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Die kulturelle Sexualmoral und die moderne Nervositat ist ein 1908 veroffentlichter Artikel von Sigmund Freud Er erschien erstmals in der Zeitschrift Sexual Probleme Bd 4 3 1908 d S 107 129 1 Mit Bezug auf Christian von Ehrenfels Unterscheidung zwischen kultureller und naturlicher Sexualmoral erlautert Freud die atiologische Bedeutung der kulturellen Sexualmoral fur die Neurose Bereits zu Beginn halt Freud fest dass die kulturelle Sexualmoral dem Individuum Einschrankungen auferlegen kann die zu Schaden fuhren die wiederum die Kultur insgesamt bedrohen Wahrend v Ehrenfels dabei vor allem auf sozialdarwinistischem Grund mit einem Verhindern der virilen Auslese bei der Fortpflanzung argumentiert geht Freud naher auf die Folgen gesellschaftlich auferlegter Unterdruckung des Sexualtriebes fur die Neurose ein 2 Kultur baut auf Triebverzicht auf Es besteht daher eine Spannung zwischen der Konstitution d h dem Begehren und den Anforderungen der Kultur auf die Erfullung der Triebe zu verzichten Wer diesen Anforderungen nicht genugen kann steht innerhalb der Gesellschaft entweder als Verbrecher und Perverser da namlich wenn man sich dem Triebverzicht nicht beugt oder fluchtet sich in die Neurose wenn die Triebe so weit unterdruckt werden dass eine neurotische Ersatzbefriedigung entwickelt wird Die Neurose ist damit das negative Pendant zur Perversion weil sie dieselben Neigungen wie die positiv Perversen im verdrangten Zustand enthalten S 120 3 Die perversen Anteile des Sexualtriebes werden hervorgerufen durch eine Storung in der Entwicklung erklart Freud War ursprunglich der Sexualtrieb allein zur Lustgewinnung da und nicht nur auf die Genitalien sondern auch auf andere erogene Zonen bezogen so wird durch Erziehung der Autoerotismus abgewendet bis es zur Objektliebe und schliesslich zum Primat der in den Dienst der Fortpflanzung gestellten Genitalien S 118 kommt Damit ist Freud einer der ersten der Sexualitat keinen internen Konflikt zuschreibt sondern erlautert dass es erst durch die Interaktion mit der Aussenwelt mit gesellschaftlichen Normen zu Spannungen kommt und dass die gesellschaftliche Repression der Triebe zu Krankheit fuhrt Repressionsthese Die unterdruckten perversen Triebe werden im Idealfall durch Sublimierung kanalisiert und nutzbar gemacht fur die Kulturarbeit Der Sexualtrieb ist beim Menschen aperiodisch 4 und von der Fortpflanzung losgelost Daher kann er metonymisch verschoben und auf andere Bereiche angewendet werden Kultur profitiert daher in hohem Masse und ist sogar abhangig von der sexuellen Energie die durch Sublimierung umgeleitet wird Ein volliger Triebverzicht ist daher schadlich fur die Kultur konstatiert Freud Abstinenz bringt nur brave Schwachlinge 5 S 125 hervor aber keine grossen Denker mit kuhnen Ideen 6 Freud beschreibt damit das Dilemma der Kultur die gleichzeitig Triebverzicht fordert und aber trotzdem den Sexualtrieb zur Erhaltung ihrer selbst benotigt Das Repressionsmodell das die kulturelle Sexualmoral auferlegt musste daher zugunsten eines Sublimierungs Verschiebungs und Verteilungsmodells der sexuellen Energien aufgegeben werden Einzelnachweise Anmerkungen Bearbeiten Sigmund Freud Die kulturelle Sexualmoral und die moderne Nervositat in Gesammelte Werke Bd VII Frankfurt a M Fischer 1999 S 141 167 und in Das Unbehagen in der Kultur Frankfurt am Main Fischer 2009 S 109 132 Jedoch widerspricht Freud v Ehrenfels an dieser Stelle nicht und unterstutzt damit sein sozialdarwinistisches Modell An dieser Stelle geht Freud ein auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen Neurose und Perversion und schreibt die Neurose der Frau und die Perversion dem Mann zu Dies wird begrundet mit einem schwacheren Sexualtrieb der Frau S 121 Jedoch erklart Freud selbst dass die Frau einer strengeren Erziehung unterliegt als der Mann dass sie viel mehr Enthaltsamkeit leisten muss als der Mann Trotzdem deutet er den schwache Sexualtrieb der Frau als biologische Tatsache und nicht etwa als Folge einer Sozialisation Vgl dazu Das Unbehagen in der Kultur S 64 Zurucktreten der Geruchsreize und Tabu der Menstruation Diese Behauptung unterstreicht Freud durch allerlei Ausfuhrungen zur Homosexualitat und zur Masturbation die angeblich beide zu Impotenz in der Ehe fuhren Vgl S 128ff An dieser Stelle ergibt sich ein Konflikt mit dem Ziel psychotherapeutischer Therapie Eigentlich soll eine Perversion geheilt werden doch gleichzeitig ist dem Therapeuten auch bewusst dass die Perversion fruchtbar fur die Kultur ist Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die kulturelle Sexualmoral und die moderne Nervositat amp oldid 237745230