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Die Stadt hinter dem Strom ist ein 1947 in Berlin erschienener Roman des Schriftstellers Hermann Kasack Das existentialistische Werk steht in der Tradition von Kubins Roman Die andere Seite und gehort zu den bedeutenden Romanen der deutschen Nachkriegsliteratur Der Autor erhielt 1949 fur dieses Werk den Fontane Preis Hans Vogt komponierte nach dem Werk eine Oper in 3 Akten welche am 3 Mai 1955 in Wiesbaden uraufgefuhrt wurde Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Entstehung und Kritik 3 Ausgaben 3 1 Ubersetzungen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHandlung BearbeitenHauptfigur des Romans ist der Orientalist Dr Robert Lindhoff der mit dem Zug in eine ihm noch unbekannte Stadt reist da er einen Brief der dortigen Prafektur erhalten hat die ihm eine besondere Stellung innerhalb der Verwaltung anbietet Eine Brucke spannt sich uber den breiten Grenzfluss kurz vor der Endstation Hier fahrt er mit einer Strassenbahn bis zur letzten Haltestelle Niemand erwartet ihn An einem Platz fullen Madchen und Frauen ihre Kannen an einem Brunnen eine von ihnen bedeutet ihm ihr zu folgen Sie erinnert ihn vage an seine Geliebte Anna Mertens und er begleitet sie zu einer Nische in einem Kellergewolbe in der er seinen Koffer abstellt In den Raumen daneben haben sich viele Menschen zu einem Essen versammelt Unvermittelt trifft er seinen Vater den er tot geglaubt hatte Der Justizrat begrusst ihn freudig und teilt ihm mit dass er den Scheidungsprozess Mertens gegen Mertens bearbeite der hier in zweiter Instanz verhandelt werde Als die schrille Glocke eines Weckers ertont wird Robert im Gedrange der Aufbrechenden von seinem Vater getrennt und versucht sich in dem Labyrinth zurechtzufinden Schliesslich gelangt er zur Prafektur und erfahrt von dem Hohen Kommissar dass ihn hier das Amt eines Archivars und Chronisten erwarte um die Gebrauche und Eigentumlichkeiten der Stadt und das Schicksal ihrer Bewohner aufzuzeichnen Ihm wird ein Ausweis ausgehandigt der ihm uberallhin Zutritt gestattet sowie ein Quartier Essens und Kaufschein Dienstraume befanden sich im Alttor Auf seinem Weg zu dem Gasthof der ihm empfohlen wurde fallt ihm der marode Zustand der Stadt auf Es gibt nur wenige intakte Gebaude die Wande haben Risse leere Fassaden und nackte Aussenmauern mit kahlen Fensterreihen wie nach einem Bombenangriff ragen in die Hohe die Strassen sind vernachlassigt Es scheint als ware ein Krieg oder eine Naturkatastrophe uber die Gegend hereingebrochen Eine Frau schrubbt mit Hingabe die Bretter die an Stelle der Fenster eingesetzt waren als ob es sich um Glasscheiben handelte Es ist eine sinnlose Tatigkeit ohne erkennbaren Nutzen Im Gasthof bekommt er ein Zimmer zugewiesen und lasst wahrend des Essens das aus Suppe und verschiedenen Salaten und Gemusen besteht eine langwierige Zeremonie uber sich ergehen Er ist der einzige Gast In einem der unterirdischen Gange trifft er unvermutet seinen Jugendfreund den Maler Walter Katell Sie begrussen sich herzlich und Katell erzahlt dass er den Auftrag hat einige alte Fresken instand zu setzen Als der Maler jedoch erfahrt dass Robert als Archivar eingestellt ist wird die Beziehung merklich distanzierter Die beiden beobachten beim Weitergehen Frauen die imaginares Hab und Gut begutachten und die eingebildeten Besitztumer in nicht vorhandene Truhen und Schranke einordnen bis wiederum ein Weckersignal ertont und sie sich zerstreuen Katell der die ratselhafte Szene in seinem Skizzenbuch festgehalten hat sagt dass die Trainingsstunde zu Ende sei Am nachsten Tag begibt sich Robert zu