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Freie Stunden am Fenster ist eine Novelle von Wilhelm Hauff die im April 1826 erstmals in der neugegrundeten Zeitschrift Der Eremit in Deutschland erschien 1 Nach Hauffs Tod wurde die Novelle 1828 in der Sammlung Phantasien und Skizzen veroffentlicht 2 Zimmer von Wilhelm Hauff in Stuttgart Zeichnung von Wilhelm Hauff 1825 Die Novelle erzahlt die Geschichte eines verarmten Mannes der ein kleines Stubchen bezieht und dort Leben und Treiben im Nachbarhaus beobachtet Der Text ist in einem heiteren oft ironischen Grundton gehalten und gespickt mit gesellschaftskritischen und literarasthetischen Randbemerkungen Inhaltsverzeichnis 1 Ubersicht 2 Inhalt 3 Entstehung 3 1 Fensterschau 3 2 Hauffs Zimmer 4 Zitate 5 Ausgaben 6 Literatur 7 Weblinks 8 FussnotenUbersicht BearbeitenDer verarmte Ich Erzahler zieht sich aus dem gesellschaftlichen Leben zuruck und wirft sich auf die Beobachtung des Lebens und Treibens im Nachbarhaus Die Aufwarterin klart ihn uber die Nachbarn auf die er selbst nun intensiv beobachtet und uber die Gasse hinweg belauscht Die Liebe zwischen dem Schustergesellen und der Schustermeistertochter ist zum Scheitern verurteilt weil diese einen reichen Mann heiraten soll Schliesslich unterhalt sich der Erzahler mit einem der Nachbarn einem Schriftsteller uber die Unverstandlichkeit der deutschen im Gegensatz zur franzosischen Literatur Inhalt Bearbeiten nbsp Erstdruck der Novelle in Der Eremit in Deutschland 1826Das Motto der Novelle ist ein Ausspruch von Horaz Laetus sorte tua vives sapienter Sei zufrieden mit deinem Schicksal und du wirst weise leben Der Ich Erzahler muss sich kunftig mit einem kleinen Stubchen in einem entlegenen Teil der Stadt begnugen da sich zwei heiss ersehnte Erbschaften zerschlagen haben Er zieht sich aus dem Gesellschaftsleben zuruck und bemantelt seine Armut verschamt unter dem Vorwand einer melancholischen Laune Seine freien Stunden vertreibt er sich indem er mit dem Opernglas das Leben und Treiben im Nachbarhaus beobachtet und uber die Gasse hinweg belauscht Der Erzahler gesteht Ich komme mir oft vor wie der Ritter Toggenburg doch soll mich Gott bewahren dass ich daruber das Bischen Geist aufgebe wie der Toggenburger Im Erdgeschoss des Nachbarhauses wohnt der Hausbesitzer der Russenschuster der in Kriegszeiten durch Schuhlieferungen an die Russen reich wurde Er will seine Tochter die den Schustergesellen liebt mit einem reichen Mann verheiraten ein Schicksal mit dem sich der Geselle nolens volens abfindet In der Beletage lebt eine vornehm tuende Oberforstmeisterwitwe mit zwei Tochtern und einem ungeratenen Sohn Den zweiten Stock bewohnen der Schriftsteller Dr Salbe und der kleine Leutnant Munsterthurm der sich gern aufblast vor allem angesichts der Kusine der Oberforstmeisterin Zwischen Dr Salbe und dem Erzahler entspinnt sich eine Diskussion uber die deutsche Literatur und Philosophie Bewunderungswurdig seien der volkstumliche und allgemeinverstandliche Schreibstil der Franzosen wahrend die Deutschen sich in Unverstandlichkeit und Mystifikation gefielen Das Volk werde dadurch vor Aufklarung bewahrt und musse sich mit unschadlicher Unterhaltungsliteratur begnugen Entstehung BearbeitenFensterschau Bearbeiten Im Theater dient der Blick uber die Mauer die Mauerschau zur Darstellung von Ereignissen die sich jenseits der Buhne abspielen Neben dem Motiv des Fensterausblicks findet sich in der Prosa der Neuzeit die Fensterschau der gewohnheitsmassige Blick eines beobachtenden Erzahlers aus dem Fenster 3 Den ausseren Rahmen zu seiner Novelle verdankte Hauff offenbar einer solchen Fensterschau E T A Hoffmanns Erzahlung Des Vetters Eckfenster von 1822 Wahrend jedoch Hoffmanns Vetter durch Krankheit unfreiwillig ans Zimmer gefesselt ist wahlt Hauffs Ich Erzahler aus freien Stucken seinen Beobachterposten am Fenster seiner Stube Hoffmann diktierte seine Fenstergeschichte als gelahmter Mann zwei Monate vor seinem Tod wahrend Hauff seine beschwingte Plauderei mit jugendlichem Elan zu Papier brachte Im ersten Kapitel der Novelle gesteht der Erzahler Ich komme mir oft vor wie der Ritter Toggenburg und schliesst mit der letzten Strophe von Schillers Ritter Toggenburg von 1797 einer Ballade die eine Art umgekehrter Fensterschau zum Thema hat Ein hoffnungslos liebender Ritter baut eine Einsiedlerhutte bei dem Kloster in das seine Geliebte eingetreten ist und beobachtet sie wenn sie aus dem Fenster schaut bis ihn nach vielen Jahren der Tod ereilt Hauffs Zimmer Bearbeiten nbsp Portal vom Haus des Russenschusters Von Oktober 1824 bis April 1826 war Hauff in Stuttgart bei dem Kriegsratsprasidenten