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Mit dem Begriff Standardisierung werden in der Epidemiologie zwei unterschiedliche Verfahren zur Berechnung von Masszahlen bezeichnet die inhaltlich sinnvolle Vergleiche von Populationen ermoglichen konnen Grundlegend muss zwischen der direkten und indirekten Standardisierung unterschieden werden Haufig wird in der Epidemiologie beispielsweise bei der Prasentation von Ergebnissen aus Krebsregistern eine Standardisierung von Masszahlen hinsichtlich der Geschlechts und Altersstruktur vorgenommen Bei einem entsprechenden Vorgehen wird dann von Geschlechts und Altersstandardisierung und von geschlechts und altersstandardisierten Ergebnissen bzw Masszahlen gesprochen Grundsatzlich kann eine Standardisierung jedoch auch im Hinblick auf beliebige andere Strukturmerkmale und Kombinationen von Strukturmerkmalen vorgenommen werden Nur zur Vereinfachung der Lesbarkeit beschranken sich die nachfolgenden Erlauterungen und Beispiele ausschliesslich auf Altersstandardisierungen Inhaltsverzeichnis 1 Direkte Standardisierung 1 1 Ziel und Voraussetzungen 1 2 Vorgehen 1 3 Berechnungsbeispiel 1 4 Standardpopulationen fur direkte Standardisierungen 2 Indirekte Standardisierung 2 1 Ziel und Voraussetzungen 2 2 Vorgehen 2 3 Berechnungsbeispiel 3 LiteraturDirekte Standardisierung BearbeitenZiel und Voraussetzungen Bearbeiten Ziel der direkten Altersstandardisierung ist die Berechnung von Masszahlen zu Populationen wobei die berechneten Masszahlen moglichst unabhangig von der Altersstruktur in den einzelnen Populationen und damit auch vergleichbar zwischen Populationen mit unterschiedlichen Altersstrukturen sein sollen Voraussetzung fur eine direkte Altersstandardisierung ist die Verfugbarkeit von separat ermittelten Masszahlen zu allen bei der jeweiligen Standardisierung berucksichtigten Altersgruppen in allen betrachteten Populationen Durch die direkte Standardisierung konnen Ergebnisse aus unterschiedlichen Populationen sowie auch aus unterschiedlichen Studien unabhangig von Unterschieden bezuglich der Altersstruktur adaquat verglichen werden Eine direkte Altersstandardisierung setzt dabei allerdings relativ grosse Populationen voraus um innerhalb von enger gefassten Altersgruppen statistisch hinreichend stabile Masszahlen errechnen zu konnen Bei weiter gefassten Altersgruppen bleiben ggf unterschiedliche Altersverteilungen innerhalb der Gruppen unberucksichtigt Vorgehen Bearbeiten Fur die Berechnung direkt altersstandardisierter Masszahlen wird fur alle betrachteten Populationen eine einheitliche fiktive Altersstruktur namlich die einer sogenannten Standardpopulation festgelegt s u Aus den realen Angaben zu altersgruppenspezifischen Masszahlen in einer betrachteten Population und den Angaben zur Besetzung von Altersgruppen in der vereinbarten Standardpopulation wird eine fiktive Masszahl berechnet die bei einer Altersgruppenbesetzung wie in der Standardpopulation resultieren wurde wenn in einzelnen Altersgruppen genau die altersspezifischen Masszahlen der jeweils betrachteten Population gelten wurden vgl Beispiel Dies ist dann der direkt altersstandardisierte Wert fur die betrachtete Population Anmerkung Das Vorgehen der direkten Altersstandardisierung entspricht dem einer gewichteten Zusammenfassung von Ergebnissen aus Altersgruppen identische Ergebnisse konnen auch durch statistische Berechnungen mit gewichteten Einzelbeobachtungen ermittelt werden Berechnungsbeispiel Bearbeiten Fiktives Problembeispiel Fur die zwei Stadtteile A und B mit jeweils 30 000 Einwohnern werden Erkrankungsraten ermittelt In Stadtteil A erkrankten insgesamt 900 Einwohner womit sich eine Erkrankungsrate von 30 Erkrankten je 1 000 Einwohner ergibt In Stadtteil B erkrankten demgegenuber 2 020 Einwohner womit sich eine Erkrankungsrate von 67 3 Erkrankten je 1 000 Einwohner berechnen lasst Offensichtlich erkranken in Stadtteil B damit mehr als doppelt so viele Menschen wie in Stadtteil A was auf eine Gesundheitsgefahrdung in Stadtteil B hindeuten konnte Andererseits konnte jedoch auch eine unterschiedliche Altersstruktur der beiden Stadtteile fur die Unterschiede verantwortlich sein Fur beide Stadtteile A und B mussen fur die direkte Standardisierung zunachst Erkrankungsraten in einzelnen