seiner neuen Arbeitsstelle im Alttor und wird von Perking einem der Beamten des Archivs empfangen Dieser unterrichtet ihn uber den Zweck des Archivs namlich Schriftstucke aus allen Zeiten und Kulturen zu sammeln zu uberprufen und uber Wert und Unwert zu entscheiden Das Urteil sprache sich selbst so wurden Schriften die nicht genugend Geist oder zu viel Privates und Subjektives enthielten automatisch aussortiert Im Alttor befindet sich auch ein Arbeits und Schlafraum fur Robert mit einem geheimen Zugang zu einem der Katakombenwege der uber eine Fallture erreichbar ist Fur die Chronik erhalt er einen dicken Leerband Aus dem Fenster blickend gewahrt er einen Zug mit Kindern gesaumt von vielen Zuschauern wobei ihm einfallt dass er in der Stadt nirgends Kinder gesehen hat Als er Anna vor dem Tor entdeckt eilt er auf sie zu und geht mit ihr zum Brunnenplatz Seit ihrer Fahrt ins Gebirge hatte er nichts mehr von ihr gehort Erstaunt entdeckt er dass ihr Schatten eine Spur heller ist als seiner Anna wird daraufhin kurz ohnmachtig Als er ihren Puls fuhlen will bemerkt er einen dicken Verband an ihrem Handgelenk Wieder erholt zieht sie Schuhe und Strumpfe aus und taucht ihre Fusse ins kuhle Brunnenwasser Sie verabreden sich fur spater wobei Robert ihre Sachen bis dahin verwahren soll Er betritt einen Dom in dem Ritter Fursten und Heilige unbeweglich auf Podesten stehen Nach einem Signal lost sich die Starre der Abbilder und sie verlassen das Kultgebaude es stellt sich heraus dass Bewohner der Stadt die Figuren in einer Ubungsstunde dargestellt hatten Annas Schuhe und Strumpfe bleiben auf einem Sockel zuruck wo Robert sie hingelegt hat Tags darauf richtet er sich im Archiv ein ein junger Bucherpage hat sein Essen aus dem Gasthof geholt Am Brunnenplatz trifft er Anna Sie darf von einem Gemeinschaftsquartier in die Erbvilla ihrer Eltern ubersiedeln Robert begleitet sie dorthin und wird ihren Eltern vorgestellt Anna bezieht ihr Zimmer und spricht mit Robert uber ihr Kennenlernen und ihre jeweiligen Ehepartner Als Anna mit einem perforierten Blinddarm in ein Krankenhaus eingeliefert wurde operierte sie ein Arzt erfolgreich und heiratete seinen Fall praktisch vom Krankenbett weg Robert war damals oft Gast beim Ehepaar Mertens er verliebte sich in Anna und sie sich in ihn Unvermittelt erscheint Roberts Vater in Annas Zimmer um den Scheidungsprozess wieder aufzurollen doch erfahrt er dass sein Sohn und Anna ein Liebespaar waren wenn auch nur platonisch Seine Rolle ist damit zu Ende die Aufenthaltsberechtigung wird ihm entzogen Im Gasthof befehligt ein neuer Patron der alte wurde abgeholt Robert ubersiedelt nun ganz ins Archiv Dort sucht er den Siegelbewahrer Meister Magus im tiefsten der unterirdischen Stockwerke auf Dieser befindet sich am langsten hier ihm sind die geheimen Protokolle anvertraut Der Archivar bekommt erste Einblicke in die Arbeit des Archivs und insbesondere in die Bewahrungsdauer der Schriftstucke Er betreibt vorerst private Studien zu seinem ehemaligen Wissensgebiet indem er sich in alte Uberlieferungen Riten und Legenden vertieft Der junge Bucherpage Leonhard erinnert ihn von ferne an einen Mitschuler der im Alter von 17 Jahren im Meer ertrunken war Das anfangs steife Verhaltnis lockert sich allmahlich und der junge Mann steht immer mehr zu seiner Verfugung Bei einem seiner Erkundungsgange gelangt er in noch unbekannte Bezirke wo die Zerstorung grossere Ausmasse erreicht hat Er gerat auf einen Platz mit Magazinen Kaufhallen und Handlern die gebrauchte Kleidung und Dinge des taglichen Bedarfs feilbieten Robert erwirbt einen Spitzenschal fur Anna und einen Wanderstock