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Der Begriff schulische Sozialisation bezieht sich hauptsachlich auf die soziale Entwicklung von Kindern in der Schullaufbahn und wird sowohl in den Sozial und Geisteswissenschaften wie der Soziologie als auch in der padagogischen Psychologie und Padagogik angewendet Inhaltsverzeichnis 1 Definition aus soziologischer Perspektive 2 Theoretische Grundlage aus soziologischer Perspektive 3 Perspektive verwandter Wissenschaften im Kontext der schulischen Sozialisation 3 1 Psychologie 3 2 Padagogik 4 Kritik 5 EinzelnachweiseDefinition aus soziologischer Perspektive Bearbeiten nbsp Sozialisation in der SchuleDie Definition bezieht sich immer auf die individuelle Entwicklung eines Kindes in dessen schulischer Laufbahn Die schulische Sozialisation lasst sich auf das erlernte Verhalten der Kinder in der Schule zuruckfuhren 1 Merle Hummrich und Rolf Torsten Kramer definieren in ihrem Werk zur schulischen Sozialisation diese wie folgt Schulische Sozialisation bezieht sich auf die Vermittlung gesellschaftlicher Normen und tragt zu Qualifikation und Allokation der Person in der Gesellschaft bei Als Sozialisationsinstanz tritt die Schule dabei in Wechselwirkung mit der Person aber auch mit anderen Sozialisationsinstanzen wie der Familie den Freunden und ausserschulischen Institutionen 2 Durch das Erlernen von unterschiedlichen Kompetenzen welche die Kinder sich in ihrer schulischen Laufbahn aneignen werden sie zu aktiven Mitgliedern der Gesellschaft erzogen Das Ziel der Schule ist die soziale Integration als auch qualitativ gute akademische Erfolge 3 Die sozialen Fahigkeiten der Schuler korrelieren positiv mit guten akademischen Resultaten Es wird vermutet dass ausgepragte soziale Kompetenzen dazu fuhren dass ein Kind die Struktur des Klassenraumes oder der Schule besser fur sich nutzen kann und deshalb besser lernen kann Lehrer haben dahingehend mehr Einfluss auf die soziale Entwicklung der Schuler als auf die akademischen Leistungen 4 Theoretische Grundlage aus soziologischer Perspektive BearbeitenDie primare Sozialisation ist die erste Phase durch die der Mensch in seiner Kindheit zum Mitglied der Gesellschaft wird allerdings findet diese hauptsachlich ihr Verstandnis in der fruhkindlichen Entwicklung Nach dieser ersten Sozialisation und dem Ubergang in das Schulsystem tritt laut Theorie die Sekundare Sozialisation in Kraft Berger und Luckmann beschreiben die beiden ersten Sozialisationsprozesse in ihrem Werk Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit Eine Theorie der Wissenssoziologie Im Buch wird der Zusammenhang zwischen Individuum und Welt im Allgemeinen ohne auf den Begriff der schulischen Sozialisation einzugehen beschrieben Die Identitat ist ein Phanomen welches durch Dialektik von Individuum und Gesellschaft entsteht In der Definition der primaren Sozialisation beschreiben Berger und Luckmann dass sich das Kind in einer subjektiven und zweifelsfreien Wirklichkeit befindet da die Umwelt durch andere konstruiert wird und nicht vom noch sehr jungen Kind hinterfragt werden kann In der sekundaren Sozialisation also mit dem Eintritt in die Gesellschaft etwa durch Bildungsinstitutionen tritt das Kind in Kontakt mit anderen Verhaltensmustern und Routinen und entwickelt somit ein neues Verstandnis von sich und der nicht mehr zweifelsfreien Umwelt 5 Die sekundare Sozialisation ist jener spatere Vorgang der eine bereits sozialisierte Person in neue Abschnitte der objektiven Welt ihrer Gesellschaft einweist 6 Sozialisation in der Schule oder auch schulische Sozialisation findet ihren besonderen thematischen Bezug in den Bildungs und Sozialwissenschaften wieder da dieser Begriff eine wesentliche Rolle in der Erklarung uber die Entwicklung und Sozialisierung von Kindern spielt Neben der primaren Sozialisation welche durch den sozialen Raum des Kindes in Form von Familie und Verwandtschaft charakterisiert wird spielt die sekundare Sozialisierung heisst durch die aktive Teilnahme in Bildungsinstitutionen eine signifikante Rolle um die Kinder auf