Ernst von Hugel als Hofmeister angestellt Er wohnte in einem Zimmer siehe Titelbild an der Ruckseite des alten Kriegsministeriums am Charlottenplatz gegenuber der Restauration zur Kiste Vom Stubenfenster aus konnte er das Leben und Treiben vor der Gaststatte in der belebten Kanalstrasse beobachten Hauffs Ich Erzahler beobachtet vom Fenster seiner Stuttgarter Mietwohnung aus das rege Treiben im Nachbarhaus Der Palast wie Hauffs Aufwarterin das Haus in der Weinstrasse nennt gehorte dem Russenschuster Rupfer der als Kriegsgewinnler wahrend der Russenzeit durch eintragliche Schuhlieferungen an die Russen zu Geld gekommen war Nach einer anderen Quelle soll Hauff nicht das Haus des Russenschusters als Vorbild gedient haben sondern das Haus des Backers Rupfer in der Buchsenstrasse 4 Im Stadtischen Lapidarium Stuttgart kann man von dem 1764 erbauten Haus des Russenschusters noch ein Portal besichtigen das uber dem Stichbogen eine Kartusche mit einem Stiefel dem Zunftzeichen der Schuhmacher tragt Zitate BearbeitenDie Erfindung einer Kaffeemaschine erregte den Unmut der Aufwarterin die bisher fur Dr Salbe den Kaffee zubereitete 5 Ich habe ihm fruher auch den Kaffee gebracht aber er macht ihn jetzt selbst der Hungerleider in der Maschine mit Spiritus Wenn er sich die Finger recht verbrennte mit dem Weingeist was hat er notig mit der Maschine Kaffee zu machen Aber freilich jetzt soll alles mit Maschinen gehen und mit Dampf Sie gonnen einer armen Frau nicht einen Groschen mehr den sie ehrlich erworben Auch zu Hauffs Zeiten war der Kampf um die gute Figur in Mode Ein Besucher beklagte sich beim Erzahler 6 O Schrecken ich bin seit einem Vierteljahr um zwei Daumenbreit starker geworden Ich war ausser mir ich wutete ich war nahe daran Hand an mich selbst zu legen Ich entdeckte mich dem jungen Baron F Sie kennen seinen herrlichen Wuchs er trostete mich er gab mir Mittel Zuerst musste ich Rhabarbertinktur nehmen dass ich beinahe tot war Dann durfte ich acht Tage lang nichts geniessen als eine Tasse voll Gerstenschleim einige Austern und ein Glas Madeira Alle Morgen nach acht Uhr muss ich ein Glas Krauteressig trinken und darauf Spazierengehen Es ist heute der funfte Tag es ist wahr es hilft ich bin schon um einen Daumen eingegangen aber meine Krafte schwinden ich bin so schwach dass ich heute abend nicht werde tanzen konnen Der Erzahler misstraute der bosen Zunge der Aufwarterin die dem Schustergesellen und der Meisterstochter ein unchristliches Verhaltniss andichtete und sang ein Loblied auf die unschuldige Liebe 7 Es ist etwas Heiliges Holdes um die Unbefangenheit der ersten Liebe und sollte sie sich bei einem Schustergesellen und seines Meisters Tochter oder in dem Boudoir einer jungen Furstin zeigen es ist der herrliche Schmelz den die Unschuld aushaucht keine Kunst ersetzt ihn wieder wenn du ihn abstreifst Oder kann der Maler dem Schmetterling die Flugel wieder malen wenn eine rauhe Hand ihn betastet und den Blutenstaub verwischt hat womit die Natur seinen bunten Mantel uberkleidete Ist nicht die sanfte Rote auf den Wangen eines schonen Kindes ein solcher Blutenstaub Ausgaben BearbeitenWilhelm Hauff Freie Stunden am Fenster In Der Eremit in Deutschland eine Schrift uber Sitten und Gebrauche des 19 Jahrhunderts in Monatsheften Band 1 1826 Seite 287 306 Wilhelm Hauff Freie Stunden am Fenster In Phantasien und Skizzen Stuttgart Franckh 1828 Seite 87 152 pdf Literatur BearbeitenPatrick Bridgewater Rotpeters Ahnherren oder Der gelehrte Affe in der deutschen Dichtung In Deutsche Vierteljahrsschrift fur Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 1 September 1982 Band 56 Heft 3 Seite 447 462 hier 455 456 J A Schmoll genannt Eisenwerth Fensterbilder Motivketten in der europaischen Malerei In Ludwig Grote Redaktion Beitrage zur Motivkunde des 19 Jahrhunderts Munchen Prestel Verlag 1970 Seite 152 153 Julius Hartmann Chronik der Stadt Stuttgart Sechshundert Jahre nach der ersten denkwurdigen Nennung der Stadt 1286 Stuttgart Greiner amp Pfeiffer 1886 Seite 194 Stefan Neuhaus Das Spiel mit dem Leser Wilhelm Hauff Werk und Wirkung Gottingen Vandenhoeck und Ruprecht 2002 Seite 40 43 Rolf Selbmann Eine Kulturgeschichte des Fensters von der Antike bis zur Moderne Berlin Reimer 2010 Seite 128 130 Weblinks BearbeitenFreie Stunden am Fenster in der Bibliotheca Augustana Freie Stunden am Fenster im Projekt Gutenberg DE Fussnoten Bearbeiten Hauff 1826 Hauff 1828 Eisenwerth 1970 Hartmann 1886 Hauff 1828 Seite 98 Kapitel 2 Hauff 1828 Seite 116 Kapitel 4 Hauff 1828 Seite 128 129 Kapitel 6 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Freie Stunden am Fenster amp oldid 213992683