fur sich gegen einen Abschnitt seiner amtlichen Kaufkarte Er beobachtet einen regen Tauschhandel bei dem eine Jacke gegen Stiefel den Besitzer wechselt neue Tauschangebote werden gemacht und Robert wird schliesslich zum Schiedsrichter bestellt Schal und Stock werden ihm dabei entrissen und am Ende befindet sich jeder wieder im Besitz seines alten Stuckes Robert sieht sich um seine Kaufe geprellt Er trifft Anna die er lange nicht mehr gesehen hat in der Erbsiedlung und sie teilt ihm mit dass der Reiseverkehr in letzter Zeit zugenommen hat Am Heimweg entdeckt er in dem Katakombengang den Zugang zu der Fallture und die Strickleiter die zu seinen Raumen fuhrt Er weist Leonhard an stets zwei Gedecke und eine zweite Kanne Wein bereitzustellen Mit Katell besucht er eine Fabrik zur Produktion von Kunststeinen Sie werden durch die Werkhallen gefuhrt und beobachten das Herstellungsverfahren wobei der angelieferte Staub zu Brei erhitzt und die Masse in ein Drahtgeflecht gegossen wird So werden unzahlige Steinwurfel hergestellt deren Verwendungszweck Robert nicht klar ist Die beiden besichtigen anschliessend die Gegenfabrik in welcher Steine zu Staub zermahlen werden das Material fur die Zerkleinerung erhalt die Fabrik von der erganzenden Halfte ein Sinnbild fur die Vergeblichkeit allen Tuns und den Erhalt der Materie die Fronarbeit der Menschheit wird damit versinnbildlicht Als er zuruck ins Archiv mochte gerat er in eine alte Sackgasse wo er sich selbst in vielfacher Variation und Verkleinerung findet Wie in einem Spiegelgefangnis entstehen immer neue Figuren die das was er dachte vollziehen Schliesslich findet er verstort aus dem Labyrinth heraus wo ihn Katell erwartet und mit ihm in die Stadt zuruckgeht Zwar macht er sich einige Notizen uber seine Erlebnisse reisst jedoch die beschriebenen Seiten wieder aus dem Chronikband heraus Auf Anregung von Perking halt er Sprechstunden fur die Bevolkerung ab und hort sich geduldig personliche Anliegen oder Beschwerden an Ein Musiker der die Auffuhrung einer seiner Sinfonien anregt scheitert daran dass er keine Melodien und keinen Gesang mehr zuwege bringt in der Stadt gibt es offensichtlich keine Musik Die gesammelten Werke eines Schriftstellers zerfallen vor Roberts Augen zu Staub Bisweilen greift der Protagonist aktiv in das Stadtgeschehen ein so bei einer Versammlung von misshandelten und gefolterten Menschen die an Christenverfolgungen Hexenprozesse und Massenausrottung von Andersdenkenden Andersglaubigen und fremden Volkern erinnert vor allem aber an den Holocaust Schwarzgekleidete Gestalten rechtfertigen ihre Handlungen als Dienst der jeweils herrschenden Regierung im Namen einer Idee und des Glaubens an die Macht des Staats der Religion oder des Geldes Nachdem Robert eine Rede gehalten hat sacken die schwarzen Popanzen in sich zusammen Als Dank bekommt er eine Schriftenrolle mit Protokollen der Schrecksekunde die im Augenblick des Todes entstanden sind Rasende Kopfschmerzen plagen ihn und wie lange er schon hier ist weiss er nicht mehr Er hat jegliches Zeitgefuhl verloren Die Zahl der Ankommenden steigert sich seit einiger Zeit eine vorzeitige Raumung der Stadt wird erwartet Als er Anna wieder trifft fuhrt er sie uber die Fallture in seine Kammer Leonhard hatte alles fur ein intimes Zusammensein vorbereitet Wein Essen Kerzen Anna zeigt ihm den Schnitt in die Pulsader den sie sich bei ihrer Fluchtreise ins Gebirge aus innerem Schuldgefuhl und Verzweiflung uber ihre Lage beigebracht hat Nun endlich erfullen sie sich ihre Liebe Mitten in ihrer Umarmung schreckt Anna plotzlich hoch und erkennt voller Grauen dass er im