze um eine fur seine Zeit untypische Minnekonzeption die der gegenseitigen Minne und nicht der Hohen Minne wahlen zu konnen Er benutze diese zur Kritik an der Freudlosigkeit der Gegenwart im Kontrast zur Freude wie sie in der Vergangenheit geherrscht hat 36 Jens Kohler Bearbeiten Jens Kohler behalt die uberlieferte Reihenfolge der Strophen bei Er kritisiert alle Versuche eine andere Strophenfolge zu begrunden da er davon ausgeht dass Hinter diesen Eingriffen unausgesprochen die Pramisse steht dass die Strophen eine Minnegeschichte abbilden 37 Diese Pramisse beruhe laut Kohler auf einem neuzeitlichen Dichtungsverstandnis das an der Eigenart vieler Minnelieder vorbeigeht 38 Bei der Zuordnung der Strophen erkennt auch Kohler dass Strophe 1 und 3 aufgrund pronominaler Nennung eindeutig als Manner bzw Frauenstrophe erkennbar seien Eine solche eindeutige Zuweisung sei bei den beiden Gesellschaftsstrophen nicht moglich Er macht jedoch darauf aufmerksam dass die Furcht vor gesellschaftlichen Sanktionen bei einem Normverstoss eher auf eine Frauenrolle 39 hinweise Die laudatio temporis acti hingegen lasst sich Kohler zufolge mit der Mannerrolle vereinbaren Bei der Interpretation der Strophen ist Kohler der Meinung dass der Mann in Strophe 1 aufgrund des widerspruchlichen Verhaltens der Frau irritiert sei und paradoxe Gefuhle empfinde Strophe 2 hingegen erklare ihr Verhalten indem deutlich werde dass die Frau sich aufgrund gesellschaftlicher Normen so verhalten musse wodurch sich zeigt dass die den Mann irritierenden Widerspruche also nicht auf die ubliche Zuruckhaltung oder Unaufrichtigkeit zuruckzufuhren sind sondern auf einen Gesellschaftszustand 40 Der Inhalt des ander maere ware bei Kohler demzufolge der gesellschaftliche Zustand der es nicht zulasst dass die beiden ihre Liebe offentlich zeigen Auch in der dritten Strophe zeige sich die fortwahrende Prasenz der Gesellschaft als kontrollierende und hinderliche Instanz 41 denn auch wenn die Frau den Mann kusst und umarmt so tut sie dies in aller Eile In der vierten Strophe erkennt Jens Kohler dass es auf Seiten des Mannes keine Trennung in private und offentliche Freude gebe wie dies bei der Frau der Fall sei sondern generell gesagt wird dass nur dort wo die Leute froh sind sich das Individuum entsprechend verhalten kann 42 Kohler erkennt dass die erste und die dritte Strophe sowie die zweite und die vierte Strophe miteinander verbunden seien indem jedem Sprecher eine Strophe zuteilwerde die sich auf die Liebesbeziehung und eine die sich auf die Gesellschaftsthematik beziehe Trotz der gegenseitigen Liebe die durch die Form des Wechsels moglich werde sei laut Kohler dennoch ein spezifisches Rollenverhalten vorhanden Wahrend die Frau sich ihre Freude heimlich bewahren konne gerate der Mann aufgrund des paradoxen Verhaltens der Frau durcheinander 43 Gunther Schweikle Bearbeiten Gunther Schweikle behalt wie Kohler die uberlieferte Reihenfolge wie sie im Eingang dargestellt wurde bei Seiner Interpretation zufolge klagt der Mann in Strophe 1 uber die Restriktion in der Gesellschaft wodurch er die Frau kaum zu Gesicht bekommt und nur widerspruchliche Geruchte fur Schweikle das ander maere uber sie erfahrt 44 Die Frau beschreibe ihre Situation in Strophe 2 Sie sei einsam in der Gesellschaft weil sie ihr Gluck verheimlichen musse In der dritten Strophe werde der Grund fur das Gluck offenbart namlich dass sie einen edlen Ritter 45 so sehr liebe dass sie sich ihm hingeben wurde wenn sie nur die Gelegenheit dazu hatte Auch Schweikle sieht die vierte Strophe samt der laudatio temporis acti ahnlich wie Brunner als eine Gegenuberstellung