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Das Gesetz uber die Wiederbesiedlung gelegter Bauernguter und Hausleranwesen Wiederbesiedlungsgesetz ist ein Gesetz das am 31 Mai 1919 in der Republik Deutschosterreich beschlossen wurde und eine teilweise Bodenreform zum Ziel hatte Es wurde im Staatsgesetzblatt 310 1919 veroffentlicht Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Geschichte 3 Auswirkungen und Beurteilung 4 Einzelnachweise 5 Literatur 6 WeblinksInhalt BearbeitenDurch das Gesetz wurden die Agrarbehorden ermachtigt Grundstucke zu enteignen wenn sich diese vor dem 1 Janner 1870 in klein bauerlichem Besitz befunden hatten und seitdem eine Anderung der Eigentumsverhaltnisse stattgefunden hatte Auf diesen gelegten Bauerngutern sollten wieder kleinbauerliche Strukturen etabliert werden Das Bauerngut wurde vom Gesetz definiert als eine Wirtschaft die gewohnlich nicht mehr als das Sechsfache des Ertrages liefere den eine siebenkopfige Familie zum Leben benotige Das Gesetz bezog sich auf Grundstucke die hauptsachlich Zwecken der Jagd oder der Spekulation dienten Grundstucke die Teil eines vornehmlich forstwirtschaftlichen Betriebes geworden waren und solche die nunmehr zu landwirtschaftlichen Grossbetrieben gehorten Die Gemeinden wurden verpflichtet ein Verzeichnis der fur die Wiederbesiedlung infrage kommenden Grundstucke zu erstellen Wer ein solches Grundstuck erhalten wollte musste 4 deutscher Volkszugehorigkeit sein unbescholten und fachlich geeignet und anschliessend einen Enteignungsantrag stellen der von den Behorden gepruft wurde Die Entschadigung des bisherigen Grundeigentumers sollte so bemessen werden dass der Erwerber wohl bestehen kann Als allgemeiner Richtwert fur die Entschadigung wurde das 25 fache des Reinertrages genannt Geschichte BearbeitenNach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchie erliess die damalige Koalitionsregierung aus Christlichsozialen und Sozialdemokraten eine Reihe von Gesetzen die insbesondere den adeligen Grossgrundbesitz treffen sollten so etwa das Grundverkehrsgesetz das den rechtsgultigen Erwerb von Grund und Boden von der Zustimmung einer Kommission abhangig machte das Luftkeuschen Ablosungsgesetz mit dem das Eigentum des Pachters an vorher gepachteten Grundstucken begrundet werden konnte und das Schlossergesetz welches die Beschlagnahmung von Schlossern und Palasten zur Errichtung von Volkspflegestatten ermoglichte 1 Christlichsoziale und weite Teile der Sozialdemokratie waren sich daruber einig dass die potenziell revolutionare Situation in Osterreich durch sozialpolitische und wirtschaftsreformerische Massnahmen entscharft werden musse Die Christlichsozialen vertraten die Mehrheit der Kleinbauern die zwar die Aufteilung des Grossgrundbesitzes zu ihren Gunsten anstrebten sich aber gegen Ideen einer Verstaatlichung entschieden zur Wehr setzten da sie darin einen moglichen Prazedenzfall fur eine spatere Verstaatlichung oder Kollektivierung ihrer eigenen Flachen sahen Das Gesetz wurde vom christlichsozialen Abgeordneten Rudolf Buchinger eingebracht in der Debatte kritisierte der zionistische Abgeordnete Robert Stricker die Bestimmung wonach fur Antragsteller die deutsche Volkszugehorigkeit massgeblich war als antisemitisch Die Sozialdemokraten wiesen darauf hin dass beim Bauernlegen in den 1870er Jahren gerade auch Stifte und Kloster sehr aktiv gewesen seien und daher auch kirchlicher Besitz zur Enteignung in Frage kame 2 Auswirkungen und Beurteilung BearbeitenDer Sektionschef im