Altersgruppen berechnet werden zur Vereinfachung der Ubersichtlichkeit werden im Beispiel lediglich drei Altersgruppen differenziert Stadtteil A Alter Einwohner Erkrankte je 1 000 A0 bis 49 20 000 200 1050 bis 64 8 000 400 50ab 65 2 000 300 150Gesamt 30 000 900 30 Stadtteil B Alter Einwohner Erkrankte je 1 000 B0 bis 49 12 000 120 1050 bis 64 8 000 400 50ab 65 10 000 1 500 150Gesamt 30 000 2 020 67 3 Entscheidend fur die weiteren Berechnungen sind die altersspezifischen Erkrankungsraten aus beiden Populationen hier als Erkrankte je 1 000 Einwohner angegeben Diese werden verwendet um fiktive Erkranktenzahlen fur Stadtteil A und Stadtteil B zu berechnen wobei beide Populationen so betrachtet werden als ob sie eine identische Altersstruktur wie eine zuvor willkurlich ausgewahlte Standardpopulation aufweisen wurden Im vorliegenden Fall wurde einfach eine Standardpopulation aus den Summen der Altersgruppenbesetzungen von Stadtteil A und B gebildet Stadtteil A Alter Stand Pop Erkrankte je 1 000 A Erkrankte fikt 0 bis 49 32 000 10 32050 bis 64 16 000 50 800ab 65 12 000 150 1 800Gesamt 60 000 2 920 Stadtteil B Alter Stand Pop Erkrankte je 1 000 B Erkrankte fikt 0 bis 49 32 000 10 32050 bis 64 16 000 50 800ab 65 12 000 150 1 800Gesamt 60 000 2 920 Im Beispiel lassen sich aus den Angaben der letzten Tabellenzeilen fur beide Stadtteile A und B schliesslich identische direkt altersstandardisierte Erkrankungsraten von 4 87 bzw von 48 7 Erkrankten je 1 000 Einwohner durch Teilen der errechneten fiktiven Erkranktenzahlen 2 920 durch die Gesamtzahl der Personen in der Standardpopulation 60 000 berechnen Die eingangs genannten Unterschiede der rohen Erkrankungsraten zwischen den beiden Stadtteilen A und B resultieren in diesem Beispiel also ausschliesslich aus der unterschiedlichen Altersstruktur der Stadtteile A und B Im aufgefuhrten einfachen Beispiel hatte bereits ein kurzer Blick auf die altersgruppenspezifischen Erkrankungsraten aus beiden Stadtteilen genugt um deren ubereinstimmende Werte zu entdecken und damit die Altersunterschiede der Populationen als Ursache fur unterschiedliche Erkrankungshaufigkeiten zu identifizieren In der Praxis wird bei Standardisierungen jedoch oftmals erheblich feiner differenziert z B 20 Altersgruppe jeweils fur Manner und Frauen eine grossere Zahl von Populationen z B 16 Bundeslander sowie eine grossere Zahl von Masszahlen z B Erkrankungsraten zu unterschiedlichen Diagnosen betrachtet In entsprechenden Fallen konnen standardisierte Einzelwerte Vergleiche erheblich erleichtern Darstellungen aller Masszahlen zu allen Subgruppen jeweils mit geschlechts und altersspezifischen Werten waren insbesondere bei Print Veroffentlichungen kaum moglich Standardpopulationen fur direkte Standardisierungen Bearbeiten Die Auswahl einer Standardpopulation hangt von den betrachteten Populationen den beabsichtigten Vergleichen und der geplanten Verwendung der Ergebnisse ab Sie ist in gewissem Rahmen immer willkurlich und kann Ergebnisse und deren Interpretation beeinflussen Fur Ergebnisse die auf internationaler Ebene verglichen werden sollen existieren eine Reihe von Vorschlagen zu fiktiven Standardpopulationen die beispielsweise von der World Health Organization WHO oder Eurostat bereitgestellt werden Sollen auf der Basis einer Studie Aussagen zu aktuellen nationalen Masszahlen gemacht werden z B zu Erkrankungsraten in Deutschland kann eine direkte Standardisierung entsprechend der aktuellen Geschlechts und Altersstruktur der betrachteten Nation hilfreich sein sofern in der Erhebung der Studie die Geschlechts und Altersgruppen nicht ohnehin reprasentativ abgebildet sind Geht es im Rahmen einer Studie ausschliesslich um Vergleiche standardisierter Masszahlen aus Subgruppen der Studienpopulation kann zur direkten Standardisierung auch ein Ruckgriff auf Strukturangaben zur betrachteten Gesamtstudienpopulation sinnvoll sein Indirekte Standardisierung BearbeitenZiel und Voraussetzungen Bearbeiten Auch mit der indirekten Altersstandardisierung sollen vergleichende Bewertungen von Ergebnissen zu Sub Populationen ermoglicht werden welche sich hinsichtlich ihrer real beobachteten Altersstrukturen unterscheiden In der Regel wird die indirekte Standardisierung vorrangig bei Auswertungen zu kleineren Subpopulationen