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Ein Mann im Haus 1991 ist der kurze Debutroman der Lyrikerin Ulla Hahn Er spielt wie auch ihre spateren Romane Das verborgene Wort 2001 und Aufbruch 2009 in einer rheinlandischen Kleinstadt nahe bei Koln Auf Grund seines delikaten Themas frustrierte Frau vergewaltigt ihren feigen Geliebten und auf Grund der Bekanntheit der Autorin Ulla Hahn verheiratet mit dem SPD Politiker Klaus von Dohnanyi war kurz zuvor von Marcel Reich Ranicki als eine der besten zeitgenossischen Lyrikerinnen bezeichnet worden wurde Ein Mann im Haus bei seinem Erscheinen in der Fachliteratur sehr kontrovers diskutiert und selbst in der Boulevardpresse kommentiert Ulla Hahn 2009Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Form 3 Rezeption 4 Veroffentlichungen 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie geschiedene Goldschmiedin Maria Wartmann lebt in einer katholischen Kleinstadt im Rheinland und hat seit Jahren ein heimliches Verhaltnis mit Hans Egon Hansegon dem ortlichen Kuster und Chorleiter der mit der wohlhabenden Erbin der Wurstfabrik verheiratet ist und trotz anders lautender Versprechungen keine Scheidung riskieren will Als Hansegon eines Tages zur Adventszeit sogar ankundigt mal wieder mit seiner Frau verreisen zu wollen wird Maria aktiv Sie lockt den Geliebten zu einem gediegenen Abschiedsdinner in ihr Heim mischt ihm Schlaftabletten in den Champagner verfrachtet ihn in ihr Bett knebelt das ahnungslose Opfer und bindet es mit goldenen Fesseln die sie zuvor eigens dafur geschmiedet hat an die Bettpfosten Acht Tage lang vom 1 bis zum 2 Advent also gerade so lange bis die Wonnen der Wiederholung 1 einsetzen wird der Kuster nun zum Objekt ihrer Rache und Begierde Durch ein kleines Loch in seinem Knebel flosst sie ihm purierte Leckereien ein kitzelt sein Kunstlerohr mit Kirchenchoralen und klassischer Musik liest ihm aus Goethes Fabel und Versepos Reineke Fuchs vor vor allem aber verwohnt und reizt ihn mit all den Sexspielchen die die beiden auch bisher schon in verschiedenen Hotelzimmern praktiziert hatten nur dass jetzt nicht mehr er sondern sie es ist die den Ton angibt Sie genoss ihre Macht genoss es Kustermann kussend zu unterwerfen Es war suss auf der Seite der Tater zu sein 2 Nicht ohne Sadismus fuhrt sie ihm all die kleinen Demutigungen vor Augen die sie unter ihm zu ertragen hatte Sie stopft die entsprechenden Erinnerungsstucke in seine zu diesem Zweck von ihr angefertigte Totenmaske die sie so neben dem Bett aufgestellt hat dass er seinen Blick nicht davon abwenden kann Unterdessen brodelt unter den Damen des Stadtchens die Geruchtekuche Wo blieb ihr Chorleiter War Herr Egon ohne seine Frau verreist Vielleicht durchgebrannt Hatte man ihn gar ermordet Etwas seltsam sei er ja schon immer gewesen Am wenigsten besorgt gibt sich ausgerechnet seine eigene Frau die Egon war die Heiterkeit selbst 3 Auch sie scheint ihre neue Freiheit durchaus zu geniessen Nachdem der Kuster unter Marias Tortur allmahlich sichtlich magerer und lethargischer geworden und der Mullsack in seiner Totenmaske mit peinlichen Erinnerungen randvoll gemastet ist beschliesst seine Peinigerin befriedigt ihr mittlerweile vollig willenlos gewordenes Opfer von seinen Fesseln zu befreien es ans Ufer des Rheins zu fahren und dort auszusetzen wie ein lastiges Haustier Montag morgen meldete die Zeitung der Kuster sei verwahrlost unterkuhlt durchnasst nahe bei Koln aufgegriffen worden Trotz seines geschwachten Zustandes habe er sich mit letzter Kraft zur Wehr gesetzt als man das Pflaster von seinem Mund entfernen wollte Schliesslich sei dies seiner eilends herangeschafften Frau mit einem Ruck gelungen wobei der Mann so das Blatt in ein schmerzhaftes Wiehern ausgebrochen sei Seither schweige er 4 Form BearbeitenDer als Roman deklarierte Text ist seiner Form nach streng genommen eine Novelle Dazu gehort auch die fur diese Gattung typische Verwendung von Dingsymbolen wie beispielsweise die Gardenie die als Blume der Romantik hier eine fast gegenteilige Funktion ubernimmt und an entscheidenden Stellen immer wieder auftaucht Das wichtigste den Roman wie einen roten Faden durchziehende Dingsymbol aber ist die Totenmaske die Maria von Hansegon anfertigt und neben ihm aufstellt Wahrend sie seinen Mundknebel nur mit einem dunnen Speiserohrchen versieht hohlt sie in die Maske ein riesiges Maul durch das sie im Laufe des einwochigen Martyriums alle jene Erinnerungsstucke wirft die an die Heucheleien ihrer gemeinsamen Zeit gemahnen sollen Auf diese Weise zwingt Maria ihren Kuster gleichsam in effigie all die Vorwurfe zu schlucken die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben und die sie nun in diese Larve hineinstopft Nachdem die Maske ihre Schuldigkeit getan hat wird sie von Maria mit einer Krawatte erwurgt lebt jedoch als eintragliches Weihnachtsgeschaft weiter Marias Renner zum Fest waren gehammerte Masken