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Das Anrechnungsverfahren ist ein Korperschaftsteuersystem bei dem die Belastung auf Ebene der Kapitalgesellschaft durch eine Vollanrechnung der von der Kapitalgesellschaft gezahlten Korperschaftsteuer berucksichtigt wird Es galt in Deutschland von 1977 bis 2000 und war weithin als ein systematisch sehr sauberes System angesehen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Die Kapitalgesellschaft als Steuersubjekt 3 Technische Ausgestaltung des Anrechnungsverfahrens 4 Verwendbares Eigenkapital 5 Systemwechsel zum Halbeinkunfteverfahren 6 Ubergangsvorschriften und Moratorium 7 LiteraturGeschichte BearbeitenUm das Problem der Doppelbelastung durch die Korperschaftsbesteuerung zu losen wurde 1977 das Anrechnungsverfahren nach Vorbild des franzosischen avoir fiscal eingefuhrt Die Kapitalgesellschaft als Steuersubjekt BearbeitenDie Besteuerung auf Ebene der Kapitalgesellschaft wurde bei diesem System nur als eine Vorab Erhebung betrachtet die endgultige Belastung sollte beim Anteilseigner nach dessen personlichen Verhaltnissen stattfinden Dies lag darin begrundet dass letztlich nur naturliche Personen als Trager steuerlicher Leistungsfahigkeit angesehen wurden Da man aber mit der steuerlichen Erfassung der Gewinne einer Gesellschaft nicht warten konnte bis diese endgultig ausgeschuttet wurden zum Beispiel durch Dividenden musste eine Vorabbelastung auf Ebene der Kapitalgesellschaft sichergestellt werden Im Ergebnis wurden durch das Anrechnungsverfahren die nicht ausgeschutteten Gewinne Thesaurierung auf Ebene der Kapitalgesellschaft besteuert wahrend die ausgeschutteten Gewinne nur noch auf Ebene des jeweiligen Anteilseigners zum Beispiel des Aktionars besteuert wurden Technische Ausgestaltung des Anrechnungsverfahrens BearbeitenIm Anrechnungsverfahren wurde die Korperschaftsteuer KSt wie eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer des Anteilseigners behandelt Die endgultige Besteuerung des ausgeschutteten Gewinns fand beim Anteilseigner nach dessen personlichen Verhaltnissen statt Schuttete die Kapitalgesellschaft ihren Gewinn nicht aus dann sollte die KSt annahernd so hoch sein wie der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer 1977 betrug der Ausschuttungssatz der KSt 56 ab 1990 nur noch 50 ab 1994 45 und schliesslich 1999 und 2000 noch 40 Schuttete die Kapitalgesellschaft den Gewinn hingegen aus wurde die KSt um 10 Punkte in den letzten beiden Geltungsjahren 1999 und 2000 vorher 15 Punkte auf 30 reduziert Diese 30 KSt konnte der Anteilseigner auf seine Einkommensteuer anrechnen Beim Anteilseigner wurde der ausgeschuttete Gewinn der Kapitalgesellschaft nach Gewerbesteuer sodann nach dessen personlichem Steuersatz besteuert Der von der Kapitalgesellschaft einbehaltene bzw als KSt abgefuhrte Gewinnanteil wurde wie eine Einkommensteuervorauszahlung auf die Einkommensteuer angerechnet Der ausgeschuttete Gewinn der Kapitalgesellschaft war dann im Ergebnis so besteuert als hatte der Anteilseigner den Gewinn selbst erwirtschaftet Beispiel Fall A Spitzenverdiener Fall B GeringverdienerGewinn der Kapitalgesellschaft nach GewSt 100 100Korperschaftsteuer auf einbeh Gewinn 40 40Ausschuttungsbelastungsminderung 10 10Bardividende Ausschuttung 70 70KSt auf ausgeschutteten Gewinn 30 30Einkunfte aus Kapitalvermogen 100 100Einkommensteuer A 50 B 20 50 20verbleiben nach Steuern 50 80Die entsprechende Anwendung dieses Systems bei Ausschuttungen an andere Kapitalgesellschaften garantierte dass es dabei nicht zu Kumulationswirkungen kommt Verwendbares Eigenkapital BearbeitenDurch die sogenannte Gliederungsrechnung wurde in Deutschland sichergestellt dass tatsachlich zutreffend die Vorbelastung auf Ebene der Kapitalgesellschaft bei der Ausschuttung berucksichtigt wurde Dazu wurden verschiedene Gruppen des steuerlichen Eigenkapitals gebildet verwendbares Eigenkapital die je nach steuerlicher Belastung gruppiert wurden Nach Steuersatzanderungen zum Beispiel von 45 auf 40 im Jahr 1999 musste durch Uberleitungen das verwendbare Eigenkapital angepasst werden Die wichtigsten Teilbetrage des verwendbaren Eigenkapitals waren ungemildert belastete Eigenkapitalanteile Der Teil des Eigenkapitals der aus versteuerten Gewinnen gebildet wurde also zuletzt der mit 40 belastete Teil Das sogenannte EK 40 Bei einer Ausschuttung findet das oben dargestellte Schema Anwendung unbelastete Eigenkapitalanteile Der Teil des