der gegenwartigen und der vergangenen Liebesauffassung Des Weiteren erkennt auch Schweikle die Zusammengehorigkeit der Strophen an indem er auf die Kornreime und auf die sich aufeinander beziehende Wortwahl verweist Auch ein thematischer Zusammenhang sei laut Schweikle mit dem Aufgreifen der Gesellschaftsthematik beider Sprecher vorhanden Sonja Kerth Bearbeiten In ihrem Aufsatz erkennt auch Sonja Kerth dass Walther in diesem Lied darauf verzichtet hat die Rollen geschlechtsspezifisch zu uberspitzen oder zu vertauschen 46 Sie sagt ferner Er legt die Klagen uber die Restriktionen der Gesellschaft und die fehlende Gelegenheit zur Liebesbegegnung beiden Ichs in den Mund 47 Damit bestatigt auch sie die fruhere Forschung darin dass es unterschiedliche Interpretationsansatze bezuglich der Strophenzuweisung geben kann Zusammenfassend Bearbeiten Alles in allem lasst sich deutlich erkennen dass in der alteren Forschung von Lachmann uber Willmanns Michels und v Kraus bis Brunner die Reihenfolge C422 C424 C423 C425 gewahlt wurde Die neueren Wissenschaftler wie Kohler und Schweikle hingegen besinnen sich wieder auf die uberlieferte Reihenfolge und kritisieren wie im Fall Kohlers sogar jeden Versuch dieses Minnelied durch die Veranderung der Strophenfolge an das heutige Dichtungsverstandnis anzupassen Allen gemeinsam ist es jedoch dass sie erkennen dass hier eine gegenseitige Liebe offenkundig wird die aufgrund gesellschaftlicher Normen nicht ausgelebt werden darf Auch verweisen unter anderem Meyer und Brunner darauf dass es Walther darum ging auf ein Missverhaltnis der von der Hohen Minne gepragten Gesellschaft zur Liebeserfullung hinzuweisen Stellung im Werk des Autors und der Gattung BearbeitenLaut Maurer ist dieser Wechsel den fruhen Liedern Walthers bis 1198 zuzuweisen Zu diesen gehoren auch Sumer unde winter beide sint L 99 6 Frouwe vernemt durch got von mir diz maere L 112 35 Frouwe lant iuch niht verdriezen L 85 34 Gunther Schweikle hingegen macht deutlich dass die Form des Wechsels und die Topoi der Klage uber die Gesellschaft und der Kenntnis uber den anderen aufgrund von Geruchten zwar dem fruhen Minnesang angehoren die Tatsache dass der Mann paradoxe Empfindungen hat senfte unsenftekeit jedoch auf die Hohe Minne hinweise Bezuglich der Bedeutung dieses Liedes sagte Horst Brunner dass es keine grossen Besonderheiten aufweise denn sowohl die Darstellungsmittel als auch die Form des Wechsels habe Walther von anderen Dichtern ubernommen Lediglich die Problematisierung des Begriffes der Hohen Minne und der Ruckgriff auf die laudatio temporis acti seien diesem Lied eigen und seien Parallelen zu spateren Minneliedern Walthers Literatur BearbeitenBrinkmann Hennig 1952 Liebeslyrik der deutschen Fruhe in zeitlicher Folge Dusseldorf Schwann S 291 292 Brunner Horst 2008 Annaherungen Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters und der Fruhen Neuzeit Berlin E Schmidt S 103 112 Kohler Jens 1997 Der Wechsel Textstruktur und Funktion einer mittelhochdeutschen Liedgattung Heidelberg Winter S 208 211 Kraus Carl von Walther 1170 1230 Walther von 1966 Walther von der Vogelweide Untersuchungen 2 unverand Aufl Berlin de Gruyter S 434 445 Meyer Hans Gunther 1981 Die Strophenfolge und ihre Gesetzmassigkeiten im Minnelied Walthers von der Vogelweide Ein Beitrag zur inneren Form hochmittelalterlicher Lyrik Konigstein Ts Hain S 84 90 Sonja Kerth Jo enwas ich niht ein eber wilde Geschlechterkonzeptionen im Wechsel In Zeitschrift fur deutsches Altertum und deutsche Literatur 136 2007 S 143 161 Walther 1170 1230 Haupt Moriz Lachmann Karl 1853 Die Gedichte Walthers von der Vogelweide 3 Ausg