Gegensatz zu ihr lebt und macht ihm damit klar dass er sich in der Stadt der Toten befindet Robert entdeckt dass sie durch ihre Wunde freiwillig aus dem Leben schied und uber den Strom kam der die Lebenden von den Toten trennt Sie fallt in einen schlafahnlichen Zustand woraus sie erst am Morgen ermattet erwacht Beim Fruhstuck bittet sie ihn drei Mal sie ins Leben mitzunehmen wenn er zuruckgeht Er verspricht sie nach Hause zu begleiten mochte jedoch vorher im Archiv nach dem Rechten sehen Anna wartet eine Zeitlang auf ihn doch er kommt ihr nicht nach Als sie schliesslich ins Erbhaus zuruckgeht wirft sie keinen Schatten mehr Die Villa ist von fremden Ankommlingen besetzt und ihr bleibt nur eine kleine Kammer Nunmehr im Besitz der Wahrheit erkennt Robert auch in Leonhard seinen ehemaligen Schulkameraden der 17 jahrig hierher kam und dass die Toten in diesem Zwischenreich verweilen wenn sie noch eine Funktion zu erfullen haben oder etwas zu Ende bringen wollen Robert war von einem jungen Soldaten aufgehalten worden der ihn bittet ihn zu den Tempelkasernen zu begleiten Hier gibt es Kriegsleute aller Zeiten und Dienstgrade die sich uber die letzten Schlacht unterhalten die sie miterlebt haben es werden lebende Gruppenbilder uber historischen Kampfe und einzelne Heldentaten aufgefuhrt Sie tragen Phantasieuniformen und nur Attrappen von Waffen es werden flammende Reden gehalten uber Pflicht Sieg oder Untergang Toten auf Befehl oder Frieden fur die Zukunft Die Soldaten wahnen sich in Gefangenschaft und mochten uber den Strom fliehen wozu sie Roberts Beistand erhoffen Er klart sie jedoch uber ihre tatsachliche Lage auf dass sie namlich gefallen seien und durch ihren gewaltsamen Tod um das Erlebnis des Sterbens betrogen wurden Daraufhin sturzen die Kasernen ein und die Zeichen der falschen Ehre des Ruhms Waffen und Uniformen gehen in einem gewaltigen Scheiterhaufen unter Allmahlich zeigt sich zu welchem Zweck das Archiv besteht Lebende Menschen wie Dichter und Schriftsteller kehren als Gaste in ihren Schopfungsstunden hier ein bedienen sich dieser Quellen und holen sich ihre Anregungen Obwohl der Band der Chronik immer noch leer ist raumt Perking den Schreibtisch auf und spricht den Archivar mit Meister Robert an Offensichtlich ist seine Zeit hier bald zu Ende Vom Grossen Don einem Herrn im grauen Zylinder wird er eingeladen einem Appell beizuwohnen bei dem viele Stadtbewohner gemustert und auf ihrem Weg weiter geschickt werden um Platz fur die zahlreichen Neuankommlinge zu schaffen Unzahlige Tote sind auf dem Platz vor der Prafektur versammelt Sie ziehen paarweise vorbei und verkorpern Gegensatze wie Trauer und Freude Recht und Unrecht Tater und Opfer Die beiden Halften sorgen damit fur einen Ausgleich in der Geisteswelt Bei dieser Musterung sind alle Geschlechter Berufe und Altersklassen vertreten Scharen von Menschen drangen sich um Schilder mit den Kennworten Geniesser Marionetten Abenteurer Statisten Traumer und Spiesser In Kafigen mit Grammophontrichtern sitzen Staatstyrannen und Demagogen die sich ihre eigenen Reden und Lugen unaufhorlich anhoren mussen mit denen sie fruher ihr Volk aufgehetzt und verfuhrt haben Gelegentlich wird ein Paar von dem Herrn im grauen Zylinder fur eine gewisse Zeitspanne begnadigt dieser Freispruch betrifft auch Leonhard und seinen ehemaligen Lehrer der mitschuldig an seinem Tod war Er war hamisch herrschsuchtig und ungerecht gewesen Nach der paarweisen Aufstellung lost sich die Verknupfung wieder auf und jeder wird alleine weiter gewiesen Da Robert den Grossen Don bitten will Anna freizugeben richtet er das Wort an ihn und halt eine