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Die Giessener Papyrussammlungen sind eine Sondersammlung der Universitatsbibliothek Giessen In ihr sind drei ursprunglich selbstandige Papyrussammlungen und eine Ostrakasammlung zusammengefuhrt worden die Papyri Gissenses P Giss die Papyri Bibliothecae Universitatis Gissensis P B U G und die Papyri Iandanae P Iand sowie die Ostraca Gissensia O Giss Diese Sammlungen wurden vor 1914 mit Hilfe des Deutschen Papyruskartells aufgebaut Sie umfassen uber 2800 Papyrusfragmente und 576 Ostraka Die meisten Texte sind in griechischer Sprache Angegliedert ist eine Sammlung von Keilschrifttafeln in altassyrischer Sprache Mit insgesamt rund 3400 Stucken besitzt Giessen die funftgrosste deutsche Papyrussammlung nach Berlin Leipzig Heidelberg und Koln Ihre Besonderheit ist dass sie ohne offentliche Mittel aufgebaut wurde 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte der Teilsammlungen 1 1 Papyri Gissenses 1 2 Papyri Bibliothecae Universitatis Gissensis 1 3 Papyri Iandanae 1 4 Ostraca Gissensia 1 5 Keilschrifttexte der Universitatsbibliothek Giessen 2 Geschichte der Giessener Papyrussammlungen ab 1950 3 Digitalisierung 4 Literatur 5 Anmerkungen 6 WeblinksGeschichte der Teilsammlungen BearbeitenPapyri Gissenses Bearbeiten Der Giessener Althistoriker Ernst Kornemann gehorte 1902 zu den Grundungsmitgliedern des Deutschen Papyruskartells das den Ankauf agyptischer Funde organisierte die anschliessend unter deutschen Interessenten verlost wurden Der Giessener Unternehmer Wilhelm Gail stellte die Mittel fur den Aufbau einer Papyrussammlung in Tragerschaft des Oberhessischen Geschichtsvereins zur Verfugung Sie umfasst 1080 durch Inventarnummern gezahlte Papyri und verwandte Beschreibstoffe Pergament Leder Hadernpapier sowie zwei Wachstafeln und ein Stuck Mumienkartonage 2 Bei einer Agyptenreise erwarb Kornemann 1902 bei einem Handler in Eschmunen rund 150 Papyri die aus dem antiken Ort Heptakomia in der Thebais stammten Darunter war das beruhmteste Stuck der Papyri Gissenses das Fragment einer Abschrift der Constitutio Antoniniana P Giss 40 I Im Oktober 2017 wurde das Stuck in die Liste des Weltdokumentenerbes der UNESCO aufgenommen 3 Ausserdem waren unter den Erwerbungen Kornemanns Papyri aus einem antiken Privatarchiv der romischen Kaiserzeit dem Apollonios Archiv Alle weiteren Ankaufe fur diese Sammlung erfolgten bis 1913 durch das Papyruskartell Nach einer ersten Sichtung begann die Verglasung zunachst der wertvolleren Stucke die der Konservator Hugo Ibscher in den Staatlichen Museen zu Berlin durchfuhrte Ibscher vergab die Inventarnummern in der Reihenfolge in der er diese Verglasung durchfuhrte unabhangig davon wann die Papyri angekauft worden waren 4 Die Edition der Texte ubernahm Kornemann selbst ab 1907 in Zusammenarbeit mit Otto Eger Rechtsurkunden und Paul M Meyer 1912 erschien Band I der Griechischen Papyri im Museum des Oberhessischen Geschichtsvereins zu Giessen in dem 125 Papyri und ein Ostrakon publiziert wurden Danach stagnierte die Edition Die meisten Papyri befanden sich im Oberhessischen Museum im Giessener Alten Schloss aber die Papyri mit denen er jeweils arbeitete bewahrte Kornemann selbst auf 1930 wurden die Papyri Gissenses als Dauerleihgabe in die Universitatsbibliothek uberfuhrt Sie sollten im dortigen Handschriften Zimmer fur die wissenschaftliche Arbeit bequem zuganglich sein 5 Im November 1939 wurden die Papyri und Ostraka in den Keller der Universitatsbibliothek gebracht zu einem unbekannten spateren Zeitpunkt kamen sie zusammen mit den Papyri Bibliothecae Universitatis Gissensis in den Tresor der Dresdner Bank Johannisstr 1 Hier uberstanden sie die Bombardierungen Giessens im Dezember 1944 und Februar 1945 unbeschadigt Aber