Landwirtschaftsministerium Anton von Pantz notierte am 31 Mai 1919 in sein Tagebuch Heute wurde das Gesetz uber die Wiederbesiedlung der gelegten Bauernguter in der Nationalversammlung angenommen fur mich ein Augenblick hoher Befriedigung Mehr als 20 Jahre habe ich dafur gekampft aber unter den fruheren Regierungen war eine gesunde Wirtschafts und Bodenpolitik nicht zu machen der Jagdwahnsinn verdarb alles Ich wurde der Vater des Gesetzes uber die Wiederbesiedlung gelegten Bauernlandes das ich auch heute im Hause namens der Regierung vertrat Gebe Gott dass unsere Agrarbehorden in der Durchfuhrung dieser schweren Aufgabe sich bewahren 3 Der Abgeordnete und spatere Bundesprasident Michael Hainisch selbst Gutsbesitzer meinte in seinen Erinnerungen dass sich die Urheber des Gesetzes ungeheure Illusionen gemacht hatten Tatsachlich blieb das Gesetz wegen Verfahrensschwierigkeiten langwieriger Gerichtsprozesse und anderer Probleme in seiner Anwendung beschrankt insgesamt wurden weniger als 3 Prozent der osterreichischen Agrarflachen auf diese Weise wiederbesiedelt In Niederosterreich dem Bundesland mit der am starksten vom Grossgrundbesitz gepragten Agrarstruktur wurden bis 1928 nur etwa 2500 Hektar Grund rechtskraftig wiederbesiedelt davon waren 130 Gutsbetriebe betroffen 4 In den Alpenregionen scheiterte die Wiederbesiedlung haufig daran dass die ehemaligen Bauernguter nach Seehohe und Hangneigung fur moderne Landwirtschaft kaum geeignet und wirtschaftlich nicht rentabel waren Auch die damalige Abhangigkeit Osterreichs von auslandischem Kapital und die politische Abhangigkeit vom Volkerbund spielten eine Rolle beim Scheitern der Wiederbesiedlung Der Volkerbundkommissar Alfred Rudolph Zimmerman ein Gegner des Wiederbesiedlungsgesetzes erklarte die mangelnde Attraktivitat der osterreichischen Landwirtschaft fur auslandische Investitionen sei wesentlich durch das Gesetz begrundet worden 5 Einzelnachweise Bearbeiten Peter Melichar Grossgrundbesitz in Niederosterreich in der ersten Jahrhunderthalfte In Peter Melichar u a Hrsg Niederosterreich im 20 Jahrhundert Band 2 Wirtschaft Bohlau Verlag Wien Koln Weimar 2008 ISBN 978 3 205 78246 9 S 584f Ernst Hanisch Die Politik und die Landwirtschaft In Ernst Bruckmuller u a Geschichte der osterreichischen Land und Forstwirtschaft im 20 Jahrhundert Band 1 Ueberreuter Verlag Wien 2002 ISBN 3 8000 3859 5 S 96f Dorothea Fraydenegg Monzello Die Tagebucher des Sektionschefs im Ackerbauministerium Anton von Pantz Memoirenliteratur als Quelle fur den Historiker Univ Dipl Arbeit Graz 1990 S 168f Peter Melichar Grossgrundbesitz in Niederosterreich in der ersten Jahrhunderthalfte In Peter Melichar u a Hrsg Niederosterreich im 20 Jahrhundert Band 2 Wirtschaft Bohlau Verlag Wien Koln Weimar 2008 ISBN 978 3 205 78246 9 S 584f Ernst Hanisch Die Politik und die Landwirtschaft In Ernst Bruckmuller u a Geschichte der osterreichischen Land und Forstwirtschaft im 20 Jahrhundert Band 1 Ueberreuter Verlag Wien 2002 ISBN 3 8000 3859 5 S 97 Literatur BearbeitenIngrid Linsberger War es eine Bodenreform Das Wiederbesiedlungsgesetz und seine Umsetzung in Niederosterreich Univ Dissertation Wien 2010 Leopold Stocker Das Wiederbesiedlungsgesetz Gesetz uber die Wiederbesiedlung gelegter Bauernguter und Hausleranwesen mit Durchfuhrungsverordnungen und Erlauterungen Mit einem Einfuhrungsaufsatz Leopold Stocker Verlag Graz 1919 Weblinks BearbeitenHistorischer Gesetzestext Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wiederbesiedlungsgesetz amp oldid 210579927