leidenschaftliche Rede uber sein Verhaltnis zu ihr Sein Gegenuber schweigt zu allem klatscht aber am Ende Beifall Der Archivar wird schliesslich von Leonhard durch einen unterirdischen Gang zu einer niedrigen Hutte gefuhrt Hier hat die Prafektur ein letztes Liebesmahl fur Robert und alle diejenigen bereitet welche er im Leben naher gekannt hat Tatsachlich trifft er seinen Vater Annas Eltern und Katell wieder auch viele Freunde und Freundinnen von fruher Anna ist jedoch nicht darunter Vor jedem Gast steht eine brennende Kerze verloscht diese verlasst er den Saal Als letzter geht der Maler Nun soll Robert alleine in die entlegensten Gefilde der Stadt gehen bis an die Grenze des Moglichen Im Dammerlicht und Nebel erkennt er einen breiten steinigen Weg durch einen Abgrund getrennt befindet sich parallel dazu ein schmaler Saumpfad fur die Wanderer aus der Stadt Es sind schwankende Gestalten Schemen ohne Gewand und erkennbare Gesichtszuge Roberts Steig wird immer enger wahrend der Pfad der Damonen breit geworden ist Der tiefe Abgrund ist zu einer flachen Gerollrinne geworden in der trubes Wasser fliesst Wo sein Weg in den Pfad der Geister mundet sitzt am Schnittpunkt eine weibliche Gestalt mit verschleiertem Gesicht Sie reicht ihm Brot und Salz wie man es Hochzeitsleuten ubergibt Als sie den Schleier zuruckschlagt erkennt er Anna Sie hockt auf einem Dreifuss wie eine der Sibyllen zu ihren Fussen entspringt die Quelle des Stroms Sie sitzt am Eingang zum Totenreich Drei Schwestern sind es eroffnet sie ihm Einst waren sie Hoffnung Liebe und Glaube jetzt Klage Sorge und Geduld Robert kusst ihre kalte Stirn und wandert zuruck Wieder im Archiv angekommen begibt er sich mit dem Band der Chronik unter dem Arm zur Prafektur wo der Hohe Kommissar ihn durchblattert und vorliest als stunde alles was Robert in der Stadt erlebt und erfahren hat auf den leeren Seiten Kein Gedanke Roberts sei verloren gegangen bemerkt der Kommissar anerkennend das Buch habe sich selbst geschrieben Wie bei seiner Ankunft spricht der Prafekt zu ihm uber einen Lautsprecher Robert ist erregt uber das Erlebte und erbost sich er fuhlt sich zum Narren gehalten und sieht sich in einer zwielichtigen Komodie gefangen Darauf ertont lautes Gelachter auch noch nachdem Robert den Lautsprecher zerstort In dieser heiteren Atmosphare erblickt er in der Ferne die dreiunddreissig Wachter welche die Weltenwaage betrachten es sind Weise und geistige Fuhrer mit wechselnden Gesichtern aus allen Jahrhunderten Auf den Waagschalen liegen schwarze und lichte Gebilde die Geist und Ungeist Yin und Yang verkorpern Zuweilen triumphiert die Finsternis uber das Licht dann erhalt die Helligkeit wieder Zustrom und Robert erkennt dass es nicht gleichgultig ist ob sich der einzelne zur einen oder anderen Seite zuneigt und jeder von uns in jedem Augenblick des Lebens seinen Beitrag an den Kosmos errichtet Er wird verabschiedet und bekommt den Chronikband mit auf die Ruckreise Am Bahnhof trifft er seine Mutter die eben angekommen ist Mit dem Zug fahrt er uber die Brucke in seine ehemalige Heimat doch kennt er sich nicht mehr aus Er trifft Menschen die anscheinend einen Krieg und andere Katastrophen erlebt haben Zu seiner Familie kehrt er nicht zuruck sondern bleibt im Zug wo er sich allmahlich mit stillschweigender Zulassung der Behorden in einem Guterwaggon einrichtet Er wird von Leuten versorgt und bekostigt die ihn aufsuchen und um Rat bitten Oft wird er nach dem Sinn des Lebens gefragt und liest aus seiner Chronik vor Einmal findet er in einem Gebirgstal Annas Grab Eines Tages wird die Station seiner Heimatstadt ausgerufen Vor seinem Waggon