im Marz April 1945 als die Lahn Hochwasser fuhrte drang Grundwasser in den Tresor ein Weder konnten die Bankmitarbeiter die Papyri aus dem Tresor holen noch meldete die Bank diesen Vorfall Nach Kriegsende blieb der Tresor auf Anordnung der amerikanischen Besatzungsbehorden verschlossen und so waren die Papyri monatelang dem Wasser ausgesetzt 1946 wurden die Bestande in die Ruine der Universitatsbibliothek zuruckgebracht Die nicht verglasten Papyri waren zu einem festen von Schimmel uberzogenen Klumpen zusammengeklebt Auch zwischen die Glasplatten war Wasser eingedrungen 1946 47 wurden die verglasten Papyri soweit moglich restauriert es gab jedoch einige Totalverluste Bei den nicht verglasten Papyri war die Restaurierung schwieriger und weniger erfolgreich 6 Vielfach entstanden wahrend der mehrmonatigen feuchten Lagerung auf den Papierlagen zwischen den Papyri spiegelverkehrte Abklatsche die von so guter Qualitat sind dass sie die verlorenen Originale ersetzen konnen 7 Papyri Bibliothecae Universitatis Gissensis Bearbeiten Seit 1908 gehorte die Giessener Universitatsbibliothek zu den Mitgliedern des Papyruskartells Die Klassischen Philologen Otto Immisch und Alfred Korte begannen mit dem Aufbau einer Lehrsammlung da die Papyri Gissenses nicht fur Unterrichtszwecke der Universitat zur Verfugung standen Die Mittel dazu stammten von den beiden Philologen selbst sowie einer Spende des Industriellen Adolf Clemm 1928 kamen Neuerwerbungen hinzu finanziert von dem Verleger des Giessener Anzeigers Richard Lange und dem Unternehmer Ludwig Rinn Damit war ein Endstand von 596 Stucken erreicht 8 Papyri Iandanae Bearbeiten Der Marburger Klassische Philologe Karl Kalbfleisch war seit 1906 Mitglied des Papyruskartells Er baute eine Privatsammlung auf die er nach seinem Grossvater dem Verleger und Druckereibesitzer Karl Reinhold Janda als Papyri Iandanae benannte vermutlich weil die Mittel fur den Ankauf von Janda stammten Kalbfleisch brachte diese Sammlung 1913 von Marburg nach Giessen wo sie im Handschriftenzimmer der Universitatsbibliothek aufgestellt wurde Im Gegensatz zu den Papyri Gissenses und den Papyri Bibliothecae Universitatis Gissensis blieb Kalbfleischs Privatsammlung in der Universitatsbibliothek Als die Bibliothek am 11 Dezember 1944 ausgebombt wurde befanden sich die Papyri Iandanae in einem Keller und blieben unbeschadigt Auch hier drang Feuchtigkeit ein doch sind die Schaden verglichen mit den beiden anderen Sammlungen geringer Das Inventar und weitere Akten uber die Sammlung wurden bei der Bombardierung zerstort 9 Nach Kalbfleischs Tod 1946 wurde die Sammlung auf Grund einer testamentarischen Verfugung 1952 der Universitatsbibliothek geschenkt 10 Ostraca Gissensia Bearbeiten Ernst Kornemann baute ausser der Papyrussammlung auch eine Ostrakasammlung auf Die meisten der rund 600 Objekte stammen aus dem agyptischen Theben wo Kornemann sie 1903 mit finanzieller Unterstutzung Gails erwarb 11 Fritz Moritz Heichelheim bearbeitete die Giessener Ostraka ab 1926 bis zu seiner erzwungenen Emigration nach England Keilschrifttexte der Universitatsbibliothek Giessen Bearbeiten Der Assyrologe Julius Lewy erwarb 1926 mit Mitteln der Giessener Hochschulgesellschaft rund 50 Keilschrifttontafeln fur das Orientalische Seminar Die Objekte stammen aus dem altassyrischen Handelszentrum Kanes heute Kultepe bei Kayseri Turkei Lewy dessen Spezialgebiet die Texte aus Kultepe waren wurde 1933 aus rassistischen Grunden entlassen er emigrierte nach Frankreich 12 Seine Stelle an der Universitat Giessen wurde nicht wieder besetzt Die unbearbeitete Sammlung wurde 1950 in die Universitatsbibliothek integriert 13 Zur Geschichte der Handelskolonie Kanes in der Mittleren Bronzezeit wo rund 20 000 Tontafeln gefunden wurden leistet