gesellschaftliche Normen Werte und Rollen und die damit verbundenen Erwartungen in der Gesellschaft vorzubereiten Perspektive verwandter Wissenschaften im Kontext der schulischen Sozialisation BearbeitenPsychologie Bearbeiten Die Psychologie definiert den Begriff der schulischen Sozialisation wie die Soziologie Der entscheidende Unterschied im Umgang mit dem Begriff bildet der psychologische Zugang in der Theorie In der Psychologie ist die Didaktik in Form von Kommunikation zwischen der Lehrkraft und dem Schuler ausschlaggebend um Lernziele und sozialisatorische Ziele zu erreichen Die sozialisatorischen Ziele sind die Aneignung von Werten und Normen der Gesellschaft um aktiv in der Gesellschaft partizipieren zu konnen Der Begriff wird somit uber Kommunikation erlautert und erklart So schreiben Mergel Holz und Willerscheidt in diesem Kontext Denn die gesamten schulischen Bildungsprozesse sind eingebettet in das interaktive und dialogische Beziehungsgeschehen zwischen Lehrpersonal und Schulerschaft Nur in einer forderlichen Lehrer Schuler Beziehung lasst sich der schulische Wissenstransfer gestalten und durch eine verbesserte Beziehungskompetenz optimieren 7 Padagogik Bearbeiten Die Padagogik differenziert den Begriff der schulischen Sozialisation weiter als es andere Wissenschaften tun Der Begriff wird hier im schulischen Kontext von anderen relevanten Begriffen abgegrenzt und thematisiert Diese hangen zwar voneinander ab sind aber theoretisch voneinander abzugrenzen Es wird zwischen schulischer Sozialisation Erziehung Lernen und Bildung unterschieden um mehr Aspekte in der Auseinandersetzung mit dem Begriff der Sozialisation im schulischen Kontext zu erreichen Die Schule als Institution fordert Sozialisation durch Prozesse der Vergesellschaftung und Individuation Alle beteiligten Akteure die mit dem Schulalltag zusammenhangen haben signifikante Einflusse durch wechselwirkende Beziehungen unter den Akteuren auf die Entwicklung der Kinder Dieser Einfluss wird oft mit dem Begriff der Erziehung gleichgesetzt Der Begriff der Erziehung ist hier intendiertes Handeln Das heisst dass hier die Normen und Werte vermittelnde Funktion der Lehrer seine Anwendung findet Lehrkrafte erziehen die Schuler zu vollwertigen Mitgliedern von Gesellschaft durch die Durchsetzung von schulischen Ordnungen Das Lernen in der Schule geschieht zumeist formal auf Basis der institutionellen Rahmenbedingungen des Bildungssystems und der schulischen Institution selbst Hier geht es um Wissensaneignung der Schuler durch die Lehrkrafte Hierbei wird das Erlernte formalen oder praktischen Prufungen unterstellt um die Leistungsniveaus der Schuler zu erfassen Daruber hinaus wird der Begriff Lernen vom Begriff der Bildung abgegrenzt Bildung stellt die Person ins Zentrum der Betrachtung Bildung geschieht in der Auseinandersetzung um eine Sache einen Gegenstand zwischen Person und Umwelt Die Sache muss nicht wie beim Wissenserwerb zwingend durch einen bestimmten Wissenskanon vorbestimmt sein sondern kann auch eine Erfahrung sein ein biographischer Ubergang eine Situation in der die Person gefordert ist ein sich selbst in ein neues verandertes Verhaltnis zur Um Welt zu setzen 2 Kritik Bearbeiten Kinder konnen viel mehr als wir ihnen zutrauen Ihre Fahigkeiten verkummern weil Anerkennung immer von guten Noten abhangt 8 Wesentlicher Bestandteil der Kritiken welche den Begriff der schulischen Sozialisation betreffen kritisieren die geringen Individualisierungsmoglichkeiten der Kinder durch Leistungsdruck in Form von Noten und dem Konkurrenzkampf Kinder wurden zu fruh zu Kontrahenten und konnten sich so selbst nicht als eigenstandiges altruistisches Wesen entfalten Es sei viel mehr der Fall dass diese sich permanent mit der zugeschriebenen Rollenerwartung auf Basis von Geschlecht sozialem Hintergrund oder okonomischen Ansichten bewerten lassen mussten Unter diesen Umstanden sei es fur das Kind nicht mehr moglich seinen ureigenen Interessen nach zu gehen Die PISA Studie welche regelmassig die Bildungsniveaus von unterschiedlichen Landern in Form von