Eigenkapitals der keiner Besteuerung im Inland unterlag Das sogenannte EK0 wobei Untergruppen unterschieden wurden je nachdem ob bei Ausschuttung eine Hochschleusung auf das Steuerniveau des Anteilseigners erfolgte bei steuerfreien auslandischen Gewinnanteilen oder ob die Ausschuttung komplett steuerfrei blieb bei Ruckzahlung von Einlagen Systemwechsel zum Halbeinkunfteverfahren BearbeitenDie Anrechnung der Korperschaftsteuer beim inlandischen Anteilseigner stellte sicher dass der Unternehmensgewinn im Inland nur einmal besteuert wurde Von vielen Seiten wurde daher zu Bedenken gegeben dass dieses Verfahren nicht europatauglich war da eine grenzuberschreitende Anrechnung nicht vorgesehen war und nur schwierig umzusetzen gewesen ware Weder konnte ein deutscher Anteilseigner auslandische Korperschaftsteuer anrechnen wenn er an einer auslandischen Kapitalgesellschaft Anteile gehalten hat noch konnte ein auslandischer Anteilseigner in seinem Heimatland die deutsche Korperschaftsteuer anrechnen Die Bedenken dass diese Probleme zu einer Europarechtswidrigkeit des Anrechnungsverfahrens fuhren konnen haben sich zumindest fur das finnische Anrechnungssystem bestatigt Am 7 September 2004 hat der EuGH das finnische Anrechnungssystem fur europarechtswidrig erklart Manninen Entscheidung weil ein Finne der an einer schwedischen Gesellschaft beteiligt war die auslandische Korperschaftsteuer in Finnland nicht anrechnen durfte Deutschland hat u a auch deshalb im Jahr 2001 auf das Halbeinkunfteverfahren umgestellt ab 2009 Abgeltungsteuer bzw Teileinkunfteverfahren Inzwischen ist auch die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Ruckwirkungspraxis deutscher Steuerbehorden durch den Europaischen Gerichtshof im Rahmen der Rechtssache Meilicke C 292 04 festgestellt worden Die Steuerbehorden hatten das Korperschaftsteueranrechnungsverfahren auf die Altfalle d h die bis zur Entscheidung in der Rs Manninen aufgelaufenen Verfahren weiterhin angewandt Die Entscheidung wird in der Rechtsliteratur kritisch gesehen weil der EuGH seiner eigenen Manninen Entscheidung eine sog erga omnes Wirkung d h gegenuber jedermann geltende Verbindlichkeit beimass wohingegen es bislang als sicher galt dass den Entscheidungen des EuGH grds nur inter partes Wirkung d h Verbindlichkeit zwischen den Parteien des Rechtsstreits zukommt Steinberg Bark in EuZW 2007 245 Ubergangsvorschriften und Moratorium BearbeitenDa wahrend des Anrechnungsverfahrens die gezahlte Korperschaftsteuer nur die Funktion einer Einkommensteuervorauszahlung hatte war es nicht moglich ohne Ubergangsvorschriften umzustellen Dies ware faktisch einer Enteignung gleichgekommen da die 40 ige Belastung in den Jahren 1977 2000 mit einem Schlag zu einer Definitivsteuer geworden ware Daher gibt es fur die Kapitalgesellschaften einen 18 jahrigen Ubergangszeitraum Mit Ende des Anrechnungsverfahrens wurde ein Korperschaftsteuerguthaben festgestellt das 1 6 des ehemaligen EK40 betragt Wahrend des Ubergangszeitraums erhalten die Kapitalgesellschaften fur Ausschuttungen jeweils 1 6 der Ausschuttungen vom Finanzamt zuruckgezahlt bis das Korperschaftsteuerguthaben verbraucht ist Dies entspricht einer Definitivbelastung von 30 statt 25 bei laufenden Gewinnen des ehemals mit 40 belasteten Eigenkapitals Diese Regelung war auch der Grund fur das negative bzw sehr niedrige Korperschaftsteueraufkommen in den Jahren nach der Systemumstellung da die Unternehmen hohe Ausschuttungen vornahmen und damit ihre Korperschaftsteuerguthaben in Anspruch nahmen Durch das Steuervergunstigungsabbaugesetz vom Mai 2003 wurde daruber hinaus die Anrechenbarkeit von Korperschaftsteuerguthaben zwischen dem 11 April 2003 und dem 31 Dezember 2005 auf 0 begrenzt Nach Ablauf dieses Moratoriums war die Anrechnung jahrlich auf den Bruchteil des Guthabens beschrankt worden der bei einer linearen Verteilung bis zum Endjahr 2019 rechnerisch auf dieses Jahr entfiele Bevor diese Anderung in Kraft trat wurde mit dem SEStEG die heute gultige Regelung des Korperschaftsteuerguthabens eingefuhrt Diese sorgt dafur dass zwischen 2008 und 2017 jeweils ein Zehntel des Korperschaftsteuerguthabens an die Korperschaft ausgezahlt wird auch ohne dass Ausschuttungen vorgenommen werden 37 Abs 5 KStG Literatur BearbeitenPezzer in Tipke Lang Steuerrecht 17 Aufl Koln Otto Schmidt 11 Korperschaftsteuer m w N Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anrechnungsverfahren amp oldid 172521460