versammeln sich seine Frau die Kinder und Enkel Ein lahmender Schmerz in der Brust durchfahrt ihn und er stirbt Als der Zug mit ihm uber die Brucke fahrt reisst er die Buchseiten der Chronik heraus und wirft sie in den Strom An der Endstation ist ihm die Stadt merkwurdig vertraut obwohl er sich nicht erinnern kann jemals hier gewesen zu sein Hier schliesst sich der Kreis Entstehung und Kritik BearbeitenHermann Kasack beschreibt die Entstehung des Werkes als Folge einer Schreckensvision Ich sah die Flachen einer gespenstischen Ruinenstadt die sich ins Unendliche verlor und in der sich die Menschen wie Scharen von gefangenen Puppen bewegten Der Roman entstand in zwei Teilen zunachst wahrend des Zweiten Weltkrieges 1942 1944 sowie in den Nachkriegsjahren 1946 1947 Eine gekurzte Fassung erschien vor der Veroffentlichung in der Berliner Zeitung Der Tagesspiegel Der Roman wird als eines der wichtigsten Werke der inneren Emigration bezeichnet da sich Kasack anders als viele seiner Kollegen nicht zur Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland entschlossen hatte Nach seinem Erscheinen wurde der Roman begeistert aufgenommen und in den Folgejahren in mehrere Sprachen ubersetzt Man interpretierte die geisterhafte Stimmung der Stadt an der Schwelle zwischen Welt und Unterwelt als ein Gleichnis fur die Stimmung in Deutschland in den letzten Kriegsjahren Wie andere Nachkriegsschriftsteller beschaftigt sich Kasack mit der Hilflosigkeit des Individuums in Konfrontation mit Grenzsituationen Damit verbunden wird die Frage nach dem Wesen der eigenen Existenz The Times London Es ware denkbar dass kunftige Generationen Kasacks Buch mit dem gleichen Erstaunen und da sie eine tiefere Einsicht in heute noch unerforschte Gebiete haben mit der gleichen Bewunderung lesen werden die wir heute den Prophezeihungen in utopischen Werken fruherer Jahrhunderte entgegenbringen Gerhart Pohl Das Buch ist eine grossartige dichterische Version alles Werdens Daseins und Vergehens ein Meisterwerk des magischen Realismus In seinem 1982 veroffentlichten Essay Zwischen Geschichte und Naturgeschichte 1 aussert sich der Schriftsteller W G Sebald kritisch zu dem Werk Die Luftangriffe die die Zerstorung der Stadte verursachten erscheinen in doblineskem pseudoepischem Stil als transreale Gegebenheiten Zu den dann auftretenden grun uniformierten Gestalten vor zum Richter berufenen und den Autor vertretenden Archivar wo sie in sich zusammensacken vermerkt Sebald Dieser fast schon Syberbergschen Veranstaltung die den zweifelhaftesten Aspekten expressionistischer Phantasie sich verdankt wird im Schlussteil des Romans der Versuch einer Sinngebung des Sinnlosen aufgesetzt bei welcher Gelegenheit dann von einem ehrwurdigen Meister Magus die verwickelte Vorschule einer Vereinigung abendlandischer Philosophie und fernostlicher Lebensweisheit expliziert wird Und weiter Im weiteren Verlauf der Erklarungen des Magus wird das alter ego Kasacks zu der Einsicht gefuhrt dass der millionenfache Tod in dieser Masslosigkeit geschehen musste damit fur die andrangenden Wiedergeburten Platz geschaffen wurde Eine Unzahl von Menschen wurde vorzeitig abgerufen damit sie rechtzeitig als Saat als apokryphe Neugeburt in einem bisher verschlossenen Lebensraum auferstehen konnte Die Wort und Begriffswahl dieser Passagen wo von der Offnung der abgeschirmten Region des asiatischen Feldes vom europaischen Daseinsgut und einem bisher verschlossenen Lebensraum die Rede ist zeigt mit erschreckender Deutlichkeit wie sehr eine an den Stil der Zeit gebundene philosophische Spekulation gerade im Versuch der Synthese ihre besseren