Klausuren misst und vergleicht stellte im Bezug auf Deutschland fest dass es erhebliche Defizite im deutschen Bildungssystem gibt Es wird bemangelt dass es eine erhebliche Diskrepanz in der Bewertung und Forderung von Kindern mit Migrationshintergrund gibt dass Kinder aus okonomisch reichen Haushalten besser bewertet werden und dass es mittlerweile eine grossere Diskrepanz der Leistung zwischen Jungen und Madchen gibt 9 Im Zuge der Ungleichheit zwischen Jungen und Madchen liegt die Kritik nicht in den Leistungsunterschieden bei Madchen da diese deutlich besser in der PISA Studie abschneiden sondern in der Rollenerwartung an Madchen Nimmt man den Geburtsjahrgang 1992 als Referenz schliessen aktuell rund 51 Prozent der Madchen die Schule mit Hochschulreife ab aber nur 41 Prozent der Jungen 10 Diese Entwicklung wird aber dadurch relativiert dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor noch schlechtere Chancen haben als Manner 11 In der Zeitschrift fur Padagogik widmete sich die Erziehungswissenschaftlerin Barbara Koch Priwe den Sozialisationseffekten in der Schule im Bezug auf die Entwicklung der Madchen Die schulische Sozialisation in Deutschland schade demnach Madchen bei der Verwirklichung von eigenen Interessen Die Sozialisation vieler Madchen begunstigt offenbar eine eingeengte Wahl von Berufsalternativen Nicht nur das Spektrum der gewahlten Berufszweige ist kleiner als das der Jungen auch wahlen sie vermehrt Berufe deren Ausbildungszeiten von kurzerer Dauer sind und in denen die Ausbildungsvergutung deutlich geringer ist Selbst unter Studierenden sind Frauen mit einem Anteil von etwa 40 Prozent nach wie vor unterprasentiert obwohl die Halfte der Abiturienten weiblich ist Der Aufholprozess ist seit Anfang der 80er Jahre zum Stillstand gekommen In ihrer Berufsentscheidung antizipieren viele Madchen die gesellschaftliche Aufteilung in Erwerbs und Versorgungsokonomie Sie scheinen bei dieser Alternative mehrheitlich die klassische weibliche Rollenzuweisung zu akzeptieren und sich fur die Versorgung der Ehemanner und fur Kinderbetreuung verantwortlich zu fuhlen 12 Einzelnachweise Bearbeiten Ballantine Jeanne amp Spade Joan Schools and Society A Sociological Approach to Education Abgerufen am 9 Oktober 2017 englisch a b Merle Hummrich Rolf Torsten Kramer Schulische Sozialisation Hrsg Springer VS Springer Verlag Wiesbaden ISBN 978 3 531 18454 8 S 179 Grusec Joan amp Hastings Paul Handbook of Socialization Theory and Research Second Edition the Guilford Press Abgerufen am 12 Oktober 2017 englisch Jennings Jennifer amp DiPrete Thomas Teacher Effects on Social Behavioral Skills in Early Elementary School 2015 abgerufen am 12 Oktober 2017 englisch Peter L Berger Thomas Luckmann Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit Eine Theorie der Wissenssoziologie 3 Auflage Frankfurt am Main 1972 ISBN 3 10 807101 7 S 70 Albert Scherr Einfuhrung in Hauptbegriffe der Soziologie In Schafers Bernhard Hrsg Einfuhrung in Hauptbegriffe der Soziologie 4 Auflage 1995 ISBN 978 3 531 90032 2 S 425 Seiten Sindelar Stephenson Wolfle Psychoanalytische Individualpsychologie in Theorie und Praxis Psychotherapie Padagogik Gesellschaft Springer Vienna 2011 ISBN 978 3 7091 0464 4 S 346 Uli Hauser Kritik am Bildungssystem Schule ist Energieverschwendung In Stern 30 September 2012 abgerufen am 5 Juli 2017 PISA 2015 OECD 2015 abgerufen am 12 Juli 2017 Stephan Sievert Steffen Krohnert Schwach im Abschluss Warum Jungen in der Bildung hinter Madchen zuruckfallen und was dagegen zu tun ware Hrsg Berlin Institut fur Bevolkerung und Entwicklung Berlin 2015 ISBN 978 3 9816212 6 6 S 6 Prof Heather Hofmeister und Lena Hunefeld Frauen in Fuhrungspositionen Bundeszentrale fur politische Bildung 11 August 2010 abgerufen am 25 Juli 2017 Barbara Koch Priewe Qualitat von Schule Geschlecht als Strukturkategorie In Deutsches Institut fur Internationale Padagogische Forschung Hrsg Zeitschrift fur Padagogik Band 43 Marburg 1997 S 571 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schulische Sozialisation amp oldid 214153219