verwendet bei denen gleichzeitig detailliertere Daten zu einer ubergeordneten Gesamtpopulation verfugbar sind beispielsweise bei Auswertungen zu regionalen Kreisen in Deutschland bei denen gleichzeitig bundesweit erhobene Daten vorliegen Voraussetzung fur eine indirekte Altersstandardisierung ist die Verfugbarkeit von separat ermittelten Masszahlen zu allen berucksichtigten Altersgruppen lediglich fur die Referenz bzw Gesamtpopulation Zu den betrachteten Subpopulationen mussen nur Angaben zu deren Altersstruktur sowie altersubergreifend ermittelte Ergebnisse bzw Masszahlen bekannt sein einzelne Altersgruppen durfen in den Subpopulationen auch schwach besetzt sein oder ganzlich fehlen Als Einschrankung kann bei einer indirekten Standardisierung gelten dass primar nur relative Abweichungen von Masszahlen in Subpopulationen zu den Ergebnissen aus der Gesamtpopulation ermittelt werden Vergleiche zwischen den Subpopulationen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen und Annahmen legitim Vorgehen Bearbeiten Fur die Berechnung indirekt altersstandardisierter Masszahlen werden fur alle Subpopulationen neben den altersubergreifend beobachteten Ergebnissen erwartete Ergebnisse ermittelt die unter Zugrundelegung der realen Altersstruktur der Subpopulation resultieren wurde wenn in einzelnen Altersgruppen genau die altersspezifischen Masszahlen der Gesamtpopulation gelten wurden Aus den beobachteten und erwarteten Ergebnissen werden schliesslich Quotienten berechnet die das primare Ergebnis der direkten Standardisierung bilden vgl Beispiel ein Wert von 1 00 resultiert sofern sich beobachtete und erwartete Ergebnisse nicht unterscheiden Werte grosser als 1 resultieren wenn Werte in der Subpopulation hoher als altersspezifisch erwartet liegen Werte kleiner als 1 sofern beobachtete Ergebnisse niedriger als die erwarteten Werte liegen Handelt es sich bei den Berechnungen um Auswertungen zur Sterblichkeit werden diese Quotienten als standardisiertes Mortalitatsverhaltnis engl Standardized Mortality Ratio SMR bezeichnet Berechnungsbeispiel Bearbeiten Zunachst mussen fur die Gesamtpopulation Erkrankungsraten in einzelnen Altersgruppen berechnet werden im vorliegenden Beispiel altersspezifische Ergebnisse aus zusammengefassten Daten zu den Stadtteilen A und B Stadtteil A B Gesamtpopulation Alter Einwohner Erkrankte je 1 000 AB0 bis 49 32 000 320 1050 bis 64 16 000 800 50ab 65 12 000 1 800 150Unter Zugrundelegung der altersspezifischen Erkrankungsraten in der Gesamtpopulation hier Stadtteil A B werden erwartete Erkranktenzahlen in den Subpopulationen hier Stadtteil A sowie Stadtteil B berechnet Stadtteil A Subpopulation Alter Einwohner A je 1 000 AB Erkrankte A erwartet0 bis 49 20 000 10 20050 bis 64 8 000 50 400ab 65 2 000 150 300Gesamt 30 000 30 900 Stadtteil B Subpopulation Alter Einwohner B je 1 000 AB Erkrankte B erwartet0 bis 49 12 000 10 12050 bis 64 8 000 50 400ab 65 10 000 150 1 500Gesamt 30 000 67 3 2 020 Aus den beobachteten sowie den erwarteten Erkrankungszahlen in den Subpopulationen A sowie B werden schliesslich Quotienten berechnet Subpopulation A Erkrankte A Erkrankte A erwartet 900 900 1 00Subpopulation B Erkrankte B Erkrankte B erwartet 2020 2020 1 00Die Quotienten mit dem Wert 1 00 als Ergebnis der indirekten Altersstandardisierung belegen sowohl fur die Subpopulation A als auch fur die Subpopulation B dass sich die Erkrankungsraten in den beiden Populationen A und B nicht von der Gesamtpopulation hier A und B unterscheiden sofern die Effekte der unterschiedlichen Altersstruktur im Rahmen der indirekten Altersstandardisierung berucksichtigt werden Literatur BearbeitenEpidemiologische Methoden StandardisierungHarold A Kahn Christopher T Sempos Statistical Methods in Epidemiology Oxford University Press New York Oxford 1989 ISBN 0 19 505751 1 International verwendete StandardpopulationenOmar B Ahmad et al Age Standardization of Rates A New WHO Standard In GPE Discussion Paper Series No 31 EIP GPE EBD World Health Organization 2001 Online Zugriff PDF Datei Angaben zur Bevolkerungsstruktur in DeutschlandInformationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes https www gbe bund de Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Standardisierung Epidemiologie amp oldid 228971955