die Giessener Sammlung nur einen kleinen Beitrag 14 Geschichte der Giessener Papyrussammlungen ab 1950 BearbeitenAb 1950 betreute der Klassische Philologe und Althistoriker Hans Georg Gundel die Papyrussammlungen wahrend der Orientalist Josef Schawe Bibliotheksdirektor war Von 1987 bis 2003 wurde die Sammlung von dem Klassischen Philologen Manfred Landfester wissenschaftlich betreut Nach seiner Emeritierung ging die Betreuung der Giessener Papyrussammlungen auf die Sondersammlungen der Universitatsbibliothek Giessen uber 15 Digitalisierung BearbeitenDie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Retrospektive Digitalisierung von Bibliotheksbestanden geforderte Digitalisierung der Giessener Papyri 1999 2001 bot die Moglichkeit eine Neukatalogisierung vorzunehmen und die bis dahin nur auf Fliesspapierlagen aufbewahrten Papyri zu verglasen Sie wurden kategorisiert und dadurch inhaltlich erschlossen 16 Das Folgeprojekt war die Digitalisierung Erschliessung und Bereitstellung der Giessener Ostrakasammlung 2001 2003 in diesem Rahmen wurden auch 3D Scans der Keilschrifttafeln erstellt die im Internet zur Verfugung stehen 17 Literatur BearbeitenManfred Landfester Lothar Kalok Vom Alten Orient nach Giessen Tontafeln Papyri Ostraka In Irmgard Hort Peter Reuter Hrsg Aus mageren und aus ertragreichen Jahren Streifzug durch die Universitatsbibliothek Giessen und ihre Bestande Giessen 2007 S 8 37 Digitalisat Hans Georg Gundel Papyri Gissenses Eine Einfuhrung 2 durchgesehene und erweiterte Auflage Giessen 1975 Digitalisat Hans Georg Gundel Papyri Iandanae Eine Einfuhrung 2 durchgesehene und erweiterte Auflage Giessen 1971 Digitalisat Karl Hecker Die Keilschrifttexte der Universitatsbibliothek Giessen unter Benutzung nachgelassener Vorarbeiten von Julius Lewy Giessen 1966 Digitalisat Anmerkungen Bearbeiten Manfred Landfester Lothar Kalok Vom Alten Orient nach Giessen Tontafeln Papyri Ostraka Giessen 2007 S 11 Hans Georg Gundel Papyri Gissenses Eine Einfuhrung Giessen 1975 S 23f Unterlagen des Auschwitz Prozesses und Constitutio Antoniniana sind UNESCO Weltdokumentenerbe Pressemitteilung der deutschen UNESCO Kommission vom 30 Oktober 2017 Hans Georg Gundel Papyri Gissenses Eine Einfuhrung Giessen 1975 S 8 10 Hans Georg Gundel Papyri Gissenses Eine Einfuhrung Giessen 1975 S 11f Hans Georg Gundel Papyri Gissenses Eine Einfuhrung Giessen 1975 S 17f und 27 Henning Dreyling Lothar Kalok Papyrusdigitalisierung in Giessen In ABI Technik 21 2001 S 327 339 hier S 333 Manfred Landfester Lothar Kalok Vom Alten Orient nach Giessen Tontafeln Papyri Ostraka Giessen 2007 S 10 Hans Georg Gundel Papyri Iandanae Eine Einfuhrung Giessen 1971 S 6f und 10 Hans Georg Gundel Papyri Iandanae Eine Einfuhrung Giessen 1971 S 5 Manfred Landfester Lothar Kalok Vom Alten Orient nach Giessen Tontafeln Papyri Ostraka Giessen 2007 S 10 Utz Maas Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933 1945 Lewy Julius Manfred Landfester Lothar Kalok Vom Alten Orient nach Giessen Tontafeln Papyri Ostraka Giessen 2007 S 11 13 Manfred Landfester Lothar Kalok Vom Alten Orient nach Giessen Tontafeln Papyri Ostraka Giessen 2007 S 8 Universitatssammlungen in Deutschland Giessener Papyrussammlungen Henning Dreyling Lothar Kalok Papyrusdigitalisierung in Giessen In ABI Technik 21 2001 S 327 339 hier S 329 Vgl Kulturerbe digital Erfassung Erschliessung Digitalisierung und Bereitstellung der Giessener Papyrussammlung Justus Liebig Universitat Giessen Die Keilschriftexte der Universitatsbibliothek Giessen mit 3D Scans Weblinks BearbeitenPortal Wissenschaftliche Sammlungen Giessener Papyrussammlungen Organa Papyrologica Giessener Papyrussammlungen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Giessener Papyrussammlungen amp oldid 228253918