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Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten ist der Titel einer Studie in welcher der Psychoanalytiker Sigmund Freud 1905 die Funktionsweise und Bedeutung des Witzes untersuchte Freud prasentiert fruhere Untersuchungen um dann an konkreten Beispielen spezifische Merkmale des Witzes mit seiner Theorie der Psychodynamik zu verbinden Die Studie gilt als Schlusselwerk der Psychoanalyse und Witzforschung Titelseite der Originalausgabe von Sigmund Freuds Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten Franz Deuticke Leipzig und Wien 1 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Aufbau 2 1 Einleitung 2 2 Analytischer Teil Technik und Tendenz des Witzes 2 3 Synthetischer Teil 2 4 Theoretischer Teil 3 Argumentative Struktur 4 Empirische Uberprufung 5 Annie Hall 6 Weblinks 7 Einzelnachweise 8 PrimartextInhalt BearbeitenFreud fasst in einem Aufsatz von 1927 die zentrale Aussage seiner Witz Analyse wie folgt zusammen In meiner Schrift uber den Witz und seine Beziehung zum Unbewussten habe ich den Humor eigentlich nur vom okonomischen Gesichtspunkt behandelt Es lag mir daran die Quelle der Lust am Humor zu finden und ich meine ich habe gezeigt dass der humoristische Lustgewinn aus erspartem Gefuhlsaufwand hervorgeht Sigmund Freud Humor Gesammelte Werke Bd 14 ISBN 978 3 10 022715 7 S 383 89 Freud sah im Witz eine Technik des Unbewussten zur Einsparung von Konflikten und zum Lustgewinn der okonomische Gesichtspunkt Der Lustgewinn beruhe auf einer kurzzeitigen Lockerung von Verdrangungen Durch die Solidarisierung mit Gleichgesinnten wirke der Witz gegen Autoritaten gegen den Sinn oder auch gegen Andersdenkende Die Gultigkeit von Freuds Argumentation hangt stark von seinem Modell der Psyche ab Aufbau BearbeitenEinleitung Bearbeiten In der Einleitung referiert Freud die Ansatze die zu einer psychologischen oder philosophischen Analyse des Witzes schon bestehen insbesondere Arbeiten von Jean Paul und Theodor Lipps Diese Ansatze seien jedoch verstreute Glieder bilanziert Freud die er zu einem organisch Ganzen zusammengefugt sehen mochte 2 Dabei werde er sich aber auf dieselben Beispiele beziehen mit denen auch seine Vorganger gearbeitet haben Analytischer Teil Technik und Tendenz des Witzes Bearbeiten In diesem Kapitel untersucht Freud die Technik des Witzes und die Tendenzen des Witzes Dabei verzichtet er auf psychoanalytische Begrifflichkeit er inszeniert seinen Text als Erkenntnisprozess in den er die Lesenden hineinlockt 3 Zentrale technische Aspekte sind die Verdichtung etwa im Zusammenzug von Wortern wenn familiar und Millionar zu famillionar zusammengezogen wird die Verwendung von identischem Wort Material und dem Doppelsinn bei Wortspielen 4 Die Witzarbeit so Freud bediene sich in einer Abweichung vom normalen Denken der Verschiebung und des Widersinns 5 Diese Techniken entsprechen den von Freud beschriebenen Mechanismen der Traumarbeit Auch im Traum nimmt die Psyche Verschiebungen vor indem etwa ein Wunsch durch sein Gegenteil reprasentiert wird In einem weiteren Abschnitt untersucht Freud worauf sich der Witz richtet Er unterscheidet als Haupttendenzen die Lust und die Aggression Die Rolle des Witzes in Bezug auf diese Absichten beschreibt Freud wie folgt Er ermoglicht die Befriedigung eines Triebes eines lusternen und feindseligen gegen ein im Weg stehendes Hindernis er umgeht dieses Hindernis und schopft somit Lust aus einer durch das Hindernis unzuganglich gewordenen Lustquelle Sigmund Freud Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten Leipzig und Wien Franz Deuticke 1905 S 83 Das konkrete Hindernis konnte