Berlin Reimer S 119 120 Walter 1170 1230 Michels Victor Wilmanns Wilhelm 1924 Lieder und Spruche Walthers von der Vogelweide Mit erklarenden Anmerkungen 4 vollst umgearb Aufl Halle Saale Verl der Buchh des Waisenhauses S 399 402 Walther 1170 1230 Schweikle Gunther 1998 Liedlyrik Mittelhochdeutsch neuhochdeutsch Stuttgart Reclam S 192 195 S 625 627 Walther 1170 1230 Walther von der Maurer Friedrich 1956 Die Liebeslieder Tubingen Niemeyer S 40 41 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Got gebe ir iemer gv ten tag Quellen und VolltexteEinzelnachweise Bearbeiten Walther 1170 1230 Schweikle Gunther 1998 Liedlyrik Mittelhochdeutsch neuhochdeutsch Stuttgart Reclam S 193 Walther 1170 1230 Schweikle Gunther 1998 Liedlyrik Mittelhochdeutsch neuhochdeutsch Stuttgart Reclam S 625 Walther 1170 1230 Schweikle Gunther 1998 Liedlyrik Mittelhochdeutsch neuhochdeutsch Stuttgart Reclam S 625 Brunner Horst 2008 Annaherungen Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters und der Fruhen Neuzeit Berlin E Schmidt S 106 Kohler Jens 1997 Der Wechsel Textstruktur und Funktion einer mittelhochdeutschen Liedgattung Heidelberg Winter S 211 Walther 1170 1230 Haupt Moriz Lachmann Karl 1853 Die Gedichte Walthers von der Vogelweide 3 Ausg Reimer Berlin S 119 120 Walter 1170 1230 Michels Victor Wilmanns Wilhelm 1924 Lieder und Spruche Walthers von der Vogelweide Mit erklarenden Anmerkungen 4 vollst umgearb Aufl Halle Saale Verl der Buchh des Waisenhauses S 400 Walter 1170 1230 Michels Victor Wilmanns Wilhelm 1924 Lieder und Spruche Walthers von der Vogelweide Verl der Buchh des Waisenhauses S 400 Walter 1170 1230 Michels Victor Wilmanns Wilhelm 1924 Lieder und Spruche Walthers von der Vogelweide Verl der Buchh des Waisenhauses S 400 Brinkmann Hennig 1952 Liebeslyrik der deutschen Fruhe in zeitlicher Folge Dusseldorf Schwann S 291 292 Walther 1170 1230 Walther von der Maurer Friedrich 1956 Die Liebeslieder Tubingen Niemeyer S 40 41 Brunner Horst 2008 Annaherungen Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters und der Fruhen Neuzeit Berlin E Schmidt S 109 Kraus Carl von Walther 1170 1230 Walther von 1966 Walther von der Vogelweide Untersuchungen 2 unverand Aufl Berlin de Gruyter S 435 Kraus Carl von Walther 1170 1230 Walther von 1966 Walther von der Vogelweide Untersuchungen 2 unverand Aufl Berlin de Gruyter S 435 Kraus 1966 S 436 Brunner 2008 S 108 Brunner 2008 S 108 Brunner 2008 S 108 Brunner 2008 S 108 Brunner 2008 S 108 Meyer 1981 S 85 Meyer 1981 S 85 Meyer Hans Gunther 1981 Die Strophenfolge und ihre Gesetzmassigkeiten im Minnelied Walthers von der Vogelweide Ein Beitrag zur inneren Form hochmittelalterlicher Lyrik Konigstein Ts Hain S 85 Meyer 1981 S 85 Meyer 1981 S 87 Meyer 1981 S 87 Meyer 1981 S 88 Meyer 1981 S 88 89 Brunner S 110 Brunner 2008 S 110 Brunner 2008 S 111 Brunner 2008 S 111 Brunner 2008 S 111 Brunner 2008 S 111 Brunner 2008 S 111 Brunner 2008 S 112 Kohler Jens 1997 Der Wechsel Textstruktur und Funktion einer mittelhochdeutschen Liedgattung Heidelberg Winter S 208 Kohler 1997 S 208 Kohler 1997 S 209 Kohler 1997 S 210 Kohler 1997 S 210 Kohler 1997 S 210 Kohler 1997 S 211 Walther 1170 1230 Schweikle Gunther 1998 Liedlyrik Mittelhochdeutsch neuhochdeutsch Stuttgart Reclam S 626 Walther 1170 1230 Schweikle Gunther 1998 Liedlyrik Mittelhochdeutsch neuhochdeutsch Stuttgart Reclam S 626 Sonja Kerth Jo enwas ich niht ein eber wilde Geschlechterkonzeptionen im Wechsel In Zeitschrift fur deutsches Altertum und deutsche Literatur 136 2007 S 152 Kerth 2007 S 152 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Got gebe ir iemer guoten tac amp oldid 235833855