Intentionen versetzt Die von der inneren Emigration immer wieder vertretene These dass sich die echte Literatur unterm totalitaren Regime einer Geheimsprache bedient hatte erweist sich also auch in diesem Fall nur insofern als richtig als deren Code mit dem der faschistischen Diktion unfreiwilligerweise ubereinstimmte Die Vision einer neuen padagogischen Provinz die bei Kasack ahnlich wie bei Hermann Hesse oder Ernst Junger ausgebreitet wird verschlagt dagegen wenig ist doch auch sie nurmehr das Zerrbild des hochburgerlichen Ideals einer vor und uber dem Staat wirksamen Korporiertheit die in den ordinierten faschistischen Eliten ihre ausserste Korrumpierung und Perfektion erfuhr Wenn es also dem Archivar ausgangs seiner Geschichte erscheint als ob sich an der Stelle die der abgeschiedene Geist mit dem Finger gestreift hatte ein Zeichen bildete ein kleines fleckiges Mal eine letzte Schicksalsrune so ist das eine kaum mehr zu unterbietende Synopsis der gegen die erzahlerische Intention sich entwickelnden Tendenz des Kasackschen Werks das die Trummer der Zeit nochmals begrabt unter dem Gerumpel einer gleichfalls ruinierten Kultur Ausgaben BearbeitenBerlin 1946 gekurzte Vorabveroffentlichung im Tagesspiegel Berlin 1947 Erstausgabe des Suhrkamp Verlags Frankfurt am Main 1960 Suhrkamp vom Verfasser durchgesehene Fassung 1956 Munchen Zurich 1964 Knaur Taschenbuch Frankfurt am Main 1979 Suhrkamp Band 296 der Bibliothek Suhrkamp ISBN 3 518 01296 7 Frankfurt am Main 1983 Suhrkamp Weisse Reihe Leipzig 1989 DDR Reclamheft Ubersetzungen Bearbeiten Staden bortom floden Stockholm 1950 La ville au dela du fleuve Paris 1951 La citta oltre il fiume Milano 1952 Kaupunki virran takana Helsinki 1952 The city beyond the river London New York Toronto 1953 Byen og elven Oslo 1954 La ciudad detras del rio Ubersetzt von Alberto Luis Bixio Ed Guillermo Kraft Buenos Aires 1955 Gorod za rekoj Moskau 1992 Ferner existieren eine chinesische und eine japanische Ausgabe Literatur BearbeitenDies ist eine Auswahl eine vollstandige Liste findet sich bei der Stadt und Landesbibliothek Potsdam siehe unten im Abschnitt Weblinks Hermann Kasack Die Stadt hinter dem Strom Eine Selbstkritik In Die Welt Hamburg Nr 142 29 November 1947 S 2 Wolfgang Kasack Hermann Kasack Die Stadt hinter dem Strom in der Kritik Eine Bibliographie der wichtigsten Aufsatze und Besprechungen Zusammengestellt fur die Wurttembergische Landesbibliothek Stuttgart Stuttgart 1952 Lothar Fietz Strukturelemente der hermetischen Romane Thomas Manns Hermann Hesses Hermann Brochs und Hermann Kasacks In Deutsche Vierteljahresschrift fur Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 40 1966 S 161 183 Ehrhard Bahr Metaphysische Zeitdiagnose Hermann Kasack Elisabeth Langgasser und Thomas Mann In Gegenwartsliteratur und Drittes Reich Hrsg von H Wagner Stuttgart 1977 S 133 162 Gene O Stimpson Zwischen Mystik und Naturwissenschaften Hermann Kasacks Die Stadt hinter dem Strom im Lichte des neuen Paradigmas Europaische Hochschulschriften Reihe 1 1503 Frankfurt am Main 1995 Mathias Bertram Literarische Epochendiagnosen der Nachkriegszeit In Deutsche Erinnerung Berliner Beitrage zur Prosa der Nachkriegsjahre 1945 1960 Herausgegeben von Ursula Heukenkamp Berlin 2000 S 11 100 Weblinks BearbeitenBibliographie Die Stadt hinter dem Strom Stadt und Landesbibliothek Potsdam Hermann Kasack Die Stadt hinter dem Strom Essay auf www Signaturen Magazin deEinzelnachweise Bearbeiten W G Sebald Zwischen Geschichte und Naturgeschichte Campo Santo Munchen Wien 2003 S 72ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Stadt hinter dem Strom amp oldid 236047337