eine Hemmung sein sexuelle oder aggressive Triebe auszuleben Der Witz baut diese Hemmung kurzzeitig ab und wirkt deshalb lustvoll beziehungsweise lustig Welcher Anteil seiner Kraft der Witz aus seiner Tendenz respektive seiner Technik bezieht ist fur Freud unklar 6 Synthetischer Teil Bearbeiten Hier untersucht Freud den Lustmechanismus und die Psychogenese des Witzes sowie die Motive des Witzes und den Witz als sozialen Vorgang Freud fuhrt aus dass der Witz seinen Lustgewinn daraus beziehe dass eine Hemmung nicht mehr aufrechterhalten werden musse Daraus leitet Freud eine Erklarung dafur ab weshalb die erzahlende Person uber den eigenen Witz nicht lachen kann Sie muss fur die Witzarbeit die psychische Energie aufwenden die durch den Wegfall der Hemmung gewonnen wird 7 Dabei ist auch entscheidend dass der Witz eine Ablenkung der Aufmerksamkeit erfordert Ein Witz bei dem die Pointe durch eine korrekte Aufmerksamkeitssteuerung erahnbar ist kann keine Wirkung entfalten Theoretischer Teil Bearbeiten Im abschliessenden Kapitel zeigt Freud die Beziehung des Witzes zum Traum und zum Unbewussten auf Dabei geht Freud von folgender Annahme aus Ein vorbewusster Gedanke wird fur einen Augenblick der unbewussten Bearbeitung uberlassen und deren Ergebnis wird alsbald von der bewussten Wahrnehmung erfasst Sigmund Freud Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten Leipzig und Wien Franz Deuticke 1905 S 141 Das Individuum kann zum psychischen Zustand des Kindes zuruckkehren in dem die Zwange der Realitat geringer waren Ein Beleg dafur ist fur Freud die Tatsache dass Kinder keine Witzarbeit leisten Abschliessend analysiert Freud die Komik und den Humor allgemeiner Er schliesst mit einer Zusammenfassung seiner Studie Wir stehen nun am Ende unserer Aufgabe nachdem wir den Mechanismus der humoristischen Lust auf eine analoge Formel zuruckgefuhrt haben wie fur die komische Lust und den Witz Die Lust des Witzes schien uns aus erspartem Hemmungsaufwand hervorzugehen die der Komik aus erspartem Vorstellungs Besetzungs aufwand und die des Humors aus erspartem Gefuhlsaufwand In allen drei Arbeitsweisen unseres seelischen Apparats stammt die Lust von einer Ersparung alle drei kommen darin uberein dass sie Methoden darstellen um aus der seelischen Tatigkeit eine Lust wiederzugewinnen welche eigentlich erst durch die Entwicklung dieser Tatigkeit verlorengegangen ist Denn die Euphorie welche wir auf diesen Wegen zu erreichen streben ist nichts anderes als die Stimmung einer Lebenszeit in welcher wir unsere psychische Arbeit uberhaupt mit geringem Aufwand zu bestreiten pflegten die Stimmung unserer Kindheit in der wir das Komische nicht kannten des Witzes nicht fahig waren und den Humor nicht brauchten um uns im Leben glucklich zu fuhlen Sigmund Freud Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten Leipzig und Wien Franz Deuticke 1905 S 204f Argumentative Struktur BearbeitenDie Gliederung des Buches entspricht nicht der argumentativen Logik wie Carl Pietcker herausgearbeitet hat 8 Freud betrachtet den Witz unter folgenden Aspekten einem okonomischen d h auf die Verteilung der psychischen Energie bezogen Beim Witz wird eine aufgewendete psychische Energie z B fur eine Hemmung eine Vorstellung freigesetzt oder abgelacht einem topischen d h auf den Ort der Vorgange im psychischen Apparat bezogen erfolgen sie bewusst unbewusst oder vorbewusst Die Quelle des Witzes liegt im Unbewussten daher auch der Titel dort spielen die Techniken der Verdichtung Verschiebung und der Verbindung von Gegensatzlichem einem dynamischen d h auf die Frage bezogen welche psychischen Krafte gegeneinander wirken Im Witz sind das