mit weit geoffneten Mundern aus Silber aus Gold Sie hingen unterm Tannenbaum an vielen Frauenhalsen selbst Manner verschmahten sie nicht so die letzten Satze des Romans Wie ebenfalls fur eine Novelle charakteristisch begnugt sich der Text mit nur wenigen sehr knappen Ruckblenden und erzahlt vorwiegend von einem einzigen unerhorten Ereignis 5 Er lebt von der provozierenden Idee das aus der Liebesliteratur bekannte konventionelle Verhaltnis von Mann und Frau radikal auf den Kopf zu stellen und spielt sein Thema mit allen seinen oft bewusst Ekel erregenden Nuancen konsequent durch Obszones wird ironisch verpackt Maria redet mit ihrem Hansegon wie mit einem bockigen Kind 6 und schlupft selbst teils in die Rolle einer Domina teils in die einer Krankenschwester sodass Kinderreim und Fakalsprache kombiniert auftreten Ulla Hahns Beschreibungen wimmeln von literarischen Anspielungen schwelgen in genusslichen Ubertreibungen und kontrastieren muhelos poetische Akrobatik und sarkastische Realitat Der Stil der Autorin ist deutlich von ihren bereits fruher komponierten ahnlich kompromisslosen Gedichten gepragt 7 Struktur und Erzahlweise aber sind letztlich ebenso konventionell wie ihre Hauptfigur bieder Maria ist nicht etwa eine politisch ambitionierte Emanze Feministin oder gar Rachegottin sondern bleibt der verschmahte Single der gern Ehefrau ware Getreu dem von Friedrich Nietzsche geborgten Motto des Romans Wovon man nicht laut spricht das ist nicht da gerat Marias Rache zum blossen Sprachspiel zum epischen Experiment Und das geht entsprechend harmlos aus obwohl es sich permanent sehr waghalsig gibt Zwar verliert das Schlafzimmer in dem mehr als zwei Drittel des Romans spielen schon sehr bald den Charakter einer Idylle und wird vom duftenden Liebesabenteuerspielplatz zur buchstablich unangenehm stinkenden Holle Und was zunachst erotisch und stellenweise pornographisch scheint wird mit ebendiesen Mitteln allerdings zum Kalkul erstarrt und mit akribischer Kalte eingesetzt zur obszonen Entlarvung des vermeintlich romantischen Miteinanders der Geschlechter Der Leser aber in seinen anfanglichen Erwartungen ahnlich dupiert wie die Romanfigur Hansegon selbst wird durch den amusierten Tenor der Novelle immer wieder eingeladen deren artifiziellen spielerischen Charakter zu durchschauen und das Ganze letztlich trotz zahlreicher Unappetitlichkeiten als harmlose Unterhaltung verdauen Rezeption BearbeitenDer Roman Ein Mann im Haus loste bei seinem Erscheinen einen regelrechten Medienrummel aus Die Fachkritik fand nur selten lobende Worte Vielen galt die Geschichte als misslungen und in sich widerspruchlich Andere wiederum lobten das Bizarre an der Erzahlung und waren gerade von deren Bruchen fasziniert da erst durch sie die thematischen Scheinheiligkeiten adaquat widergespiegelt wurden Als besondere Schwachstellen werden im Allgemeinen die Passagen des Romans angesehen in denen die Autorin die Schlafzimmerperspektive verlassen muss um das Echo der Aussenwelt miteinbeziehen zu konnen Dazu bediene sie sich wiederholt der Figur der naiven kleinen Barbel einer in ihren Teddy verliebten Nichte des Opfers die ihrer grossen Freundin Maria gleichsam teichoskopisch aber sprachlich wenig authentisch von den Reaktionen der sensationslusternen Kleinstadtdamen berichte Solche Kritik ubersieht allerdings dass die Autorin dieses Paar Barbel und ihren Teddy nicht nur als erzahltechnischen Notbehelf benotigt sondern damit ganz offensichtlich zwei positive Analogie und Kontrastfiguren zu den beiden negativen Protagonisten Maria und Hans schaffen will So erkennt denn auch Maria in Barbel und deren verstandnisloser Mutter ihre eigene Kindheit wieder eine Spiegelung des unschuldigen Madchens das sie selbst einmal war und das ebenfalls unter seiner Mutter litt Und das ramponierte Pluschtier sein Fell schmuddelig die Schnauze blankgerieben von den zahlreichen Liebkosungen 8 hat zweifellos symboltrachtige Ahnlichkeit mit Hans Egon der am Schluss als ungefuge Gliederpuppe beschrieben wird als warmer Balg gestopft mit schlaffem Fleisch 9 Veroffentlichungen BearbeitenEin Mann im Haus Roman DVA Stuttgart 1991 ISBN 3 421 06603 5 Erstausgabe als TaschenbuchEin Mann im Haus Roman dtv 12745 Munchen 2000 ISBN 3 423 12745 7 Zuvor dtv 11895 Munchen 1994 ISBN 3 423 11895 4 Einzelnachweise Bearbeiten Ein Mann im Haus dtv Ausgabe s o Seite 141 Ein Mann im Haus dtv Ausgabe s o Seite 72 Ein Mann im Haus dtv Ausgabe s o Seite 134 Ein Mann im Haus dtv Ausgabe s o Seite 148 Eine Formulierung die im Zentrum der goethischen Novellendefinition steht Ein Mann im Haus dtv Ausgabe s o Seite 10 Man vergleiche hierzu vor allem diejenigen Gedichte die Ulla Hahn in ihrer ersten Lyrik Anthologie Herz uber Kopf 1981 veroffentlichte Ein Mann im Haus dtv Ausgabe s o Seite 64 Ein Mann im Haus dtv Ausgabe s o Seite 144 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ein Mann im Haus amp oldid 175080830