die Anforderungen der ausseren Realitat die Hemmungen zum Beispiel entstehen lassen sowie die auf Lust drangenden Wunsche in sexueller oder aggressiver Hinsicht einem genetischen d h wie der Witz in der Entwicklung eines Individuums seine Bedeutung erhielt Der Witz stellt fur Freud eine Ruckkehr zur Kindheit dar in welcher eine Lust erlebt werden konnte die durch psychische Techniken verhindert wird einem kommunikativen oder sozialen d h in welchen Situationen der Witz zum Einsatz kommt Witze konnen als Mittel fur die Sympathiegewinnung aber auch als Machtmittel eingesetzt werden einem produktions und rezeptionsasthetischen d h auf die Frage bezogen was beim Produzenten eines Witzes und seinem Publikum passiert Das Lachen des Publikums versichert die Erzahlende Person dass sie durch die Witzarbeit nicht aus der Gemeinschaft fallt sondern andere ahnliche Prozesse durchleben Empirische Uberprufung BearbeitenIn einem Aufsatz von 1971 9 hat George W Kelling aus der Arbeit von Freud vier Thesen abgeleitet die er empirisch uberpruft hat Dabei liess er Cartoons von Probandinnen und Probanden bewerten 10 Enthalten Cartoons sexualisierte aggressive oder morbide Inhalte werden sie als lustiger empfunden Sind die Hauptakteure in Cartoons Kinder Tiere oder als primitiv dargestellte Menschen werden sie lustiger empfunden als Cartoons mit normnahen Erwachsenen Je kurzer die Textanteile von Cartoons desto lustiger werden sie empfunden Je grosser die Unterschiede in der Beurteilung eines Cartoons ausfallen desto weniger lustig erscheint er Mit Ausnahme der vierten Hypothese sprachen die Daten fur die Gultigkeit dieser Behauptungen So scheint es moglich aus Freuds Theorie Voraussagen abzuleiten welche sich belegen lassen Damit ist Freuds Theorie nicht bestatigt insbesondere die Annahmen in Bezug auf den psychischen Apparat lassen sich nicht empirisch belegen 11 Es durfte jedoch naheliegend sein die erste These in Freuds Argumentation damit zu begrunden dass der zunachst zu leistende Verdrangungsaufwand der grosste 10 sei Annie Hall BearbeitenIn seinem Film Der Stadtneurotiker OT Annie Hall von 1977 bezieht sich Woody Allen mehrmals auf Freuds Schrift Die Hauptfigur erzahlt unter explizitem Verweis auf Freud mehrere Witze im Film auch die Psychoanalyse selbst die in den USA in den 1970er Jahren ausserst popular war wird im Film erwahnt und ironisch kommentiert Weblinks BearbeitenSigmund Freud Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten im Projekt Gutenberg DEEinzelnachweise Bearbeiten Sigmund Freud Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten Leipzig und Wien Franz Deuticke 1905 Freud 1905 S 6 Carl Pietcker Sigmund Freud Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten in Wolfgang Mauser und Joachim Pfeifer Hrsg Lachen Wurzburg Konigshausen und Neumann 2008 S 19 ISBN 3 8260 3319 1 Freud 1905 S 29f Freud 1905 S 46 Freud 1905 S 84 Freud 1905 S 126ff Carl Pietcker Sigmund Freud Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten in Wolfgang Mauser und Joachim Pfeifer Hrsg Lachen Wurzburg Konigshausen und Neumann 2008 S 19 28 ISBN 3 8260 3319 1 AN EMPIRICAL INVESTIGATION OF FREUD S THEORY OF ProQuest Abgerufen am 13 November 2023 a b Humor und seine unbewussten Wurzeln Abgerufen am 13 November 2023 Carl Pietzcker Sigmund Freud der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten 2006 ISBN 978 3 8260 3319 3 uni freiburg de abgerufen am 13 November 2023 Primartext BearbeitenSigmund Freud Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1986 ISBN 3 596 26083 3 Franz Deuticke Leipzig und Wien 1905 in Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten amp oldid 239076092